Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung Niedersachsen klar Logo

Plenum 18. August 2016 - Mündliche Anfragen

Frage 47


Captain Computer - Schifffahrt und Hafenwirtschaft im digitalen Umbruch?

Anfrage der Abgeordneten Hillgriet Eilers, Jörg Bode und Horst Kortlang (FDP)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Laut einer aktuellen Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) gehen neun von zehn Führungskräften deutscher Reedereien davon aus, dass die Automatisierung und Digitalisierung im Schiffsverkehr in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird. Sendungen wie Container könnten per Satellitenortung verfolgt werden sowie Instandhaltungsprozesse und Wartungen der Schiffe aus den Reedereisitzen erfolgen. Jede vierte Führungskraft hält es inzwischen für wahrscheinlich, dass Schiffe in absehbarer Zeit von Land gesteuert werden.

Bereits heute sammelt die Reederei AIDA-Cruises durch eine Vielzahl an Sensoren Daten der einzelnen Schiffe. Hierdurch können Ressourcen geschont und Effizienzsteigerungen erzielt werden. Die neuen digitalen Möglichkeiten werden das Leistungsspektrum der Unternehmen im maritimen Sektor erheblich verändern. In Zukunft sind voraussichtlich keine Transportmittel mehr gefragt, sondern logistische Systeme. Zwei Drittel der befragten Reeder rechnen damit, dass Linienreeder zukünftig nicht nur den Schiffstransport, sondern die gesamte Lieferkette von Haus zu Haus abdecken müssen.

Für einen solchen Wandel der Branche sind erhebliche Investitionen notwendig, um die technische Infrastruktur auf den aktuellen Stand zu bringen sowie fachkundiges IT-Personal einzustellen. Die Schifffahrt befindet sich jedoch seit Jahren in einer Wirtschafts- und Ertragskrise. Eine Besserung der Situation ist derzeit nicht erkennbar. Banken steigen zunehmend aus der deutschen Schifffahrtsfinanzierung aus, sodass deutsche Reeder zunehmend auf ausländische Investoren setzen müssen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die in der gesamten Wirtschaft voranschreitende Digitalisierung, "Industrie 4.0" wird auch auf Schifffahrt und Häfen erheblichen Einfluss an Land und auf See haben. Schon heute verlangt die verladende Wirtschaft nach geschlossenen Logistikketten von Haus zu Haus. Hierbei werden die digitale Erfassung, Lenkung und Verfolgung der Ladung bzw. Ladungsströme zunehmend zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für die Unternehmen. Häfen als Schnittstelle zwischen den land- und seegestützten Verkehrsträgern spielen in der Logistikkette eine bedeutende Rolle. Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Hafenwirtschaft müssen sich den Anforderungen der Logistiker stellen und eine digitalisierte Ladungserfassung, Ladungsverfolgung und Verkehrslenkung anbieten können. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Seeverkehrsprognose 2030 von einem Anstieg des Umschlags in den deutschen Seehäfen um 74 % ausgeht. Angesichts dieses zu erwartenden, enormen Wachstums müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, um das sich abzeichnende Güterverkehrswachstum bewältigen zu können und die Wettbewerbsfähigkeit der Reedereien und der Logistik- und Hafenwirtschaft auszubauen und zu stärken. Die Digitalisierung kann und wird dafür ein Schlüssel sein.

1. Welche Möglichkeiten und Potenziale erkennt die Landesregierung in der zunehmenden Digitalisierung der Seeschifffahrt, der Binnenschifffahrt und der Hafenwirtschaft?

Die Digitalisierung bietet den genannten Branchen große Chancen im weltweiten Wettbewerb. Die Unternehmen, die in der Lage sind, globale Prozesse zu erkennen, zu standardisieren und digital intern und mit Kunden zu vernetzen, werden die Gewinner der Entwicklung sein.

Niedersächsische Reedereien können ihre Wertschöpfungskette erweitern, wenn es gelingt, die Datenmengen im eigenen Unternehmen besser zu managen und zu nutzen. Beispiele z.B. im Bereich der effizienten Crew Einsatzplanung zeigen, dass dies erfolgreich sein kann. Es zeichnet sich bereits ab, dass Wartungen, Routing, Management etc. zunehmend digital basiert erfolgen. Wartungen und Instandsetzungen können zustandsbasiert und rechtzeitig ausgeführt und dadurch Ausfälle reduziert werden. Dies würde zu Kostenreduzierungen führen. So müssten weniger Ersatzteile gekauft werden, wenn nur aufgrund tatsächlichen Verschleißes und nicht routinemäßig getauscht wird. Digitalisierte Prozesse werden den maschinellen Schiffsbetrieb effizienter gestalten können und so positiven Einfluss auf die Sicherheit und Umweltverträglichkeit der Schifffahrt und damit letztendlich auch auf die der Hafenwirtschaft haben.

Damit dies in zweckmäßigem Maßstab und kosteneffizient möglich ist, sollten sich die im Regelfall klein- und mittelständisch geprägten Reedereien in Niedersachsen aus Sicht der Landesregierung auf Partnerschaften und neue Modelle der Zusammenarbeit einlassen. Auch die notwendige Vernetzung zwischen der Flotte und den landseitigen Organisationen würde so erleichtert.

Schifffahrt, Hafen- und Logistikwirtschaft werden das hohe Innovationspotenzial der Prozesse rund um den Güterumschlag nur durch digitale Dienstleistungen und deren intelligente Verknüpfung umfassend ausschöpfen können. Gleichzeitig müssen die Risiken der Digitalisierung berücksichtigt werden. So kann die Vernetzung der Ladung und der Logistikketten eine Angriffsfläche für mögliche Cyberattacken bieten. Die Landesregierung beteiligt sich intensiv daran, diese für die gesamte Wirtschaft wichtige Sicherheit zu etablieren.

2. Was plant oder unternimmt die Landesregierung in der laufenden Legislaturperiode, um die Potenziale der Digitalisierung in der Schifffahrt und der Hafenwirtschaft zu heben und die Logistikwirtschaft zu unterstützen?

Die Landesregierung wird das Thema Digital Shipping im Rahmen ihres halbjährlichen Reederdialogs mit den Nds. Reederverbänden und dem Verband Deutscher Reeder (VDR) im Herbst 2016 als Schwerpunkt aufgreifen. Sie wird gemeinsame Initiativen entwickeln, die den Schifffahrtsstandort Niedersachsen nachhaltig zukunftsfest machen. Sie greift damit auch ein Kernthema der diesjährigen Shipbuilding, Machinery & Marine Technology (SMM) -Messe der Schiffbauindustrie in Hamburg - auf. Erstmals findet in ihrem Rahmen eine Digitalkonferenz statt.

Das Maritime Bündnis für Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt, in dem das Land Niedersachsen seit 2003 aktiver Partner ist, wird sich mit „Digital Shipping“ in seiner diesjährigen Herbst-Sitzung in Vorbereitung der nächsten Nationalen Maritimen Konferenz im März 2017 schwerpunktmäßig befassen.

Das Green Shipping Kompetenzzentrum Niedersachsen (GreenShipping Niedersachsen / GSN)) hat umweltrelevante Themen aus dem Bereich Digital Shipping im Fokus, insbesondere in den Bereichen Logistik & Routing sowie Simulation & Sicherheit.

Die Häfen von Niedersachsen Ports und JadeWeserPort bieten bereits seit einigen Jahren mit dem NPortal bzw. dem JWP-Portal eine elektronische Informations- und Abrechnungsplattform für Reeder, Makler, Agenten und Behörden an. Der JadeWeserPort bietet seinen Kunden darüber hinaus die Software-Lösung „SMART SC – eBusiness Standardization in the maritime Supply Chain“ an, die das operative Geschäft und die Produktivität am Terminal und im Güterverkehrszentrum auf einem stabilen Leistungsniveau hält. Seit dem 01.06.2015 erfolgt in allen niedersächsischen Häfen die Schiffsanmeldung elektronisch über die neu geschaffene NationalSingleWindow-Anwendung in Niedersachsen. Relevante digitale Informationen werden hierbei durch Schiffseigner, Reedereien, Makler, Kapitäne sowie deren Beauftragte über das „National Single Window“ abgegeben. Anschließend werden beispielsweise Verkehrs-, Gefahrgut- oder Sicherheitsmeldungen über das System den jeweiligen Meldestellen automatisch und elektronisch zur Verarbeitung bereitgestellt. Damit ist Niedersachsen anderen Bundesländern einen großen Schritt voraus, die das NationalSingleWindow noch nicht umgesetzt haben.

Im Interesse der norddeutschen Seehäfen müssen solche digitalen Vernetzungen im Rahmen der norddeutschen Hafenkooperation verstärkt werden. Um dem zunehmenden Wettbewerbsdruck seitens der ARA-Häfen zu begegnen ist es unerlässlich, die Implementierung neuer Prozesse und Systeme eng abzustimmen. Dafür setzt sich die niedersächsische Landesregierung ein.

Das Land Niedersachsen begrüßt und unterstützt das neue Förderprogramm des Bundes zur Verbesserung der Hafenlogistik und zur Förderung der Entwicklung innovativer Seehafentechnologien, um eine Kompatibilität der Systeme zu erreichen und eine Verbesserung des Datenaustausches in den Logistikketten zu ermöglichen.

Schließlich werden die Branchendialoge mit der Logistikwirtschaft, die das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr regelmäßig durchführt, bereits seit längerer Zeit für den Austausch zum Thema Digitalisierung genutzt. Ziel ist es hier, neben dem Austausch Möglichkeiten für gemeinsame Initiativen auszuloten.

3. Welche technischen und rechtlichen Belange stehen dem Trend der Digitalisierung der Schifffahrt und der niedersächsischen Hafenwirtschaft derzeit noch entgegen, und bis wann werden diese abgebaut?

Insbesondere wirtschaftliche bzw. finanzielle Belange behindern derzeit noch die notwendigen Schritte zur Entwicklung der Digitalisierung. Aufgrund der langjährigen Finanz- und Wirtschaftskrise in der weltweiten Seeschifffahrt und der nach wie vor angespannten Lage auf dem Markt der Schiffsfinanzierung fällt es dem Gros der klein- und mittelständisch geprägten Reedereien schwer, die Mittel für die umfangreichen Investitionen aufzubringen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Die Landesregierung wirbt gleichwohl in Gespräche mit Reeder- und Bankenvertretern dafür, sich dieser notwendigen Entwicklung nicht zu entziehen. Sie ist überzeugt davon, dass mittelfristig die unter 1. genannten Potenziale die Investitionen aufwiegen werden.

Minister Olaf Lies spricht im Niedersächsischen Landtag, Fotograf: Thiemo Jentsch   Bildrechte: MW-Nds

Minister Olaf Lies spricht im Niedersächsischen Landtag

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.08.2016

Ansprechpartner/in:
Pressesprecher: Christian Haegele und Sabine Schlemmer-Kaune

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