Was unternimmt die Landesregierung gegen Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer nicht bei der Sozialversicherung anmelden?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22.01.2015 - TOP 26.
Antwort von Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Burkhard Jasper, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Petra Joumaah, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU).
Die Abgeordneten Burkhard Jasper, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Petra Joumaah, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU) hatten gefragt:
Was unternimmt die Landesregierung gegen Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer nicht bei der Sozialversicherung anmelden?
Die HAZ zieht in ihrer Ausgabe vom 6. Januar 2015 unter der Überschrift „Gekommen, um zu bleiben“ eine Ein-Jahres-Bilanz des freien Zugangs von Bulgaren und Rumänen zum deutschen Arbeitsmarkt. In diesem Zusammenhang wird auch über die Beratungsstelle für mobile Beschäftigte in Oldenburg berichtet. Diese erhalte am laufenden Band Hilferufe von Wanderarbeitern aus der Fleischindustrie und wisse zu berichten: „Die Unternehmer wollen ihre Leute nicht fest anstellen, sie wollen keine Verantwortung übernehmen, etwa für Krankenversicherung und Unterkünfte“. Scheinselbstständige würden als angebliche Subunternehmer für 1 200 Euro im Monat ohne Krankenversicherung arbeiten, so die Mitarbeiterin der Beratungsstelle.
Auch für Scheinselbstständige besteht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit sie eine Beschäftigung gegen Entgelt oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro ausüben. Der Arbeitgeber muss diese Beschäftigten bei einer Krankenkasse anmelden und Beiträge zahlen.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Was veranlasst die Beratungsstelle für mobile Beschäftigte, wenn ihr bekannt wird, dass ein Arbeitgeber seine Beschäftigten nicht krankenversichert hat?
2. Was unternimmt die Landesregierung, wenn ein Betrieb wiederholt wegen der Missachtung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten aufgefallen ist?
3. Wer kommt für die Krankenkosten dieser nicht krankenversicherten Arbeitnehmer auf?
Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Die Landesregierung hat in der niedersächsischen Arbeitsmarktpolitik seit 2013 einen Paradigmenwechsel vollzogen. Durch zahlreiche Maßnahmen ist der Wert der Arbeit und die Qualität der Beschäftigung in den Mittelpunkt der niedersächsischen Arbeitsmarktpolitik gerückt worden. Die wesentlichen Ziele der Landesregierung bestehen so insbesondere in der Zurückdrängung des Niedriglohnsektors und der prekären Beschäftigung. Vor allem die vom Land Niedersachsen geförderten Beratungsstellen für mobile Beschäftigte in Oldenburg, Hannover und demnächst auch in Braunschweig dokumentieren die Anstrengungen und den Erfolg der Niedersächsischen Landesregierung bei der Umsetzung des Leitbildes „Gute Arbeit“.
Aufgabe der Beratungsstellen ist es, den oft von ausbeuterischen Arbeitssituationen betroffenen, vielfach völlig hilflosen ausländischen Beschäftigten vor allem aus dem südosteuropäischen Ausland durch eine unbürokratische Hilfestellung Wege zur Verbesserung ihrer Lage aufzuzeigen. Diesen wird über die Beratungsstellen ein auch aufsuchendes, niedrigschwelliges, direktes und damit umgehend erfahrbares Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebot eröffnet, mit dem versucht wird, die Betroffenen vor allem über die sich aus ihrem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte und Schutzstandards aufzuklären und bei deren Einforderung zu unterstützen..
Zu der Anfrage d. Abgeordneten Burkhard Jasper, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Petra Joumaah, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU) ist darüber hinaus grundsätzlich anzumerken, dass die Beratungsstellen für mobile Beschäftigte unter Trägerschaft der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Niedersachsen e.V. stehen. Sie sind somit dem Land Niedersachsen gegenüber weder berichtspflichtig noch weisungsgebunden. Erkenntnisse der Beratungsstellen für mobile Beschäftigte werden grundsätzlich und erst recht nicht in jedem Einzelfall an die Landesregierung weitergeleitet, da die Beratung über die konkrete Arbeitssituation in vielen Fällen ein sensibler Punkt ist. Viele ratsuchende Beschäftigte fürchten Konflikte mit ihrem Arbeitgeber oder sogar den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Daher ist Vertraulichkeit eine zwingende Voraussetzung für die Beratungstätigkeit.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Nach Auskunft der mobilen Beratungsstelle in Oldenburg werden Hinweise, dass ein Arbeitgeber seine Beschäftigten nicht krankenversichert hat, entgegengenommen und an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Zudem sucht die Beratungsstelle das Gespräch mit dem Unternehmen und versucht an die Verantwortung des Unternehmens zu appellieren.
Zu 2.:
Gem. § 28a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind Arbeitgeber u. a. dazu verpflichtet, der zuständigen Einzugsstelle den Beginn einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung eines Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin zu melden. Einzugsstellen für die Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sind die Krankenkassen. Diese überwachen die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28h Abs. 1 SGB IV).
Die Träger der Rentenversicherung prüft bei den Arbeitgebern, ob diese u. a. ihren Meldepflichten nachgekommen sind und unterrichten die Einzugsstellen über Sachverhalte, die die Meldepflicht oder die Zahlungspflicht der Arbeitgeber betreffen (§ 28p Abs. 1und 3 SGB IV). Arbeitgeber, die vorsätzlich oder leichtfertig ihrer Meldepflicht nach § 28a SGB IV nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommen, handeln ordnungswidrig (§ 111 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IV). Gegen sie kann von der zuständigen Einzugsstelle ein Bußgeld von bis zu 25.000 € festgesetzt werden (§ 111 Abs. 4, § 112 Abs. 1 Nr. 4 SGB IV). Daneben ist die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen strafbewehrt, (§ 266a Strafgesetzbuch (StGB), Strafandrohung je nach Schwere zwischen 6 Monaten und 10 Jahren).
Auch wenn die vom Land Niedersachsen geförderten Beratungsstellen für mobile Beschäftigte Hinweise über sozialversicherungsrechtliche Verstöße erhalten, werden diese Hinweise von den Beratungsstellen aufgenommen und an die zuständigen Stellen weitergeleitet.
Über den Ausgang der o.g. Prüfungsverfahren bei der Rentenversicherung erhält die Landesregierung keine Kenntnis.
Zu 3.:
Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge ist der Arbeitgeber (§ 28e SGB IV), nicht der bzw. die Versicherungspflichtige. Die Krankenkassen betreiben den Beitragseinzug bzw. die Mahnung und Vollstreckung bei den Schuldnern. Beitragsausfälle gehen zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen hat keine Auswirkung auf den Versichertenstatus der Versicherungspflichtigen. Sie werden behandelt, als wären die Beiträge ordnungsgemäß abgeführt worden.
Artikel-Informationen
Ansprechpartner/in:
Herr Stefan Wittke
Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Bauen
Pressesprecher
Friedrichswall 1
30159 Hannover
Tel: (0511) 120-5427
Fax: (0511) 120-995427