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Erhalt von Straßenalleen

Der Abgeordnete Heiner Schönecke (CDU) hatte gefragt:

Seit den 60er-Jahren gibt es in Deutschland eine Diskussion um den Erhalt von Straßenalleen. Nach der Wiedervereinigung hat es auch bei Automobilklubs und Straßenplanern eine durchaus positive Haltung für den Erhalt der Alleen gegeben. Seit 2008 ruft ein Bündnis von BUND, der Alleenschutzgemeinschaft, der SDW (Schutzgemeinschaft Deutscher Wald) und der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Alleenstraße am 20. Oktober eines jeden Jahres den Tag der Alleen aus. In einem Wettbewerb wird die Allee des Jahres gekürt.

Da die Lebenserwartung von Straßenbäumen in der Regel unter 100 Jahre liegt, ist davon auszugehen, dass jährlich 1 % der Straßenbäume nachgepflanzt werden müssten.

In der Abwägung zwischen Menschenleben, Naturschutz sowie Ästhetik gibt es eine Richtlinie zum passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeugrückhaltesysteme (RPS) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Diese Richtlinie wurde seitens der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr verbindlich eingeführt.

In diesen Vorgaben heißt es, dass bei Nachpflanzung von jungen Bäumen ein Mindestabstand zur Straße von 7,50 m einzuhalten ist. Bei Geschwindigkeiten von unter 70 km/h kann dieser Abstand auf 4,50 m abgesenkt werden.

Bei Einhaltung dieser Abstände müssten Trassenbreiten von über 25 m die Regel werden. Da dieses bei Kreis-, Landes- und Bundesstraßen nur selten einzuhalten ist, würden die alten Straßenalleen in Zukunft nicht mehr vorhanden sein.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Werden die abgängigen Straßenbäume nachgepflanzt?
  2. Werden die Mindestabstände eingehalten?
  3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, den Alleencharakter vieler Straßen zu erhalten?
  4. Gibt es Sonderregelungen für qualifizierte Alleenstraßen?
  5. Welche zusätzlichen Auflagen haben die Straßenbehörden zu beachten, wenn in den Straßennebenräumen Gas-, Wasser- und/oder Telefonleitungen liegen?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 01.12.2010 wie folgt:

Alleen in Niedersachsen sind ein wertvoller Bestandteil der Kulturlandschaft mit zahlreichen Vorzügen. So sind sie ein prägendes Element des Landschaftsbildes, dienen der Regulierung des Naturhaushaltes oder sind Gestaltungselement zur besseren Erkennbarkeit des Straßenverlaufs. Dem gegenüber stehen aber auch ganz erhebliche Nachteile wie zum Beispiel schädigende Auswirkungen durch Wurzelwerk auf Fahrbahn und Radwege und insbesondere schwerste Unfallfolgen beim Anprall auf Bäume. Laut einer Studie des ACE, die Ende 2009 veröffentlicht wurde, nimmt Niedersachsen auf den Landstraßen (alle Außerortsstraßen, mit Ausnahme von Bundesautobahnen und autobahnähnlichen Straßen) den traurigen Spitzenplatz mit 95 Getöteten auf 1000 km Landstraße ein. Auch wenn diese Tendenz der „Verkehrsunfallstatistik 2009 für Niedersachsen“ zufolge glücklicherweise rückläufig ist (2008 zu 2009 = -23,5 %), so ist das Verhältnis von 156 Getöteten bei Baumunfällen zu den übrigen 203 Getöteten auf Landstraßen nach wie vor besorgniserregend hoch (43,5 %).

Um diesen bundesweit besonderen Gefährdungsaspekt zu bewerten und zu berücksichtigen, arbeiten die BASt (Bundesanstalt für Straßenbau) und die FGSV (Forschungsgesellschaft für Straßenbau und Verkehrswesen) an Forschungsvorhaben zur Verbesserung der Verkehrssicherheit für Bundesstraßen mit Alleen und zum Schutz von Unfällen mit Aufprall auf Bäume. Diese wissenschaftlichen Untersuchungen haben alle das Ziel, Lösungen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit für Straßen mit Alleen zu finden sowie den Einfluss der Straßenbepflanzung und der Straßenraumgestaltung auf den Verkehrsteilnehmer und die Sicherheit an Außerortsstraßen zu ergründen.

Aktuelle Regelwerke, die die daraus gezogenen Erkenntnisse einbeziehen und widerspiegeln sind vor allem die neuen ESAB 2006 (Empfehlungen zum Schutz vor Anprall auf Bäume) und die RPS 2009 (Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme).

Im Zuge von Neu-, Um- und Ausbauten von Straßen wird der Verkehrssicherheit ein hoher Stellenwert eingeräumt und das gültige Regelwerk konsequent berücksichtigt. Die in den Richtlinien aufgeführten Baumabstände dürfen bei neuen Straßen nicht unterschritten werden. Abgesehen davon werden Neuanpflanzungen an Straßen bereits jetzt zu Gunsten der Sicherheit überwiegend aus heckenartigen Strauchpflanzungen gestaltet. Zudem wird angestrebt, die erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an untergeordneten Wegen etc. vorzunehmen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Ja, wenn der Mindestabstand (60 - 70 km/h = 4,50 m, 80 - 100 km/h = 7,50 m, > 100 km/h = 12,50 m) zwischen Baum und Fahrbahnrand eingehalten werden kann oder Schutzeinrichtungen vorhanden bzw. geplant sind.

Zu 2.:
Vorhandene Baumreihen an Landstraßen haben in den meisten Fällen nicht den nach den Richtlinien geforderten Mindestabstand. Sie unterliegen dem Bestandsschutz, solange die Strecke keine Unfallhäufungen aufweist und nicht um- oder ausgebaut wird.

Zu 3.:
Der Alleencharakter ist im „Merkblatt für Alleen“ folgendermaßen definiert:

„Alleen im Sinne dieses Merkblattes sind beidseitig mit relativ gleichaltrigen und vom Habitus her gleichartigen Bäumen in gleichmäßigem Abstand sowohl vom Fahrbahnrand als auch innerhalb der Reihe bestandene Straßen. Alleen sind eine traditionelle und besondere Form des Straßenbegleitgrüns mit landeskulturellen Eigenarten.

Eine Straße mit einseitiger Baumreihe kann Eigenart und Schönheit einer Landschaft günstig beeinflussen; sie besitzt jedoch nicht den Charakter einer Allee.“

Einzelne abgängige Bäume dieser Alleen können in der vorhandenen Flucht nachgepflanzt werden, ohne dass zusätzliche Schutzeinrichtungen erforderlich werden, wenn der Zwischenbereich der bestehenden Baumreihe kleiner 100 m ist und die Strecke keine Unfallhäufungen aufweist. Bei den übrigen Straßenbäumen oder bei einseitigen Baumreihen müssen langfristig Schutzeinrichtungen vorgesehen werden, wenn der erforderliche Abstand zur Fahrbahn nicht gegeben ist.

Gezielt können Alleen nach Maßgabe von § 29 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) i. V. mit § 22 Abs. 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz (NAGBNatSchG) als geschützte Landschaftsbestandteile gesichert werden, wenn dies erforderlich zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts ist, zur Belebung, Gliederung oder Pflege des Orts- oder Landschaftsbildes, zur Abwehr schädlicher Einwirkungen oder wegen ihrer Bedeutung als Lebensstätten bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten. Für die Festsetzung zuständig ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile die Gemeinde, im Übrigen die Untere Naturschutzbehörde. Die Entscheidung, ob eine Unterschutzstellung erfolgt und ob das nach § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG geltende Verbot einer Beseitigung des geschützten Landschaftsbestandteils sowie aller Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Landschaftsbestandteils führen können, nach Maßgabe näherer Bestimmungen zu differenzieren ist, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde bzw. der unteren Naturschutzbehörde. Für den Fall der Bestandsminderung kann die Verpflichtung zu einer angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzung oder zur Leistung von Ersatz in Geld vorgesehen werden.

Alleen können zudem von den Schutzbestimmungen mit erfasst werden, die für Naturschutzgebiete, Nationalparke, Nationale Naturmonumente, Biosphärenreservate oder Landschaftsschutzgebiete gelten.

Zu 4.:
Nein.

Zu 5.:
Die Straßenbaubehörden müssen bei Leitungen, die in den Straßenseitenräumen liegen, die entsprechenden Gesetze, Nutzungsvereinbarungen und Technischen Bestimmungen beachten. Diese Vorgaben lassen sich nicht vereinheitlichend zusammenfassen, da sie je nach Leitungsart und -lage stark differieren.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
09.12.2010
zuletzt aktualisiert am:
10.12.2010

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