Stellplätze für LKW
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 03.07.2008 - TOP 26
Antwort von Verkehrsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hagenah (GRÜNE)
Es gilt das gesprochene Wort!
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Die im Zuge der Globalisierung stark angewachsenen Warenströme, die über die deutschen Seehäfen das Güterverkehrsaufkommen insbesondere in Niedersachsen in den vergangenen Jahren stark anwachsen ließen, sind eine nationale Herausforderung, die nicht von den einzelnen Bundesländern allein zu stemmen sein wird. Der von Verkehrsminister Hirche jüngst in Zeitungsberichten allein für Niedersachsen angekündigte Zubau von bis zu 4 000 Lkw-Stellplätzen an den hiesigen Autobahnen wird derzeit durch lokale Einzellösungen ohne Gesamtabwägung bei der Standortwahl vorangetrieben.
Auslöser des Stellplatzbedarfes ist jedoch vorrangig das Umschlagwachstum der Häfen in den Nachbarbundesländern Hamburg und Bremen bzw. künftig Wilhelmshaven. Deshalb fordern Anwohner und Umweltverbände neben einer stärkeren Verlagerung des Güterverkehres auf Schiene und Wasserstraßen eine länderübergreifende Lösung auch beim Lkw-Verkehr und den dafür notwendigen Stellflächen mit einer gerechten Verteilung der Lasten und des Nutzens aus dem wachsenden Güterverkehrsaufkommen.
Weil es aufgrund der aktuell gemessenen Lkw-Zahlen auf den Autobahnen nach Angaben aus dem Wirtschaftsministerium fast zu einer Verdoppelung der Lkw-Stellflächen entlang niedersächsischer Fernstraßen kommen soll, wird bei den derzeit bauplanerisch vorbereiteten ersten Projekten vor Ort die Frage laut, ob bei der Standortauswahl allein den Interessen einzelner Gemeinden oder Investoren gefolgt werden soll.
Anwohner und Umweltverbände fordern zuvor raumordnerische Abwägungen, bei denen der Ausbau bestehender Anlagen Vorrang vor dem Neubau haben sollte und zusätzlich insgesamt geprüft wird, ob in autobahnnahen, bestehenden Gewerbegebieten mit Abstand zu den Siedlungsgebieten geeignete Flächen für neue Rastanlagen vorhanden sind. Falls dies von den zuständigen Landkreisen, wie z. B. im Landkreis Harburg, nicht so gehandhabt werden sollte, wird von Anwohnern und Umweltverbänden die Frage aufgeworfen, warum das Land wegen der übergeordneten Bedeutung der Frage nicht selbst raumordnerische Festlegungen zu solchen Standorten trifft, damit die Belastung für die Bevölkerung, die Umwelt und die Wirtschaft im Umfeld der Fernstraßen in tragbaren Grenzen bleibt.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Abstimmungen und Vereinbarungen mit den benachbarten Bundesländern und der Bundesregierung sind im Hinblick auf eine sachgerechte und zeitnahe sowie anwohner- und umweltgerechte Bereitstellung der erforderlichen Stellflächen vonseiten der Landesregierung bisher erfolgt und sollen noch in Zukunft erreicht werden?
- Welche raumordnerische Relevanz mit welchen Abwägungsmöglichkeiten bei der Standortsuche auf Kreis- und Landesebene sieht die Landesregierung bei einer auch aus arbeitsrechtlichen Gründen notwendigen bevorstehenden nahezu Verdoppelung der Lkw-Stellflächen an niedersächsischen Autobahnen?
- Welche weiteren Hilfestellungen für eine ressourcenschonende Stellplatzplanung und verträgliche Standortsuche bietet die Landesregierung der Bevölkerung und der Wirtschaft an?
Verkehrssminister Walter Hirche beantwortete namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Anrede,
An Autobahnen gibt es bundesweit rund 21.000 ausgewiesene Lkw-Parkplätze, im Bereich von Autohöfen noch einmal 18.500. Trotz dieser großen Anzahl lassen die sich auf den Rastanlagen stauenden Lkw keinen Zweifel daran, dass es an Parkplätzen mangelt.
Niedersachsen hat aufgrund seiner geographischen Lage im europäischen Wirtschaftsraum und seiner verkehrsinfrastrukturellen Ausstattungs- und Vernetzungsqualität eine wachsende Bedeutung für die Abwicklung der nationalen und internationalen Güterverkehrsströme. Dementsprechend ist auch die Logistikwirtschaft mit ihren Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur und mit ihren Investitionen am Wirtschaftsstandort Niedersachsen von überörtlicher Bedeutung. Um die logistischen Potenziale des Landes zu stärken, hat die Landesregierung im neuen Landes-Raumordnungsprogramm (LROP), das seit 30.01. 2008 rechtskräftig ist, 8 Logistikregionen festgelegt, in denen die Ansiedlungspotenziale ausgeschöpft und anforderungsgerechte Flächen bereitgestellt werden sollen. Für das nördliche Niedersachsen ist die Logistikregion Hamburg mit den landesbedeutsamen logistischen Knoten in Stade, Maschen, Lüneburg, Uelzen und Hamburg Harburg ausgewiesen.
Auslöser des Parkplatzbedarfes sind nicht allein die Container-Häfen, obwohl das wachsende Aufkommen im Vor- und Nachlauf erhebliche Lkw-Verkehre zur Folge hat. Zu berücksichtigen ist aber, dass im so genannten Hinterlandverkehr der Verkehrsträger Schiene eine wichtige Rolle spielt, wenn auch der Lkw Verkehr seine dominierende Rolle beibehält. Aus der "Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025" (BMVBS) können für das Jahr 2004 und für das Prognosejahr 2025 Zahlen zum Modal Split entnommen werden. Für den Verkehrsträger Schiene ist im konventionellen Verkehr ein Anteil am Verkehrsaufkommen von 29,8 Mio. t (2004) und 39,2 Mio. t (2025) ausgewiesen; im Containerverkehr 14,6 Mio. t (2004) und 56,2 Mio. t (2025), für die Straße ergeben sich Werte von 32,0 Mio. t / 54,6 Mio. t im konventionellen Verkehr und 49,6 Mio. t / 241,8 Mio. t im Containerverkehr.
Grundsätzlich werden die Lkw-Containerverkehre mit "Quelle / Ziel Seehafen" nicht zwangsläufig die Parkflächen entlang niedersächsischer Autobahnen belasten. Die Fahrer können im Ausgang aus den Seehäfen in einer Fahrzeit von 4 Stunden ca. 250 bis 300 km zurücklegen und sind dann schon z.B. in Nordhessen, Nordrhein- Westfalen bzw. Mecklenburg-Vorpommern und in den anderen östlichen Bundesländern – falls es keinen größeren Stau gibt. Im Eingang zu den Seehäfen sieht dies je nach Relation und Zeitlage entsprechend anders aus. Insofern ist ausdrücklich auch die Anlage von Autohöfen in Logistik Standorten zu begrüßen, so zum Beispiel dem in Aussicht genommenen LogPark Hamburg. Weitere Entfernungen sind schon "schienenaffin", hier gibt es entsprechende Angebote in die relevanten Ballungsräume wie Nürnberg, München, Stuttgart etc.
Zu unterscheiden sind einerseits bewirtschaftete und unbewirtschaftete Rastanlagen im Sinne des Fernstraßengesetzes - Kennzeichen ist eine direkte Zufahrt zur Autobahn - und andererseits rein privatwirtschaftlich betriebene Autohöfe in der Nähe der Autobahn. Für die Rastanlagen und die mit diesen in Zusammenhang stehenden Anlagen für den ruhenden Verkehr gibt der Bund als Baulastträger die Grundsätze für die planerische Konzeption vor und stellt für den Bau Finanzmittel zur Verfügung. Auf Grundlage des bundesweiten Standortkonzeptes sind Rahmenwerte zur Anzahl der Pkw- und Lkw-Parkplätze, die ungefähre Lage der Standorte und Art der Servicebetriebe vorgegeben. Die Regelabstände von Rastanlagen an Autobahnen orientieren sich vorrangig an den Erfordernissen der Verkehrssicherheit und der Wirtschaftlichkeit für den Bund und die Konzessionäre der Servicebetriebe. Nach Auffassung des Bundes erfordern zunehmende Stellplatznachfragen im Grundsatz keine Veränderung der Abstände, sondern die Anpassung der bestehenden Anlagen. Aufgabe der Länder ist es, im Rahmen der grundgesetzlich verankerten Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen, die Anlagen im Detail zu planen und zu bauen.
Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ließe sich nach Auffassung der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr der Lkw-Parkplatzbestand für Rastanlagen an Autobahnen in Niedersachsen um über 2.900 auf rd. 7.100 erhöhen. Die planungsrechtliche Absicherung erfolgt über straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren, bei denen die vom Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden. Die Erfahrung zeigt, dass im Rahmen des Planungsprozesses Akzeptanzprobleme auftreten, deren Bewältigung im Ergebnis zu langen Planungszeiten führt.
Privatwirtschaftliche Autohöfe werden sich nur dort entwickeln können, wo Investoren eine entsprechende Rendite ihrer Investitionen erwarten können. Die Lage zum Fernstraßennetz und die Erreichbarkeit spielen bei der Standortwahl eine entscheidende Rolle. Die Errichtung von Autohöfen setzt eine kommunale Bauleitplanung voraus. Nach Art. 28 Abs. 2 GG haben die Städte und Gemeinden im Rahmen der Planungshoheit die Möglichkeit, durch die Aufstellung und Änderung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen die planungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür zu schaffen, sobald und soweit dies städtebaulich erforderlich ist. Bereits heute ist absehbar, dass Erweiterungen des Stellplatzangebots im Rahmen von Rastanlagen allein nicht ausreichen werden, um den Bedarf zu decken. Sofern sich vorhandene Gewerbegebiete für die Nutzung von Lkw-Stellflächen anbieten, ist dies insbesondere auch aus Gründen der Verkehrssicherheit ausdrücklich zu begrüßen, da auf diese Weise das Stellplatzangebot an den Autobahnen wirkungsvoll ergänzt wird.
Dies vorausgeschickt beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Entwürfe für die Erweiterung bewirtschafteter Rastanlagen bedürfen der Genehmigung des Bundesverkehrsministeriums. Darüber hinaus müssen alle Vorhaben an Rastanlagen in ein genehmigtes Finanzierungsprogramm des Bundes eingestellt sein, um realisiert werden zu können. Insofern sind Abstimmungen mit benachbarten Bundesländern durch die Genehmigungsverfahren des Bundesverkehrsministeriums sichergestellt.
Aufgabe des zuständigen Baulastträgers ist es, ein geeignetes Instrumentarium zur Lösung der Lkw Parkplatzproblematik zu schaffen. Auf Drängen der Länder hat das Bundesverkehrsministerium im Herbst vergangenen Jahres eine Projektgruppe (PG Lkw) eingerichtet u. a. mit folgenden Arbeitsaufträgen:
- Ermittlung des tatsächlichen Stellplatzbedarfs,
- Entwicklung alternativer Parkraumbewirtschaftungskonzepte unter Einbeziehung moderner Technologien,
- Problemlösung durch Einbindung relevanter Partner wie z. B. Speditionsgewerbe, Polizei, Autohofbetreiber, Wirtschaftsverbände, Straßenbauverwaltungen, kommunale Spitzenverbände.
Zu 2.:
Im LROP ist festgelegt, dass die Standortvoraussetzungen für eine zukunftsorientierte Güterverkehrsabwicklung zu optimieren sind. Ziel ist zum einen Güterverkehre von der Straße auf die Schiene und die Wasserwege zu verlagern. Zum anderen ist es Ziel, eine auf die logistischen Knoten und Ansiedlungsanforderungen der Logistikwirtschaft ausgerichtete Standortentwicklungs- und Flächennutzungsplanung zu unterstützen.
Dazu gehören auch die Sicherung und Entwicklung geeigneter, mit den übrigen öffentlichen Belangen abgestimmter Standorte und Gebiete für die Ansiedlung von Autohöfen und Logistikparks. Dadurch können Investitionen auf dafür geeignete Standorte gelenkt, Nutzungskonflikte frühzeitig verhindert und Umweltauswirkungen minimiert werden. Hierzu bedarf es pflichtgemäß der Abstimmung und Zusammenarbeit der Planungsebenen, insbesondere der Regional- und Bauleitplanung.
Die Ministerkonferenz für Raumordnung will sich in Kürze damit befassen, wie die Entwicklung einer funktionsgerechten, räumlich ausgewogenen und tragfähigen Struktur autobahnbezogener Versorgungseinrichtungen, Stellplatz- und Logistikflächen weitergehend unterstützt werden kann.
Zu3.:
Das der Bedarfsermittlung bisher zugrunde liegende Bemessungsverfahren muss angesichts des stark ansteigenden Lkw-Wachstums als überholt angesehen werden. In einem ersten Schritt hat die PG Lkw Zählungen auf den Rastanlagen und Autobahn nahen Autohöfen beauftragt. Die Erhebungen sind im März dieses Jahres bundesweit durchgeführt wurden. Ergebnisse liegen den Ländern allerdings noch nicht vor.
Erst die Kenntnis über die Anzahl der zusätzlich notwendigen Lkw Stellflächen lässt eine Entscheidung zu, ob und ggf. wie das bestehende Instrumentarium zur Schaffung von Lkw Stellflächen möglicherweise zu ergänzen ist.
Artikel-Informationen
erstellt am:
03.07.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010