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Einsatz von CO2 beim Fracking in Erdgaslagerstätten

Der Abgeordnete Stefan Wenzel (GRÜNE) hatte gefragt:

Bei der Förderung von Erdöl und Erdgas wird in vielen Regionen der Welt CO2 zur Steigerung der Produktion in die Lagerstätten eingebracht. Das CO2 erhöht dabei den Druck in der Lagerstätte, wodurch größere Mengen Erdöl und Erdgas gefördert werden können. Zusätzlich diffundiert das CO2 bei der Förderung von Erdöl und macht es flüssiger, wodurch es sich leichter fördern lässt. Die Methode ist als „Enhanced Oil Recovery“ (EOR) bzw. analog bei der Erdgasförderung „Enhanced Gas Recovery“ (EGR) bekannt und wird seit vielen Jahren vor allem in den USA, Kanada und auf der arabischen Halbinsel eingesetzt.

In jüngerer Vergangenheit wird die Einbringung von CO2 zur Stimulation von Erdöl- und Erdgaslagerstätten zunehmend auch mit der Technologie des „Carbon Capture and Storage“ (CCS) in Verbindung gebracht. Auch bei dieser Technologie soll in Kohlekraftwerken oder Industrieanlagen abgeschiedenes CO2 unterirdisch verpresst werden, damit es seine klimaschädliche Wirkung in der Atmosphäre nicht entfalten kann. Diese Technologie befindet sich zum einen jedoch noch in der technischen Erprobungsphase, zum anderen fehlt es gegenwärtig an einer rechtlichen Grundlage, da die Europäische Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid (2009/31/EG) noch nicht in deutsches Recht umgesetzt wurde. Neben finanziellen Aspekten befürchten Kritiker dieser Technologie vor allem eine Verunreinigung des Trinkwassers durch verdrängtes Salzwasser aus salinen Aquiferen und ein unkontrolliertes Austreten des CO2 in die Atmosphäre mit unberechenbaren Folgen.

Kürzlich wurde jedoch durch Medienberichte bekannt, dass in Niedersachsen bei der Erdgasförderung bereits CO2 zur Stimulation von Erdgaslagerstätten unterirdisch verpresst worden ist. Dies geschah auch im Zusammenhang mit der Fördermethode des „Hydraulic Fracturing“, die ebenfalls im Verdacht steht, in den USA bereits verschiedene Umweltschäden, wie z. B. Trinkwasserverunreinigungen, hervorgerufen zu haben. So gibt ExxonMobil bei der Darstellung der Zusammensetzung der „Behandlungsflüssigkeit“ bei der Bohrung „Goldenstedt Z 23“ die Menge des dort eingesetzten flüssigen CO2 mit 428 400 kg an. Mehrere Energieunternehmen planen gegenwärtig die verstärkte Anwendung dieser Fördermethode im Zuge einer Ausweitung der Förderung von unkonventionellem Erdgas in verschiedenen deutschen Bundesländern. Die Verbindung der beiden Risikotechnologien CCS und „Hydraulic Fracturing“ wirft viele Fragen der Sicherheit für Mensch und Natur auf.

Ich frage die Landesregierung

  1. Wo und wie häufig und mit welcher Verpressungsmenge an CO2 wurde in Niedersachsen CO2 zur Stimulation einer Erdöl- oder Erdgaslagerstätte unterirdisch eingesetzt?
  2. Welche Unternehmen in Niedersachsen haben an jeweils welchen Erdgasaufsuchungs- und Förderbohrungen welche bergrechtliche Genehmigungen für den Einsatz von CO2 zur Stimulation von Erdgaslagerstätten erhalten?
  3. Werden Verbleib und Verflüchtigungsverhalten des unterirdisch verpressten CO2 zur Stimulation von Erdöl- oder Erdgaslagerstätten von einer Behörde, einem Unternehmen oder einer wissenschaftlichen Einrichtung mit welchen Ergebnissen überwacht?
  4. Über welche Erkenntnisse verfügt die Landesregierung über den Anteil an CO2, der nach der Verpressung zur Stimulation von Erdöl- oder Erdgaslagerstätten dauerhaft im Erdreich gespeichert wird bzw. welcher Anteil wieder an die Oberfläche gelangt?
  5. Bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass mit dem Einsatz von großen Mengen CO2 als Fracking-Mittel oder bei der Nutzung von CO2 zur Druckerhöhung in der Lagerstätte große Mengen des eingesetzten Kohlendioxids in der Erdgaslagerstätte zurückbleiben, faktisch und rechtlich als Speicherung von CO2?
  6. Ist es nach Auffassung der Landesregierung rechtlich zulässig, in Kohlekraftwerken abgeschiedenes CO2 in Erdöl- und Erdgaslagerstätten als Wirtschaftsgut unterirdisch zu verpressen, ohne dass vorher die Europäische Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid (2009/31/EG) in deutsches Recht umgesetzt wurde bzw. ein deutsches CCS-Gesetz verabschiedet worden ist?
  7. Wurde in der Vergangenheit im Zuge der Förderung von Erdöl und Erdgas in Niedersachsen auch CO2 in saline Aquifere verpresst, die auch als mögliche CO2-Speicher im Rahmen der CCS-Technologie vorgesehen sind, und wenn ja, welche Auswirkungen hatte dies auf das in den salinen Aquiferen vorkommende Salzwasser?
  8. Ist der Landesregierung bekannt, in welchem Umfang bislang in der Nordsee das „Enhanced Oil Recovery“-Verfahren eingesetzt wurde?
  9. Welche Firmen haben das Verfahren in welchen Fördergebieten der Nordsee eingesetzt?
Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 21.11.2011 wie folgt:

In Niedersachsen wird seit vielen Jahrzehnten Erdgas aus konventionellen und unkonventionellen Lagerstätten gewonnen. Diese heimische Erdgasförderung gewinnt angesichts der anstehenden Energiewende an Bedeutung, denn sie verringert nicht nur die Importabhängigkeit, sondern unterstützt eine verlässliche Versorgung heimischer Gaskraftwerke, die den Ausgleich der Stromerzeugung aus regenerativen Energien ermöglichen können. Seit über 35 Jahren ist die Gewinnung von Erdgas in Niedersachsen mit dem Einsatz einer Technologie verbunden, bei der unter hohem hydraulischem Druck künstliche Risse in tief liegenden geologischen Formationen erzeugt werden (Frac). Die hierbei verwendeten Flüssigkeiten bestehen überwiegend aus Wasser, dem Additive nur insoweit zugesetzt werden, wie dies den Umständen entsprechend erforderlich ist. In einigen Fällen wurde Kohlendioxid eingesetzt, das der Reduzierung des Volumens an Frac-Flüssigkeit und damit auch des erforderlichen Additivvolumens diente.

Die hydraulische Behandlung von Tiefbohrungen mit Kohlendioxid als Wassersubstitut ist nicht mit der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid bei der Anwendung der sogenannten CCS-Technologie (carbon capture and storage) vergleichbar. Wesentliche Unterschiede ergeben sich aus der Zielsetzung der beiden Verfahren sowie den Auswirkungen auf den tiefen Untergrund. Während bei der hydraulischen Bohrlochbehandlung kleinräumige Risse in tiefen geologischen Formationen entstehen, lässt die dauerhafte geologische Speicherung von Kohlendioxid großräumige Druckanhebungen im Untergrund erwarten. Darüber hinaus wird das bei der hydraulischen Bohrlochbehandlung verwendete Kohlendioxid zum größten Teil an die Tagesoberfläche zurückgefördert, während das bei der geologischen Speicherung eingebrachte Kohlendioxid dauerhaft im Untergrund verbleiben soll. Auch im Hinblick auf die Einordnung der Technologien in das Rechtsregime sind Unterschiede erkennbar. So erstreckt sich der Anwendungsbereich der Europäischen Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid vom 23. April 2009 (2009/31/EG) nicht auf die Ausbeutesteigerung von Erdöl- und Erdgaslagerstätten mithilfe von Kohlendioxid, sofern diese Vorhaben anderen Zwecken als der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid dienen.

Dieser rechtlichen Einordnung folgt der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht, den der Bundestag am 7. Juli 2011 mit wenigen Maßgaben beschlossen hat. (Gesetz zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid vom 7. Juli 2011, Drucksache 487/11 des Deutschen Bundesrates). Nachdem der Bundesrat diesem Gesetz in seiner Sitzung vom 23. September 2011 nicht zugestimmt hat, hat die Bundesregierung die Anrufung des Vermittlungsausschuss beschlossen (Drucksache 660/11 des Deutschen Bundesrates).

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:
In Niedersachsen wurde Kohlendioxid bisher nicht zum Zwecke der Ausbeutesteigerung von Erdöl- und Erdgaslagerstätten verwendet.

Nach den derzeit vorliegenden Informationen wurden in Niedersachsen 3.882 Tonnen Kohlendoxid bei der Durchführung von hydraulischen Bohrlochbehandlungen wie folgt eingesetzt:

Fördergebiet

Gesamtmenge CO2
in Tonnen

Anzahl der hydraulischen Bohrlochbehandlungen
mit CO2

Unternehmer

Bötersen

359

2

EMPG

Cappeln

330

4

EMPG

Fehndorf

350

1

Wintershall

Goldenstedt

818

11

EMPG

Söhlingen

1758

12

EMPG

Wietingsmoor

267

2

EMPG

Zu 2:
Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

Zu 3:
Die behördliche Überwachung von hydraulischen Bohrlochbehandlungen obliegt in Niedersachsen dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie. Da das bei diesen Vorhaben verwendete Kohlendioxid bei der Rückförderung der verwendeten Flüssigkeit sowie der späteren Erdgasgewinnung an die Tagesoberfläche gelangt und die verwendeten Kohlendioxidmengen vergleichsweise gering sind, erübrigt sich eine gezielte Überwachung von Verbleib und Verflüchtigungsverhalten des eingesetzten Kohlendioxids.

Zu 4:
Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen.

Zu 5:
In Niedersachsen wird Kohlendioxid nicht zur Druckerhöhung in Lagerstätten verwendet. Die bei der hydraulischen Behandlung von Tiefbohrungen bisher verwendeten Kohlendioxidmengen sind im Vergleich zu den für die dauerhafte geologische Speicherung vorgesehenen Kohlendioxidmengen gering und dienen ausschließlich der Erzeugung von künstlichen Rissen in tiefen geologischen Formationen. Insofern handelt es sich nicht um eine Kohlendioxidspeicherung im Sinne der Europäischen Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid vom 23. April 2009 (2009/31/EG).

Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu 6:
Das Einbringen von Kohlendioxid in Erdöl- und Erdgaslagerstätten zum Zwecke der dauerhaften Kohlendioxidspeicherung bedarf einer Umsetzung der Europäischen Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid vom 23. April 2009 (2009/31/EG) in deutsches Recht.

Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu 7:
Nein.

Zu 8:
Der Landesregierung sind keine Maßnahmen zur Ausbeutesteigerung aus Erdöllagerstätten im Gebiet der deutschen Nordsee bekannt. Über den Umfang der in anderen Gebieten der Nordsee durchgeführten Maßnahmen zur Ausbeutesteigerung aus Erdöllagerstätten liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

Zu 9:
Hierzu liegen der Landesregierung keine detaillierten Erkenntnisse vor.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
09.12.2011

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