Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung die Sicherung des Arbeitskräfteangebotes in Niedersachsen?
Der Abgeordnete Carsten Höttcher (CDU) hatte gefragt:
Auf Einladung von Ministerpräsident David McAllister und Wirtschaftsminister Jörg Bode haben sich am 14. November 2012 Vertreter der Tarifparteien, der Kammern, der Verbände sowie der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit mit Mitgliedern der Landesregierung in Hannover getroffen, um Maßnahmen zur Deckung des Fachkräftebedarfs zu vereinbaren.
Nach Berechnungen des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen sinkt die Erwerbspersonenzahl bis zum Jahr 2030 um rund 669 000 Personen. Das entspricht einer Verringerung um 17 %, verglichen mit der heutigen Situation.
Ich frage die Landesregierung:
- Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung bereits heute die Sicherung des Arbeitskräfteangebotes in Niedersachsen?
- Welche Erfolge lassen sich bislang aus den ergriffenen Maßnahmen ableiten?
- Wo sieht die Landesregierung künftig den stärksten Handlungsbedarf, um dem Fachkräftebedarf der Wirtschaft auch künftig gerecht werden zu können?
Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Der niedersächsische Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren trotz der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise und trotz europäischer Schuldenkrise insgesamt positiv entwickelt. Die mit der guten Arbeitsmarktentwicklung einhergehende Arbeitskräftenachfrage hat allerdings auch sichtbar gemacht, dass bereits heute in einzelnen Branchen und Berufen Fachkräfteengpässe vorkommen. Auch zeichnet sich ab, dass der Fachkräftebedarf in Folge der demografischen Entwicklung weiter zunehmen wird:
So hat das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf Grundlage der zwölften koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zusammen mit dem Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) Modellrechnungen vorgenommen, nach denen bei Fortschreibung des jetzigen Status quo generell mit einem Absinken des Erwerbspersonenpotentials zu rechnen ist. Demnach ist für Niedersachsen bis 2030 mit einem Rückgang der verfügbaren Erwerbspersonenzahl um rund 670.000 oder 17 % auf etwa 3,2 Millionen auszugehen.
Von einem generellen flächendeckenden Fachkräftemangel ist in Deutschland und Niedersachsen nach den von der Bundesagentur für Arbeit vorliegenden Erkenntnissen derzeit nicht auszugehen. Damit der Rückgang des Erwerbspersonenpotential aber nicht mittelfristig zu einem Verlust von Wachstum und Wohlstand führt, hat die Landesregierung die niedersächsische Arbeitsmarktpolitik schon heute darauf ausgerichtet, alle verfügbaren Fachkräftepotentiale zu aktivieren, um offene Stellen zu besetzen und die niedersächsischen Unternehmen mit der nötigen Fachkompetenz ausstatten.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Zur Absicherung des Fachkräftebedarfs der niedersächsischen Wirtschaft setzt die Landesregierung im Rahmen der niedersächsischen Arbeitsmarktpolitik auf die Aktivierung aller verfügbaren Fachkräftepotentiale, insbesondere auf berufliche Ausbildung und Qualifizierung. Bereits im Jahr 2009 hat die Landesregierung gemeinsam mit Partnern aus Kammern, Unternehmerverbänden und der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit die „Qualifizierungsoffensive Niedersachsen“ gestartet und in diesem Rahmen seitdem vielfältige Aktivitäten zur Verstärkung der heimischen Fachkräftebasis initiiert.
Dazu gehören beispielsweise der Ausbau der Beruforientierung bei Schülerinnen und Schülern für naturwissenschaftlich-technische Berufsfelder oder Maßnahmen zur Steigerung der Anzahl von Absolventinnen und Absolventen in den so genannten MINT-Fächern – d. h. in mathematischen, ingenieur- und naturwissenschaftlichen sowie technischen Fächern. Hinzu kommen Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie die Unterstützung der beruflichen Weiterbildung von Beschäftigten und arbeitslosen Personen. Weiterhin unterstützt das Land die Schulen bei der Umsetzung neuer Maßnahmen zur Berufsorientierung durch den Einsatz von sozialpädagogischen Fachkräften an Haupt- und Oberschulen in 2013 mit 12,8 Millionen Euro und führt flächendeckende Lehrkräftefortbildungen zu speziellen Berufsorientierungsmaßnahmen an Schulen durch, wie z.B. Kompetenzfeststellungsverfahren.
Daneben setzt die Landesregierung gemeinsam mit den Arbeitsmarktpartnern den „Niedersächsische Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“ bis 2013 fort. Mit dem Pakt soll unter anderem die Ausbildungsfähigkeit verbessert, eine bessere Berufsorientierung gefördert, neue Ausbildungsplätze gewonnen und die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der beruflichen Bildung gesichert werden. Ziel ist es allen ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen in Niedersachsen ein Ausbildungs- bzw. Qualifizierungsangebot zu machen.
Im Rahmen der „Qualifizierungsoffensive Niedersachsen“ hat die Landesregierung mit den „Fachkräftetagen Niedersachsen“ im Oktober 2012 – wie auch in den Vorjahren – erneut eine zentrale Veranstaltungsplattform bereitgestellt, in deren Rahmen landesweit mehr als 150 Veranstaltungen zum Thema Fachkräfte durchgeführt wurden.
Zu 2.:
Als Beitrag zur Fachkräftesicherung setzen das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und das Niedersächsische Kultusministerium im Rahmen der „Qualifizierungsoffensive Niedersachsen“ und des „Paktes für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“ im Rahmen der EU-Förderperiode 2007-2013 derzeit jährlich rund 38 Mio. Euro aus europäischen und Landesmitteln für die Ausbildungs- und Qualifizierungsförderung ein. Zur Unterstützung von Unternehmen und Beschäftigten bei der Bewältigung der demographischen Herausforderungen in den Betrieben unterstützt die Landesregierung insbesondere auch die „Demographieagentur für die niedersächsische Wirtschaft“ als Projekt der Sozialpartner.
Im Rahmen des Programms „Weiterbildungsoffensive für den Mittelstand (WOM)“ konnten bislang rund 170 überbetriebliche Weiterbildungsmaßnahmen für ca. 20.000 Beschäftigte – überwiegend aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – gefördert werden. Hinzu kommen im Rahmen des Programms „Individuelle Weiterbildung in Niedersachsen (IWiN)“ mehr als 43.000 Weiterbildungen für einzelne Beschäftigte aus mehr als 16.000 KMU. Zur Erschließung des Fachkräftepotentials arbeitsloser Personen wurden im Rahmen des Programms „Arbeit durch Qualifizierung (AdQ)“ ferner 558 Qualifizierungsprojekte zugunsten von ca. 23.000 vorwiegend langzeitarbeitslosen Personen gefördert.
Im Bereich der beruflichen Ausbildung treten hinzu ca. 1.200 Förderungen für betriebliche Ausbildungsplätze zugunsten von Jugendlichen mit Einstellungshemmnissen, Förderungen für mehr als 25 Modellprojekte aus dem Bereich der betrieblichen Ausbildung, die Förderung von Ausbildungsverbünden sowie die Förderung eines flächendeckenden Netzes von zusätzlichen Ausbildungsplatzakquisiteuren bei den regionalen Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern.
Zur Unterstützung der allgemein bildenden Schulen bei Maßnahmen zur Beruforientierung wurde die „Koordinierungsstelle Berufsorientierung“ eingerichtet. Weiterhin unterstützt das Land die Schulen bei der Umsetzung neuer Maßnahmen zur Berufsorientierung durch den Einsatz von sozialpädagogischen Fachkräften an Haupt- und Oberschulen in 2013 mit 12,8 Millionen Euro und führt flächendeckende Lehrkräftefortbildungen zu speziellen Berufsorientierungsmaßnahmen an Schulen durch, wie z.B. Kompetenzfeststellungsverfahren.
Außerdem unterstützt das Land seit 2009 die alle zwei Jahre stattfindende „IdeenExpo“, in deren Rahmen Jugendlichen Berufsbilder aus MINT-Bereichen vorgestellt werden. Mit dem Besucherrekord von mehr als 300.000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet hat die IdeenExpo 2011 zuletzt eine außerordentliche Publikumsreichweite erzielt.
Ferner nehmen allein im Handwerk rund 50.000 Auszubildende in Niedersachsen an Lehrgängen der überbetrieblichen Berufsausbildung teil. Im Rahmen einer Zukunftserklärung hat das Niedersächsische Kultusministerium die Förderung der Lehrgangskosten bis Ende 2015 zugesichert.
Zur Verstärkung der Frauenerwerbstätigkeit hat das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration das Qualifizierungsprogramm „Förderung der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt (FIFA)“ aufgelegt und fördert darüber hinaus die regionale Beratungs- und Qualifizierungsstruktur durch 21 „Koordinierungsstellen Frauen und Wirtschaft“. Für beide Maßnahmen wurden bislang mehr als 43 Mio. Euro aus europäischen und Landesmitteln eingesetzt. Im Rahmen von FIFA konnten bisher 52 Projekte für rund 6.000 beschäftigte Frauen und 187 Projekte für rund 17.600 arbeitslose Frauen mit rund 23.600 Teilnehmerinnen gefördert werden. Seitens der „Koordinierungsstellen Frauen und Wirtschaft“ wurden bis Ende 2011 insgesamt 14.352 Beratungen durchgeführt. Mehr als 1.100 Unternehmen nehmen inzwischen die Dienstleistungsangebote der Koordinierungsstellen in Anspruch – mit steigender Tendenz. Die Zahl der Unternehmen, die Maßnahmen durchführen, die die Frauenerwerbstätigkeit fördern, betrug zum Ende 2011 insgesamt rund 2.500.
Zur Verbesserung der beruflichen Perspektiven von leistungsschwächeren jungen Menschen fördert das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit zudem 100 „Jugendwerkstätten“ und 45 „Pro-Aktiv-Centren“ und setzt dafür in der EU-Förderperiode 2007 – 2013 mehr als 200 Mio. Euro aus europäischen und Landesmitteln ein. In den Jugendwerkstätten werden jährlich 5.000 junge Menschen beruflich qualifiziert und persönlich stabilisiert. Trotz der ungünstigen Ausgangsbedingungen sind sechs Monate nach dem Verlassen der Jugendwerkstatt über 50 % der jungen Menschen entweder in Ausbildung, in Beschäftigung oder in eine Weiterbildungsmaßnahme eingemündet. Die Pro-Aktiv-Centren betreuen jährlich über 17.000 junge Menschen. Der Anteil der jungen Menschen, die in eine Berufsausbildung, in Beschäftigung oder in eine Weiterbildungsmaßnahme vermittelt wurden, liegt bei über 60 Prozent.
Auch im Hochschulbereich wurde in Niedersachsen eine breite Palette an Maßnahmen initiiert, um die MINT-Studienabschlüsse zu stärken und das in diesem Bereich benötigte Fachkräfteangebot zu sichern: Dazu bieten Niedersächsische Hochschulen vielfältige und qualitativ hochwertige Studienangebote in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern an. In der zweiten Phase des Hochschulpakts 2020 (2011 bis 2015) sind nach der aktuellen Prognose der KMK ca. 50.000 zusätzliche Studienanfängerplätze bereitzustellen. Die für die Jahre 2011 und 2012 vorgesehenen jährlichen Aufwüchse konnten bereits in vollem Umfang von den niedersächsischen Hochschulen realisiert werden (10.787 respektive 10.708 Plätze). Einen Schwerpunkt bilden dabei die MINT-Fächer, die in den Jahren 2011 bis 2015 mit über 45 % der zusätzlichen Studienanfängerplätze überproportional berücksichtigt werden. In den Jahren 2007 bis 2010 wurden sogar rund 50 % der zusätzlichen Studienanfängerplätze in MINT-Fächern geschaffen.
Die Erfolge des Engagements der Landesregierung im MINT-Bereich lassen sich auch eindrücklich in Zahlen belegen. So ist der Anteil der MINT-Studienanfängerinnen und -anfänger, gemessen an den Studienanfängern aller Fächer, zwischen 2006 und 2011 von rund 35 % auf knapp 41% gestiegen.
Im Bereich des „Life Long Learning“ ist das Modellvorhaben Offene Hochschule Niedersachsen (OHN) der Landesregierung hervorzuheben. Zielsetzungen dabei sind die Öffnung der Hochschulen für „neue“ Zielgruppen durch spezielle Studienangebote für Berufstätige, die Erleichterung von Übergängen zwischen beruflicher und Hochschulbildung durch Anrechnung von Qualifikationen und Kompetenzen sowie die Einbindung von Angeboten aus der Erwachsenen-/Weiterbildung in die Hochschulbildung.
Zu 3.:
Damit der in der Fragestellung dargestellte Rückgang des Arbeitskräfteangebots nicht zu einem Engpassfaktor für Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen Wirtschaft wird, hält die Landesregierung auch in den kommenden Jahren umfassende Aktivitäten zur Steigerung des Arbeitskräfteangebots und zur Fachkräftesicherung für erforderlich.
Die Landesregierung sieht zentrale Ansatzpunkte in einer deutlichen Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, etwa durch den Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder, durch flexible Arbeitszeitmodelle und gezielte Beratung bei der Berufsorientierung oder Existenzgründung. Ferner in einer längeren Lebensarbeitszeit der Beschäftigten, verbunden mit einer besseren Einbindung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Weiterbildung und aktives Gesundheitsmanagement. Zudem hält die Landesregierung eine verstärkte Integration von bisher arbeitslosen Menschen für notwendig, insbesondere mit zusätzlichen Initiativen gegen Langzeitarbeitslosigkeit durch bessere individuelle Beratung und Förderung dieser Menschen. Darüber hinaus besteht ein hohes Fachkräftepotenzial bei den 1,3 Millionen in Niedersachsen lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, von denen sich rund 800.000 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 65 Jahren befinden. Mit der Umsetzung des „Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen in Niedersachsen“ erhalten daher alle Menschen unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit einen Rechtsanspruch auf Prüfung der Gleichwertigkeit von Auslandsqualifikationen mit einem landesrechtlich geregelten Referenzberuf.
In Zukunft wird es zur Sicherung des Fachkräfteangebots darauf ankommen, die Bildungbereiche Kindertagesstätte, Schule, Hochschule und "Life Long Learning" noch besser zu vernetzen. Insgesamt gilt es, die vorhandenen Potenziale zur Steigerung des Arbeitskräftepotenzials in Zukunft voll auszuschöpfen. Wie bereits zu Frage 1 ausgeführt, hat die Landesregierung dazu bereits in den vergangenen Jahren umfassende Aktivitäten ergriffen und wird diese mit neuen Schwerpunkten fortsetzen. Die Sicherung des Fachkräftebedarfs ist entscheidend für künftiges Wachstum und Wohlstand in Niedersachsen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
07.12.2012