Erdgasgewinnung in Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 21.01.2011 - TOP 27. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Stefan Wenzel und Elke Twesten (GRÜNE)
Die Abgeordneten Stefan Wenzel und Elke Twesten (GRÜNE) hatten gefragt:
Am 22. November 2010 hat die Landesregierung den Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz des Landtags über „Gassuche in Niedersachsen durch die Firma Exxon und die im Rahmen von Testbohrungen angewandte Technik `Fracing’“ unterrichtet. Die Unterrichtung war von Mitgliedern des Landtags verlangt worden, nachdem durch Medienberichte bekannt geworden war, dass in der Nähe der Ortschaft Damme bei einer Testbohrung die umstrittene Fracing-Technik zur Gewinnung von Erdgas eingesetzt werden soll.
Für die Landesregierung führte das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr am 22. November aus, dass in Niedersachsen 1. Fracearbeiten lediglich an einer einzigen Bohrung durchgeführt würden, 2. kein Shale Gas in Niedersachsen gefördert werde und 3. die Anzahl der produzierenden Shale-Gas-Bohrungen mit „Null“ angegeben wird. Die Angaben sind auch der Powerpoint-Präsentation zu entnehmen, die dem Protokoll der Ausschusssitzung angefügt ist. (Die Begriffe „Tight Gas“ und „Shale Gas“ werden nach unserem Verständnis in der Darstellung des MW synonym verwandt.)
Presseberichten und Veröffentlichungen der Firma ExxonMobil ist jedoch zu entnehmen, dass seit Mitte der 90er-Jahre in der Tight-Gas-Lagerstätte Söhlingen die Frac-Technik eingesetzt wurde. So hat die Firma bereits beim Pilotprojekt Söhlingen Z 10 in den Jahren 1993 bis 1995 und bei weiteren Bohrungen auch noch in den vergangenen Jahren die tiefste Horizontalbohrung der Welt mit mehrfacher Frac-Behandlung durchgeführt und so wirtschaftliche Förderraten aus dem Dethlinger Sandstein erreicht (Steine+Erden 05/2003).
Auch in Ostfriesland hat der Konzern GDF Suez im Erdgasfeld Leer bei den Bohrungen Z4, Z5 und Z6 die Frac-Technik eingesetzt. So meldete der Konzern unter der Überschrift „Tight Gas-Förderung Leer“: „Das Projektteam war sehr erfreut, dass bereits Ende Juni 2009 die Förderung an der Leer Z6 aufgenommen wurde.“ Ausdrücklich weißt GDF Suez in dieser Pressemitteilung auf die Verantwortung der Landesregierung für das Projekt hin: „Das Projekt wird unter Aufsicht des Niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (Außenstelle Meppen) umgesetzt.“
Wir fragen die Landesregierung:
- Bei welchen Bohrungen an unkonventionellen Erdgaslagerstätten wurde in Niedersachsen im Einzelnen zu welchem Zeitpunkt bisher die Frac-Technik - auch mehrfach an derselben Bohrung - eingesetzt?
- Welche Informationen liegen der Landesregierung zu Unfällen und besonderen Vorkommnissen wie Boden- und Grundwasserverseuchungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Frac-Flüssigkeiten vor?
- Welche Mengen an Frac-Flüssigkeiten in welchen Zusammensetzungen wurden beim Einsatz der Frac-Technik bei allen unkonventionellen Erdgaslagerstätten in Niedersachen im Einzelnen eingesetzt, und wie wurden sie entsorgt?
In Niedersachsen wird seit über 50 Jahren erfolgreich Erdgas gewonnen. In diesem Zeitraum hat sich die heimische Erdgasförderung zu einem wichtigen Rückgrat der heimischen Energieversorgung entwickelt und findet weltweit Anerkennung für den hohen Sicherheits- und Umweltstandard.
Berichte über Umweltvorkommnisse in den USA im Zusammenhang mit der Gewinnung von Erdgas aus sogenannten Shale-Gas-Vorkommen haben viele Bürgerinnen und Bürger für diese Projekte und die dabei verwendete Frac-Technologie sensibilisiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Befürchtung, dass es bei Anwendung dieser Technologie in Niedersachsen zu ähnlichen Vorkommnissen mit möglicherweise weitreichenden Grundwasserverunreinigungen kommen könnte.
Als Frac-Technologie wird allgemein ein Verfahren bezeichnet, bei dem unter hohem hydraulischem Druck künstliche Risse in tief liegenden Gesteinsformationen erzeugt werden, um eine wirtschaftliche Erdgasförderung zu ermöglichen. Für die niedersächsische Erdgasförderung bedeutet die Anwendung dieser Technologie jedoch kein Neuland, da diese bereits seit mehreren Jahrzehnten in Niedersachsen eingesetzt wird.
Am 22. November 2010 hat die Landesregierung den Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz des Landtags über die Erdgasgewinnung in Niedersachsen, die Suche nach Shale-Gas-Lagerstätten sowie die Erfahrungen mit der Frac-Technologie unterrichtet. Ausweislich der hierzu erstellten und den Ausschussmitgliedern zur Verfügung gestellten Vortragsunterlagen beinhaltete diese Unterrichtung die Darstellung der Unterschiede zwischen konventionellen und unkonventionellen Erdgaslagerstätten einschließlich einer ausdrücklichen Differenzierung zwischen Tight-Gas-, Shale-Gas- und Kohleflözlagerstätten. Den Vortragunterlagen können darüber hinaus Hintergrundinformationen zu der in Niedersachsen verwendeten Frac-Technologie sowie der Hinweis auf die über drei Jahrzehnte andauernde, erfolgreiche und schadensfreie Anwendung dieser Technologie entnommen werden. Ergänzend wird unter der Überschrift „Wo steht die niedersächsische Shale-Gas-Entwicklung im Vergleich zu den USA?“ über die Suche nach niedersächsischen Shale-Gas-Lagerstätten berichtet und richtigerweise dargestellt, dass in Niedersachsen kein Shale-Gas gefördert wird und keine produzierenden Shale-Gas-Bohrungen existieren.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
In Niedersachsen wurden seit dem erstmaligen Einsatz der Frac-Technologie vor über 30 Jahren ca. 160 hydraulische Bohrlochbehandlungen (Fracs) an ca. 90 Bohrungen durchgeführt. Die Anwendung dieser Technologie erstreckte sich sowohl auf konventionelle als auch unkonventionelle Kohlenwasserstoffvorkommen, wobei die Grenze zwischen den beiden Lagerstättentypen fließend ist und von verschiedenen lagerstättenspezifischen sowie geologischen Parametern bestimmt wird. Der Landesregierung liegen keine detaillierten Informationen zu diesen Parametern vor, die eine belastbare Zuordnung der hydraulischen Bohrlochbehandlungen zu unkonventionellen Erdgasvorkommen ermöglicht.
Zu 2.:
Der Landesregierung sind keine Umweltvorkommnisse bekannt, die aus der Anwendung der Frac-Technologie resultieren. Dies schließt den im Jahr 2007 an einer Lagerstättenwasserleitung der EMPG im Raum Söhlingen festgestellten Schaden ein, der nicht auf die Anwendung der Frac-Technologie zurückzuführen ist.
Zu 3.:
Die bei Frac-Arbeiten eingesetzten Flüssigkeiten bestehen im Wesentlichen aus Wasser, einem Stützmittel sowie handelsüblichen Chemikalien, deren Vermarktung und Verwendung geregelt ist. Der Anteil an eingesetzten Chemikalien, die u.a. auch für die Herstellung von Seifen und Kosmetikartikel verwendet werden, ist gering und betrug bei einer der letzten in Niedersachsen durchgeführten Bohrlochbehandlungen 0,2 % des gesamten Flüssigkeitsvolumens. Die weiteren Bestandteile waren in diesem Fall Wasser (98 %) sowie Sand (< 2%). Nach der Durchführung der Bohrlochbehandlung können üblicherweise rund 30 bis 60 % der eingepressten Flüssigkeit direkt an die Tagesoberfläche gepumpt werden.
Das Risiko einer Beeinträchtigung grundwasserführender Horizonte durch Frac-Arbeiten wird aufgrund des Abstandes von mehreren hundert bis mehreren tausend Metern zwischen den grundwasserführenden Horizonten sowie dem Ort der hydraulischen Bohrbehandlung bei ordnungsgemäßer Abdichtung der Tiefbohrung als gering eingeschätzt.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.
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erstellt am:
21.01.2011