Wie steht die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Niedersachsen, Cornelia Rundt, zur sozialen Gerechtigkeit?
Die Abgeordneten Heidemarie Mundlos, Karl-Heinz Klare, Norbert Böhlke und Dirk Toepffer (CDU) hatten gefragt:
Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 27. November 2012 hat die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsens, Cornelia Rundt (SPD), Verhandlungen mit der Gemeinnützigen Gesellschaft für Paritätische Sozialarbeit (GGPS) um einen Tarifvertrag für die Beschäftigten der GGPS abgelehnt.
Die GGPS ist eine Tochtergesellschaft des Paritätischen und u. a. Trägerin von Krippen und kleinen Kindertagesstätten, Werkstätten von Menschen mit Behinderung und Pflegeheimen.
Nach Angaben von ver.di ist Frau Rundt als Hauptgesellschafterin der GGPS seit zwei Jahren mehrfach zu Verhandlungen aufgefordert worden. Jedoch seien alle Versuche fehlgeschlagen, den bestehenden Konflikt friedlich zu lösen.
Nach einer im Jahr 2004 geschlossenen Betriebsvereinbarung für neu eingestellte Mitarbeiter der GGPS erhalten diese größtenteils eine um 10 % niedrigere Entlohnung als die Altbeschäftigten, die nach einem an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) angelehnten Haustarif bezahlt werden. Laut ver.di will die GGPS nunmehr weitere Lohnsenkungen für neue Mitarbeiter durchsetzen.
Wir fragen die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen die Kita-Volksinitiative unterstützt, wenn es um Forderungen an das Land geht, jedoch Gespräche mit den Tarifpartnern ablehnt, wenn es um eine einheitliche und angemessene Bezahlung aller Beschäftigten geht?
- Verhindert Frau Rundt mit ihrem Widerstand gegen den Einritt in jegliche Verhandlungen mit ver.di eine sozial gerechte und angemessene Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GGPS?
- In welchen Pflegeeinrichtungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands haben seit dem im November 2011 geschlossenen Pflegepakt Verhandlungen über die Höhe der Pflegesätze stattgefunden und mit welchem Ergebnis?
Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Nach Informationen der Landesregierung ist Frau Rundt Vorstandsmitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Niedersachsen und daneben auch Vorsitzende des Verwaltungsrates und der Gesellschaftsversammlung der Gemeinnützigen Gesellschaft für Paritätische Sozialarbeit mbH Wilhelmshaven (GGPS).
Nach dem von den Antragstellern zitierten Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung soll sie „Verhandlungen mit der Gemeinnützigen Gesellschaft für Paritätische Sozialarbeit (– Hannover - d.U.) (GGPS) um einen Tarifvertrag für die Beschäftigten der GGPS abgelehnt“ haben und die GGPS nunmehr beabsichtigen, weitere Lohnsenkungen für neue Mitarbeiter durchzusetzen.
Nach einem weiteren Bericht der HAZ vom 30.11.2012 sind die Beschäftigten der Kindertagesstätten der GGPS am 28.11.2012 in einen vierstündigen Warnstreik getreten. In der 49. KW würde zudem entschieden, ob es vor oder nach Weihnachten zu einem Streik kommt.
Die Richtigkeit vorgenannter Berichte unterstellt, hat sich die Landesregierung vor allem mit Blick auf die bereits begonnenen Arbeitskampfmaßnahmen wegen der insbesondere in diesem Stadium der Auseinandersetzung gebotenen Neutralität des Staates der in der Anfrage gewünschten Bewertung zu enthalten.
Die Wahrung und Förderung der Arbeits– und Wirtschaftsbedingungen und damit auch die Festlegung der Arbeitsbedingungen ist nach Art 9 Abs. 3 GG zuvörderst Aufgabe der Sozialpartner selbst. Die danach gewährleistete Tarifautonomie eröffnet diesen nach der Rechtsprechung des BVerfG hier einen Freiraum zu autonomer Rechtsgestaltung.
Die vom Grundgesetzgeber mit der Tarifautonomie verbundene Erwartung, in diesem freigelassen Raum das Arbeitsleben im Einzelnen durch Tarifvertrag sinnvoll zu ordnen, insbesondere die Höhe der Arbeitsvergütung für die verschiedenen Berufstätigkeiten festzulegen und so letztlich die Gemeinschaft sinnvoll zu befrieden, begründet nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aber keine Regelungspflicht, der ausschließlich durch den Abschluss von Tarifverträgen genügt werden kann. Art 9 III GG ist trotz seiner sozialstaatlichen Funktion ein Freiheitsrecht.
Der Staat und damit auch die Landesregierung hat sich wegen des mit der Gewährleistung der Koalitions– und Koalitionsbetätigungsfreiheit ebenfalls gewährleisteten Rechts, solchen Koalitionen fern zu bleiben oder den Abschluss von Tarifverträgen abzulehnen, mit entsprechenden Forderungen, aber auch bei Partei ergreifenden Bewertungen des Verhaltens der Sozialpartner zurück zu halten.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen. Die Landesregierung hat ebenfalls nicht zu bewerten, welche Bildungsinitiativen von Wohlfahrtsverbänden unterstützt bzw. nicht unterstützt werden.
Zu 2.:
Die Entscheidung der Frage, ob eine Vergütung als sozial und angemessen zu bewerten ist, kann nach Auffassung der Landesregierung nur in Kenntnis aller Umstände des Einzelfalls (des Betriebs, der Situation in der Branche etc.) und als Ergebnis eines entsprechenden privatautonomen Aushandlungsprozesses getroffen werden. Hierzu berufen sind vorrangig die Tarifvertragsparteien bzw. die Sozial/ Vertragspartner im Betrieb selbst, die das als „Sachverständige vor Ort“ am besten beurteilen können
Zu 3.:
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. ist ein Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen und Dachverband für seine Mitgliedsorganisationen. Er ist nicht selbst Träger von Pflegeeinrichtungen. Die Landesregierung beantwortet die Frage daher anhand der Daten der Träger vollstationärer Dauerpflegeeinrichtungen, die Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. sind.
Die namentliche Benennung der jeweiligen Träger sowie die Darstellung der Ergebnisse von Einzelverhandlungen, die diese Träger im Zeitraum vom 01.11.11 bis 31.10.12 geführt haben, könnten nach Auffassung der Landesregierung zur Wahrung datenschutzrechtlicher Regelungen nur mit Zustimmung der jeweiligen Träger erfolgen. Da der Landesregierung selbst keine Daten über einzelne Pflegesatzverhandlungen zur Verfügung stehen, wurden anhand der bei der AOK Niedersachsen geführten zentralen Pflegesatzdatei die Träger, die Mitglieder im Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. sind, zunächst identifiziert. Eine Abfrage bei jedem dieser Träger, ob er der Veröffentlichung seiner Einzelverhandlungsergebnisse zustimme, konnte aus zeitlichen Gründen nicht mehr durchgeführt werden.
Die Frage wird somit in anonymisierter Form wie folgt beantwortet:
Dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. gehörten mit Stand vom 31.07.2012 die Träger von 55 vollstationären Dauerpflegeeinrichtungen in Niedersachsen an. Mit 21 (= 38 %) dieser Einrichtungsträger wurden in dem Zeitraum vom 01.11.2011 bis 31.10.2012 neue Pflegesatzvereinbarungen abgeschlossen. Die durchschnittliche Steigerungsrate aller Pflegesatzerhöhungen betrug + 2,50 %. Die niedrigste Einzelsteigerungsrate lag bei + 0,18%, die höchste bei + 5,26 %.
Artikel-Informationen
erstellt am:
07.12.2012