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Plenum 24. November 2016 - Mündliche Anfragen

Frage 26


26. Scheitert CETA an Niedersachsen?

Abgeordnete Gabriela König, Jörg Bode, Christian Grascha, Horst Kortlang, Dr. Stefan Birkner, Christian Dürr und Dr. Marco Genthe (FDP)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Das Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen Kanada und der EU soll durch den Wegfall von Zöllen und Handelshemmnissen für mehr wirtschaftliches Wachstum sorgen. Die technischen Verhandlungen zu diesem völkerrechtlichen Abkommen sind in den Jahren 2009 bis 2014 gelaufen, die Ratifizierung des Verhandlungswerkes erfolgte am 30. Oktober 2016 in Brüssel. Das Europäische Parlament wird in den nächsten Wochen über CETA abstimmen.

Das Freihandelsabkommen CETA war oder ist bei einigen „linken“ wie „rechten“ Gruppierungen, Verbänden, Gewerkschaften und Parteien in der Kritik. Insbesondere die SPD und Bündnis 90/Die Grünen tun sich nach Einschätzung von Beobachtern schwer mit dem Themenkomplex Freihandel und den damit verbundenen Chancen für mehr Wohlstand, Arbeitsplätze und Auslandsinvestitionen. So titelte beispielsweise die taz „SPD meutert gegen Ceta“ (18. August 2016). Die SPD habe einen Parteikonvent über ihre Haltung zum Freihandelsabkommen mit Kanada abhalten müssen, um den Widerstand in den eigenen Reihen aufzuweichen.

Die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen reichte 2015 und 2016 kritische Aktuelle Stunden und Anfragen zu CETA in den Landtag ein. Die Fraktionsvorsitzende Anja Piel hielt CETA bereits 2014 für „grundsätzlich ungeeignet“ (http://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/presse
/pressemitteilungen/meldung/artikel/piel-ttip-und-ceta-stoppen-klare-fakten-und-transparenz-statt-fragwuerdiger-argumente.html), und die „Grüne Landtagsfraktion Niedersachsen“ lehnte in einer Resolution das Verhandlungsergebnis zu CETA bereits am 10. September 2014 ab (http://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/fileadmin/docs/fraktion/pm-anlagen/2014-09-10_
Resolution_TTIP_und_CETA.pdf).

Ministerpräsident Weil und Wirtschaftsminister Lies haben sich im Vorfeld des SPD-Parteikonvents positiv zu CETA geäußert („Niedersachsen stützt Gabriel im Streit um Freihandelspaket“, HAZ, 17. September 2016).

Bundeswirtschaftsminister Gabriel begrüßte Ende Oktober die Unterzeichnung des CETA-Freihandelsabkommens mit den Worten „Mit CETA begann die gerechte Globalisierung. Mit europäischen Standards für Verbraucher- und Umweltschutz, mit Arbeitnehmerrechten und dem Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge vor Privatisierung. Danke Kanada!“ (dpa, 30. Oktober 2016). Zwei Tage später titelte die FAZ: „Grüne wollen CETA über den Bundesrat noch stoppen“ (FAZ, 1. November 2016).

Vorbemerkung der Landesregierung

Im Juli 2016 hat die EU-Kommission dem Rat vorgeschlagen, das geplante Freihandelsabkommen CETA als ein "gemischtes Abkommen" abzuschließen. Das heißt, manche Teile des Abkommens fallen in die alleinige Zuständigkeit der EU, andere Teile liegen in der Zuständigkeit der EU-Mitgliedsstaaten, so dass die Zustimmung der 28 EU-Mitgliedsstaaten erforderlich ist, bevor CETA vollständig anwendbar ist.

1. Welche Teile (mit Angabe der Artikel) des CETA-Freihandelsabkommens stehen unter dem Vorbehalt der Zustimmung nationaler Parlamente und können erst nach der Zustimmung selbiger zur Anwendung gelangen?

Eine detaillierte Liste, welche Teile ohne bzw. erst nach Zustimmung der nationalen Parlamente zur Anwendung gelangen können, liegt hier nicht vor. Sowohl in dem Ratsbeschluss zur vorläufigen Anwendung, als auch in den begleitenden Ratserklärungen wird bekräftigt, dass nur die Bereiche vorläufig angewendet werden, die in EU-Zuständigkeit liegen. So ist z.B. kein Eingriff in nationale Zuständigkeiten bei Regelungen zum Arbeitnehmerschutz und zur beruflichen Qualifikation möglich.

2. Welche Bedeutung haben Freihandelsabkommen im Allgemeinen und insbesondere CETA für die rot-grüne Landesregierung?

Freihandelsabkommen ermöglichen nicht nur eine Ausweitung des Warenhandels durch den Abbau von Zöllen, sondern auch den Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen, wie z.B. Harmonisierung und Anerkennung von technischen Normen oder ein vereinfachter Zugang zum Markt für öffentliche Aufträge für ausländische Unternehmen. Außerdem können Freihandelsabkommen dazu genutzt werden, Standards in den Bereichen Arbeit, Gesundheit, Soziales, Umwelt zu setzen. Die Vereinbarung gemeinsamer Handelsregeln und Standards gewinnt in einer globalisierten Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. Dieser Bereich erfordert eine genaue Prüfung der zu harmonisierenden Regelung in jedem Einzelfall. Es darf nicht zu einer Absenkung der hier geltenden Standards oder insbesondere einer Gefährdung des Vorsorgeprinzips in der Europäischen Union führen.

Die Landesregierung hat ein Interesse daran, möglichst fortschrittliche arbeitsrechtliche, soziale und ökologische Standards in bilateralen und internationalen Handelsbeziehungen zu verankern. Die Marktöffnung Kanadas birgt in vielen Bereichen Potenziale für die deutsche Wirtschaft. In Kanada wachsende und für niedersächsische Zulieferer interessante Branchen sind vor allem der Fahrzeugbau, die Nahrungsmittelindustrie, die Umweltschutzwirtschaft, Erneuerbare Energien sowie der Bergbausektor. Im Gegenzug wird befürchtet, dass andere Sektoren wie zum Beispiel Teile der Landwirtschaft durch Freihandelsabkommen einem verschärften Wettbewerbsdruck ausgesetzt werden könnten, was negative Auswirkungen auf die Entwicklung der niedersächsischen Landwirtschaft haben könnte. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an Tierschutz, Umweltschutz und Klimaschutz zu berücksichtigen.

3. Wie wird sich die Landesregierung im Bundesrat zu dem Freihandelsabkommen CETA positionieren?

Zunächst muss das Europäische Parlament die Zustimmung zu CETA erteilen. Erst dann startet der Ratifizierungsprozess in Deutschland und den anderen EU-Mitgliedsstaaten. Im Rahmen des anstehenden Bundesratsverfahrens wird die Landesregierung eine abschließende Entscheidung treffen.

Minister Olaf Lies spricht im Niedersächsischen Landtag, Fotograf: Thiemo Jentsch   Bildrechte: MW-Nds

Minister Olaf Lies spricht im Niedersächsischen Landtag

Artikel-Informationen

erstellt am:
24.11.2016

Ansprechpartner/in:
Pressesprecher: Christian Haegele und Sabine Schlemmer-Kaune

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