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Welche Sonderrechte im Straßenverkehr haben freiwillige Feuerwehrleute?

Plenum 22. Januar 2016 - Mündliche Anfragen - Frage 13


Abgeordnete Heidemarie Mundlos, Rainer Fredermann und Gabriele Kohlenberg (CDU)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Gemäß § 35 der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist die Feuerwehr von den Straßenverkehrsregeln befreit, soweit es zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben dringend geboten ist. Dies gilt auch für die Fahrzeuge des Rettungsdienstes.

Soweit dabei Einsatzfahrzeuge mit entsprechenden Signalmitteln und Kennzeichnungen verwendet werden, gibt es grundsätzlich keine rechtlichen Probleme. Unklarheiten gibt es jedoch, inwieweit Angehörige der freiwilligen Feuerwehren auf dem Weg zum Einsatz in Privatfahrzeugen Sonderrechte nach § 35 StVO in Anspruch nehmen dürfen.

Gerade für freiwillige Feuerwehren ist die Frage, wie die Mitglieder möglichst schnell zunächst zu ihren Einsatzfahrzeugen gelangen, von erheblicher Bedeutung. Freiwillige Feuerwehrleute beklagen, dass insbesondere durch den stetigen Ausbau von Tempo-30-Zonen und Einbahnstraßen die Reaktionszeit der freiwilligen Feuerwehren verlängert werde. Dies gefährde letztlich Leben.

Vorbemerkung der Landesregierung

Der Bund-/Länderfachausschuss für den Straßenverkehr (BLFA-StVO) hat sich bereits im Jahr 1993 dafür ausgesprochen, dass Angehörigen freiwilliger Feuerwehren im Alarmfall auf der Fahrt zum Einsatzort bzw. zum Feuerwehrhaus die Sonderrechte des § 35 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) im Straßenverkehr zustehen. Diese Auffassung wurde letztmalig auf der Sitzung des BLFA-StVO am 30.11. / 01.12.2004 in Bonn bestätigt. Danach hat sich der BLFA-StVO mehrfach mit dieser Problematik, bezogen auf Fahrten von Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren, befasst mit dem Ergebnis, dass den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren im Alarmfall auf der Fahrt von der Wohnung oder Arbeitsstätte zum Einsatzort bzw. zum Feuerwehrstützpunkt Sonderrechte des § 35 Abs. 1 StVO im Straßenverkehr zustehen.

Ein „Wegerecht“ i. S. des § 38 Abs. 1 StVO (andere Verkehrsteilnehmer müssen sofort freie Bahn schaffen) steht Mitgliedern Freiwilliger Feuerwehren auf diesen Fahrten allerdings nicht zu; dieses setzt Blaulicht und Einsatzhorn voraus, welches auf den Privatfahrzeugen im Regelfall nicht zur Verfügung steht.

In der Rechtsprechung werden allerdings zum Teil unterschiedliche und gegensätzliche Auffassungen vertreten, ob die Inanspruchnahme von Sonderrechten bei Benutzung von Privatfahrzeugen zulässig ist. Daraus resultieren insbesondere Auswirkungen auf die zivilrechtlichen Haftungsfragen.

Überwiegend wird von den Gerichten ein Sonderrecht bejaht. Dies wird dann aber mit sehr hohen Sorgfaltspflichten verbunden. Es wird dabei ausdrücklich auf § 35 Abs. 8 StVO verwiesen, wonach Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden dürfen. Eine Gefährdung anderer muss ausgeschlossen sein, sonst würde der "Sonderrechtsfahrer" strafrechtlich und zivilrechtlich in vollem Umfang haften.

Es gibt auch Urteile, in denen die Auffassung vertreten wird, dass die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben erst ab dem Feuerwehrhaus beginne. Nur der Feuerwehreinsatz im engeren Sinne gelte als hoheitliche Tätigkeit und die Fahrt zum Feuerwehrhaus sei nur als eine vorbereitende Tätigkeit anzusehen. Sonderrechte im Privatfahrzeug auf dem Weg zum Feuerwehrhaus würden damit gänzlich abgelehnt.

Niedersachsen schließt sich im Ergebnis der bereits vom BLFA-StVO beschlossenen Auffassung an. Eine konkrete Regelung hinsichtlich der Nutzung der Sonderrechte von Angehörigen freiwilliger Feuerwehren mit privaten Fahrzeugen gibt es für Niedersachsen aufgrund der angesprochenen unterschiedlichen Rechtsprechung nicht. Eine solche Regelung könnte auch nur vom Bund getroffen werden (Gesetzgebungskompetenz des Bundes).

Nicht abschließend beurteilt werden kann die Frage, wie im Schadensfall zivilrechtlich über eine etwaige Haftung entschieden würde. Daher ist nach Abwägung der Sach- und Rechtslage die Inanspruchnahme der Sonderrechte durch Fahrzeuge ohne Blaulicht und Einsatzhorn nicht zu empfehlen, da das hohe persönliche Risiko (ggf. zivil- und strafrechtliche Haftung, Ausschluss der Versicherungsleistungen bei grob verkehrswidrigen Verhalten) den Zeitgewinn vermutlich nicht rechtfertigen kann.

1. Wie stellt sich die aktuelle Rechtslage für Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren oder Rettungsdienste bei der in Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 StVO dar?

Siehe Vorbemerkung.

2. Gibt es Pläne der Landesregierung, sich unter Berücksichtigung der zahlreichen Tempo-30-Zonen und Einbahnstraßen für neue Regelungen einzusetzen?

Sonderrechtsfahrten sind grundsätzlich immer Fahrten, von denen eine deutlich erhöhte Gefährdung der Sicherheit einerseits für die anderen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer und andererseits für den Sonderrechtsfahrer / die Sonderrechtsfahrerin selbst ausgeht. Dies gilt selbst dann, wenn diese Fahrzeuge mit Blaulicht und Einsatzhorn ausgestattet sind. Es wird daher nicht angestrebt, den Kreis derer, die zu Sonderrechtsfahrten berechtigt sind, stärker auszuweiten. Um insbesondere für eine Personengruppe, die mit den Privatfahrzeugen häufig sogar direkt zum Einsatzort fahren, eine höhere (Rechts-)Sicherheit zu gewährleisten ist zum 1. September 2015 der neue Gemeinsame Runderlass des MI und des MW v. 05.08.2015 über „Akustische Warneinrichtungen (Einsatzhorn) und Kennleuchten für blaues Blinklicht an Privatfahrzeugen von Führungskräften der Feuerwehr und des Rettungsdienstes“ in Kraft getreten (Nds. MBl. 2015, S. 1238). Dieser Erlass regelt, dass für besondere Führungskräfte der Feuerwehren und des Rettungsdienstes im Einzelfall auf Antrag ein privates Kraftfahrzeug als Einsatz- und Kommandokraftfahrzeug anerkannt und entsprechend mit Blaulicht und Eisatzhorn ausgestattet werden kann. Damit würden für Einsatzfahrten mit diesen Fahrzeugen nicht nur Sonderrechte (s. Frage 1), sondern auch Wegerechte nach § 38 StVO gelten. Weitergehende Regelungen sind nicht erforderlich.

3. Welche Unterschiede gibt es bei der Rechtslage zwischen den Bundesländern?

Die StVO ist eine Bundesverordnung, die von den Bundesländern als eigene Angelegenheit ausgeführt wird. Grundsätzlich hat zwischen den Ländern eine Verständigung über die Auslegung des § 35 StVO stattgefunden (s. Vorbemerkung). Ob es in den einzelnen Ländern abweichende Regelungen gibt, ist nicht bekannt.


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Artikel-Informationen

erstellt am:
22.01.2016

Ansprechpartner/in:
Pressesprecher: Christian Haegele und Sabine Schlemmer-Kaune

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