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Plenum 22. Juni 2018 - Mündliche Anfragen

Frage 43: Geplante Tank- und Rastanlage Elbmarsch als Ersatz für die Anlage Hamburg-Stillhorn


Abgeordnete Eva Viehoff und Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Die Tarifbindung von Betrieben und Beschäftigten in Deutschland und in Niedersachsen sinkt seit Jahren kontinuierlich: Laut Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist die Tarifbindung von Beschäftigten in niedersächsischen Betrieben innerhalb von 14 Jahren um 16 Prozentpunkte auf 60 % im Jahr 2016 gesunken. Der Anteil der niedersächsischen Betriebe mit Tarifbindung sank im selben Zeitraum um 21 Prozentpunkte auf 36 %. Die Süddeutsche Zeitung titelte gar mit der Überschirift „Leerstelle im System“ in ihrer Ausgabe vom 27. Mai 2018. Laut SZ sei die Tarifbindung hierzulande ein „wackeliges Konstrukt“ geworden, die Tarifbindung entwickele sich „seit vielen Jahren geradezu schwindsüchtig“. Fielen in Westdeutschland 1996 noch 70 % der Beschäftigten unter einen Branchentarifvertrag, war im Jahr 2017 noch nicht einmal jede bzw. jeder Zweite tarifgebunden. Gleichwohl sichere ein Tarifvertrag sowohl für die Beschäftigten als auch für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine Reihe von Vorteilen - im Durchschnitt mehr Gehalt, kürzere Arbeitszeiten und mehr Urlaub ebenso wie gleiche Regeln für alle innerhalb einer Branche, Planungssicherheit und Betriebsfrieden. Die Tariflohnklausel des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (NTVergG) sah bis zum sogenannten Rüffert-Urteil vor, dass öffentliche Aufträge an Betriebe vergeben wurden, die ihren Beschäftigten Tariflohn zahlten. Der EuGH entschied, dass die niedersächsische Tariflohnklausel europäischen Regelungen widersprach. Das NTVergG wurde in der Folge entsprechend geändert. Mittlerweile hat sich die europäische Rechtslage erneut verändert - sowohl die EU-Vergaberichtlinie als auch die Entsendrichtlinie wurden reformiert. Die Revision der beiden Richtlinien und die Rechtsprechung in der Folge umfassen strategische Ziele und damit auch die Möglichkeit der Einbeziehung von Tarifverträgen. Das Bundesland Bremen hat auf die neue Rechtslage reagiert. Die Vergabe öffentlicher Aufträge für Bauleistungen ist seit Ende 2017 wieder an repräsentative Tarifverträge gebunden (Bremisches Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe, § 10 Abs. 3). Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Saarland heißt es ebenfalls: „Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wird die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages zur Bedingung.“ Aktuell prüft das Bundesland, wie es seine Forderung konkret umsetzen kann und wird.

1. Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, die Tarifbindung in Niedersachsen wieder zu stärken?

Tarifbindung entsteht durch Tarifverträge, die von Gewerkschaften, Arbeitgebern sowie Vereinigungen von Arbeitgebern – für die ihnen angeschlossenen Unternehmen - auf freiwilliger Basis ausgehandelt und abgeschlossen werden. Die Landesregierung hat hierauf keinerlei rechtlichen Einfluss. Sie wirbt bei potentiellen Tarifvertragsparteien aber beständig sowohl für den Abschluss von Tarifverträgen als auch den Eintritt und den Verbleib in die/den tarifvertragsschließenden Verbände(n).

2. In welcher Weise nutzt die Landesregierung die Möglichkeiten der veränderten rechtlichen Lage innerhalb der EU (insbesondere die EU-Vergaberichtlinie und die Entsenderichtlinie), um die Tarifbindung in Niedersachsen zu verbessern?

3. In welcher Weise sind für die Landesregierung die Bundesländer Bremen und das Saarland, die repräsentative Tarifverträge zur Bedingung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge machen wollen bzw. dies in Teilen bereits getan haben, ein Vorbild, an dem sich Niedersachsen orientiert, um die Tarifbindung auch hierzulande zu verbessern?

Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 und 3 zusammen beantwortet.

In Niedersachsen enthält die Koalitionsvereinbarung für die aktuelle Legislaturperiode die Festlegung, das Niedersächsische Tariftreue- und Vergabegesetz zu evaluieren und es dem geänderten Bundesrecht anzupassen. Darüber hinaus enthält die Koalitionsvereinbarung den Auftrag, Gespräche mit den Tarifpartnern zu führen, um auf der Grundlage der Gesprächsergebnisse zu entscheiden, ob neben dem Bereich des öffentlichen Personenverkehrs auch für die Bauindustrie kurzfristig die Einhaltung von repräsentativen Tarifverträgen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge angestrebt werden soll. In diesen Gesprächen wird auch eine Bewertung des Bremer Modells vorgenommen werden sowie eine Einschätzung erfolgen, inwieweit die veränderte rechtliche Lage innerhalb der EU Einfluss auf das Niedersächsische Tariftreue- und Vergabegesetz nimmt.

Aus dem Saarland ist der Landesregierung keine verbindliche Regelung bekannt, die Vorbild für eine niedersächsische Regelung sein könnte (vgl. Vorbemerkung der Abgeordneten).

Abgeordnete Detlev Schulz-Hendel, Anja Piel, Eva Viehoff, Christian Meyer und Helge Limburg (GRÜNE)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Geschäftsbereich Verden, hat am 15. Oktober 2012 das Planfeststellungsverfahren für den Neubau der Tank- und Rastanlage Elbmarsch (T&R) im Norden Niedersachsens, kurz vor der Landesgrenze zu Hamburg, eingeleitet. Vorangegangen war eine Standortuntersuchung ausschließlich entlang der A 1 zwischen den Autobahnkreuzen Hamburg-Südost und dem Maschener Kreuz, die dann diesen geplanten Standort in Seevetal-Meckelfeld ergeben hat. Nicht berücksichtigt wurden bei der Standortsuche die A 7 sowie die A 39 Richtung Lüneburg (ehemals A 250). Im Rahmen der öffentlichen Auslegung wurden rund 6 400 Einwendungen, davon 17 von Trägern öffentlicher Belange, eingereicht. Ein im Planfeststellungsverfahren vorgesehener Erörterungstermin wurde mehrfach verschoben, zuletzt im Februar 2018. Eine Grundlage für die Auswahl war die Empfehlung für Rastanlagen an Straßen (ERS), die einen Abstand von 50 bis 60 km für bewirtschaftete Tank- und Rastanlagen vorsieht. Sowohl der ehemalige Verkehrsminister Olaf Lies als auch der jetzige Verkehrsminister Bernd Althusmann haben den betroffenen Menschen vor Ort Unterstützung zugesagt.

Vorbemerkung der Landesregierung

Rastanlagen sind Nebenbetriebe im Sinne des § 15 Bundesfernstraßengesetz und werden im Rahmen der Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geplant und gebaut. Der gesetzliche Auftrag, den Verkehrsteilnehmern eine Versorgung und Erholung an den Autobahnen anzubieten, wird durch unbewirtschaftete und bewirtschaftete Rastanlagen gedeckt. Eigentümer der Verkehrsanlagen ist der Bund, Eigentümer der Nebenbetriebe samt den dazugehörigen Grundstücken ist der jeweilige Konzessionsnehmer. Das BMVI trifft als Eigentümer der Verkehrsanlagen im Rahmen der Auftragsverwaltung auch die Entscheidungen zum Standort sowie zur Dimensionierung der Rastanlagen.

Als Vorzugsstandort für die geplante Rastanlage Elbmarsch wurde ein Areal an der A1 nördlich der Gemeinde Seevetal, Ortsteil Meckelfeld ermittelt. Dieser gefundene Standort wurde 2007 in einer erweiterten Standortuntersuchung, 2015 in einer weiteren Standortuntersuchung in Form einer Raumanalyse und 2016 aus Basis der Forderung des BMVI nach einer erneuten Standortüberprüfung (Länder Hamburg und Niedersachsen) bestätigt.

Für das im Jahr 2012 von der Planfeststellungsbehörde auf Antrag der Vorhabenträgerin – Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Geschäftsbereich Verden – eingeleitete Planfeststellungsverfahren musste der Erörterungstermin insbesondere aufgrund der Vielzahl der eingegangenen Einwendungen und deren fach- und sachgerechter Abarbeitung immer wieder nach hinten verschoben werden. Die bisherigen Planungen der Vorhabenträgerin zur Rastanlage Elbmarsch sind fachlich in keiner Weise zu beanstanden.

1. Beabsichtigt die Landesregierung, das Planfeststellungsverfahren einzustellen und sich gegen die geplante Tank- und Rastanlage Elbmarsch auszusprechen und sich entsprechend einzusetzen?

2. Plant die Landesregierung weitere Gespräche mit der Hansestadt Hamburg und dem zuständigen Bundesminister mit dem Ziel, Alternativen erneut zu prüfen?

Die Fragen 1. und 2. werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Angesichts der erheblichen Belastungen der Betroffenen in der Gemeinde Seevetal setzt sich Minister Dr. Althusmann dafür ein, eine gemeinsame Lösung mit dem BMVI sowie den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein zu finden. Mit dem Bau der A26 und deren Anschluss an die A1 eröffnen sich zudem neue Spielräume für die Konzeption einer Rastanlage. Dementsprechend hat Minister Dr. Althusmann mit Schreiben vom 09.02.2018 dem BMVI den Vorschlag unterbreitet, die niedersächsischen Planungen für die Rastanlage Elbmarsch vorerst zurückzustellen und im Zuge der Vollendung der A26 eine gemeinsame Lösung mit dem BMVI und den Ländern Niedersachsen, Hamburg sowie Schleswig-Holstein zu diskutieren. Eine Antwort auf dieses Schreiben liegt noch nicht vor.

3. Ist der Landesregierung bekannt, dass die Autohöfe Rade und Ramelsloh ihre Kapazitäten erweitern möchten, und sieht die Landesregierung hier eine sinnvolle Alternative zur geplanten Tank- und Rastanlage Elbmarsch?

Ein Autohof kann rechtlich nicht als Ersatz für eine Rastanlage betrachtet werden, weil dieser privatwirtschaftlich betrieben wird. Die Straßenbauverwaltung hat keinen Einfluss darauf, ob ein Autohof „kommt oder geht“, sie kann somit ihrer gesetzmäßigen Verpflichtung nicht nachkommen. Gemäß der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur A3 in Bayern vom 25.03.2015 (Az.: 9 A1/14) kann ein Autohof aufgrund seiner Lage und seiner Kapazität keine Rastanlage ersetzen.

Der Autohof Hamburg Süd/ Rade befindet sich unmittelbar an der Anschlussstelle Rade an der A1. Die Leistungsfähigkeit dieser Anschlussstelle lässt es nicht zu, dass zusätzliche Verkehre darüber abgewickelt werden, so dass die Erweiterung des Autohofes Rade schon aus diesem Grunde nicht möglich wäre. Der Autohof hat gegenüber der NLStBV bisher keine Erweiterungsabsichten geäußert.

In und um Ramelsloh existiert aktuell kein Autohof. Sofern hier auf die beiden Rastanlagen Hasselhöhe West und Seevetal Ost im Raum Ramelsloh an der A7 fokussiert wird, sind hier derzeit keine Erweiterungen vorgesehen. 2014 sind diese beiden Rastanlagen bereits erweitert worden – die Rastanlage Hasselhöhe um zusätzlich 48 Lkw-Stellplätze und die Rastanlage Seevetal um zusätzlich 33 Lkw-Stellplätze.

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.06.2018

Ansprechpartner/in:
Dr. Dominik Mayer

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