Zukunft der Mittelelbe und des Elbe-Seitenkanals
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28.09.2012 - TOP 39. Antwort von Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Andrea Schröder-Ehlers (SPD)
Die Abgeordnete Andrea Schröder-Ehlers (SPD) hatte gefragt:
Der Elbe-Seitenkanal (ESK) und im Besonderen das Schiffshebewerk bei Scharnebeck ist für den vorhergesagten Anstieg des Güteraufkommens aus dem Hamburger Hafen in den kommenden Jahren nicht gerüstet - darüber sind sich alle Experten einig. Die Hafenhinterlandverkehre werden bis 2025 - bezogen auf das Jahr 2004 - um 50 % bei den Massengütern und um 242 % bei den Containern steigen. Die Transportleistung auf dem ESK könnte durch den Bau eines neuen Aufstiegsbauwerkes bei Scharnebeck mehr als verdoppelt und zugleich verlässlicher und zeitsparender gestaltet werden.
Zum Bau einer Schleuse hat die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte im Jahre 2009 eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, 2010 eine Machbarkeitsstudie und 2011 eine Voruntersuchung vorgelegt. Alle Untersuchungen zeigen die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit eines solchen Bauwerkes auf. Trotz dieser positiven Aussagen wurden weitergehende Planungen, die zur Herbeiführung eines Planfeststellungsbeschlusses nötig sind, gestoppt. Damit droht der Wegfall dieses Bauprojektes aus der erhofften hohen Priorisierung im Bundesverkehrswegeplan bis zum Jahr 2015.
Die Alternative zu einer neuen Schleuse bei Scharnebeck in Form eines Ausbaus der Mittelelbe wäre ökologisch und aufgrund des niedrigen Wasserstandes dort nicht zu vertreten. Bereits 2007 hat sich der Landtag einstimmig gegen weitere Ausbaumaßnahmen an der Mittelelbe ausgesprochen.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Initiativen ergreift die Landesregierung, um den vom Bundesverkehrsministerium verhängten Planungsstopp bezüglich einer neuen Schleuse bei Scharnebeck aufzuheben und das Planfeststellungsverfahren hierzu einzuleiten?
- An welchen Tagen der letzten fünf Jahre hat der Wasserstand der Mittelelbe die für die Binnenschifffahrt notwendige Marke von 1,60 m unterschritten?
- Steht die Landesregierung noch zu dem im Dezember 2007 gefassten Beschluss des Landtages, nach dem es keine weiteren Ausbaumaßnahmen an der Mittelelbe geben soll?
Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Der Elbe-Seiten-Kanal spielt in den konzeptionellen Überlegungen der Landesregierung im Hinterlandverkehr des Hamburger Hafens eine zentrale Rolle. Ein wichtiges Element des Elbe-Seiten-Kanals ist das Schiffshebewerk Scharnebeck bei Lüneburg – sowohl für den Seehafen Hamburg als auch für die Wirtschafts- und Industriegebiete in Niedersachsen und den angrenzenden Ländern.
Altersbedingt gibt es technische Probleme, die im Zuge der Wartungsarbeiten immer wieder zu Betriebseinschränkungen führen. Die Unternehmen beklagen wirtschaftliche Verluste in erheblicher Größenordnung. Außerdem ist das Schiffshebewerk inzwischen zu klein, um den Verkehr mit heute gängigen Großgütermotorschiffen oder Schubverbänden abzuwickeln.
Vor dem Hintergrund steigender Umschlagsmengen in den deutschen Seehäfen ist ein Neubau dringend geboten, um mittel- bis langfristig die notwendigen Transportkapazitäten im Hinterlandverkehr des Hamburger Hafens für die niedersächsische Wirtschaft bereitzustellen. Niedersachsen wird deshalb in Absprache mit anderen Ländern den Neubau einer neuen Schleuse in Lüneburg für den nächsten Bundesverkehrswegeplan anmelden.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Niedersachsen wird den Neubau der Schleuse Lüneburg für den Bundesverkehrswegeplan anmelden. Diese Anmeldung sollte jedoch auch von Hamburg und möglichst auch von Sachsen-Anhalt unterstützt werden, damit sie Aussicht auf Erfolg hat.
Der Bund ist vor dem Hintergrund der dortigen Haushaltssituation nur bereit, die notwendigen Kapazitätserweiterungen im Bereich des ESK im Hinterlandverkehr des Hamburger Hafens planerisch zu initiieren und als neues Vorhaben des Bundesverkehrswegeplans umzusetzen, wenn erkennbar wird, dass ein entsprechender Umschlag im Hamburger Hafen auf das Binnenschiff und damit die Nutzung des neuen Abstiegsbauwerks mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Zur Gewährleistung eines ausreichenden Binnenschiffsumschlages im Hamburger Hafen muss es einen Konsens bei den Hafenwirtschaftsunternehmen geben, dieses Ziel mit zu verfolgen. Niedersachsen und Hamburg werden hierfür gemeinsam eine Initiative starten, damit vor dem Hintergrund der mittelfristig erkennbaren Verkehrsprobleme eine befriedigende Lösung der Kapazitätsprobleme im Hinterlandverkehr erreicht werden kann.
Es wird davon ausgegangen, dass unter den oben beschriebenen Randbedingungen der vom Bund verhängte Planungsstopp aufgehoben wird, so dass die technischen Planungen und die notwendigen rechtlichen Verfahren abgewickelt werden können. Auf dieser Grundlage werden die Bemühungen verstärkt, die notwendigen Haushaltsmittel für die Umsetzung des Vorhabens einzuwerben.
Zu 2.:
Nach Auskunft der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost hat der Wasserstand der Mittelelbe zwischen Mühlenholz und Dömitz die für die Binnenschifffahrt notwendige Marke von 1,60 m im Jahr 2008 an 127 Tagen, in 2009 an 51 Tagen, in 2010 an 15 Tagen, in 2011 an 16 Tagen und in 2012 bisher an 16 Tagen unterschritten. Im Streckenabschnitt Dömitz – Lauenburg waren es 2008 118 Tage, 2009 84 Tage, 2010 21 Tage, 2011 37 Tage und 2012 bisher 74 Tage.
Zu 3.:
Ja.
Ein Ausbau der Mittelelbe wird abgelehnt. Die Anpassung der Unterhaltungsstrategie zur Gewährleistung des verkehrlichen Ziels von 1,60 m an 345 Tagen, wie sie in dem Unterhaltungskonzept der Bundesregierung vereinbart worden ist, wird festgehalten.
Dieses besagt, dass es durch geeignete Strombaumaßnahmen im Rahmen des „Fachkonzeptes für die Unterhaltung der Elbe zwischen Tschechien und Geesthacht“ (WSD Ost, Mai 2005) möglich ist, die spezifischen naturräumlichen Gegebenheiten zu schützen und zu erhalten und zugleich die Elbe als wichtigen Transportweg zu nutzen.
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erstellt am:
28.09.2012