Niedersächsisches Gaststättengesetz (NGastG)
Die Abgeordneten Ralf Borngräber, Daniela Behrens und Dieter Möhrmann (SPD) hatten gefragt:
Das Land Niedersachsen wollte mit dem neuen Niedersächsischen Gaststättengesetz Verwaltungsverfahren und -abläufe stark vereinfachen. Das Gesetz zielte darauf ab, sowohl Betroffene als auch die zuständigen öffentlichen Verwaltungen von kostenwirksamem Bürokratieaufwand zu entlasten.
Wollten Vereine bisher bei öffentlichen Veranstaltungen Alkohol gegen Entgelt ausschenken, benötigten sie nach dem Bundesgaststättengesetz nur eine „Gestattung“, die von den Kommunen an die Vereine unbürokratisch und zumeist ohne Kosten ausgegeben wurde. Die Überschriften vieler Tageszeitungen zum Jahreswechsel 2011/2012 „Land erleichtert das Eröffnen von Gaststätten“, müsste eigentlich so erweitert werden: „… und macht den Vereinen das Leben schwer!“, so titelt z. B. der Harburger Anzeiger in seiner Onlineausgabe: „Land dreht Vereinen den Zapfhahn zu“.
Gemäß § 2 Abs. 4 NGastG muss derjenige, der nur vorübergehend ein Gaststättengewerbe betreibt, dies unter Angabe seiner Personalien sowie des Ortes und der Zeit des Angebots der zuständigen Behörde vier Wochen vor dem erstmaligen Anbieten von Getränken und Speisen schriftlich anzeigen.
Gemäß § 3 Abs. 1 NGastG muss die zuständige Behörde, wenn sich die vorgenannte Anzeige gemäß § 2 Abs. 4 NGastG auf das Anbieten alkoholischer Getränke bezieht, unverzüglich nach Eingang der Anzeige die Zuverlässigkeit der oder des Gewerbetreibenden überprüfen. Zu diesem Zweck hat die oder der Gewerbetreibende zugleich mit der Gewerbeanzeige ein Führungszeugnis nach § 30 Abs. 5 des Bundeszentralregistergesetzes und eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister nach § 150 Abs. 1 der Gewerbeordnung vorzulegen. Wird dem nicht nachgekommen, hat die Behörde diese Auskünfte (kostenpflichtig) von Amts wegen einzuholen.
Diese Regelung gilt gemäß der Begründung zum Gesetzentwurf auch für das vorübergehende Gaststättengewerbe, wie kulturelle Veranstaltungen von gemeinnützigen Vereinen, Schützenfeste und alle anderen öffentlichen Veranstaltungen, bei denen gegen Entgelt Alkohol ausgeschenkt wird. Hier handelte es sich zuvor nach altem Recht um Gestattungsfälle gemäß § 12 des Bundesgaststättengesetzes, in denen unbürokratisch und für Vereine zumeist unentgeltlich Gestattungen für den Alkoholausschank ausgegeben wurden.
Die Vollzugspraxis des neuen NGastG, mit der gemeinnützige Vereine seit dem 01.01.2012 konfrontiert werden, zeigt, dass ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände das Verfahren gemäß § 3 Abs. 1 NGastG durchlaufen müssen, d. h. ein „Behördenführungszeugnis“ und die „Behördengewerbezentralregisterauskunft“ beibringen müssen. Damit kommt es zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand für die ehrenamtlich Tätigen der niedersächsischen Vereine bei Veranstaltungen und Feiern in vereinseigenen Räumen, angemieteten Räumen oder Festzelten.
Wir fragen die Landesregierung:
- Sieht das Niedersächsische Gaststättengesetz bei Vereinsveranstaltungen mit Alkoholausschank den Vollzug der in der Einleitung dargelegten Forderungen vor?
- Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass für ehrenamtliche Vereinsverantwortliche die Regelungen des NGastG bürokratische Erschwernisse darstellen können?
- Sind Gestattungen zum Ausschank alkoholischer Getränke anlässlich von Veranstaltungen von Vereinen einzelfallbezogen für jede Veranstaltung zu beantragen, oder haben Vereine die Möglichkeit, „Vorratsgenehmigungen“ auf Zeit oder für bestimmte regelmäßig stattfindende Veranstaltungen zu erhalten?
- Sind Genehmigungen vor dem Hintergrund des beizubringenden erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses ausschließlich durch den Vereinsvorsitzenden oder auch durch andere Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes zu beantragen?
- Geht die Landesregierung bei dem Alkoholausschank durch als gemeinnützig anerkannte Vereine ohne Gewinnerzielungsabsicht von einer „gewerbsmäßigen“ Tätigkeit aus?
- Zweifelt die Landesregierung an der Zuverlässigkeit der ehrenamtlichen Vereinsvorstände?
- Welche Begründung gibt es für diesen erhöhten bürokratischen Aufwand für Vereine?
- Wer trägt die Kosten für diesen Aufwand, den Vereine beispielsweise für ein dörfliches Schützenfest betreiben müssen?
- Wer trägt die Kosten für den erhöhten Aufwand der Kommunen in diesen Fällen?
- Wie will die Landesregierung auf eine mögliche Verweigerungshaltung der Vereine gegenüber diesen neuen bürokratischen Bestimmungen reagieren?
- Kann sich die Landesregierung vorstellen, dass der eine oder die andere Vereinsvorsitzende mit dem Gedanken spielen könnte, vor dem Hintergrund des NGastG und des beizubringenden Führungszeugnisses seine/ihre Niedersächsische Ehrenamtskarte zurückzugeben?
- Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es sich bei den Regelungen im NGastG um staatlich gelenkte Klientelpolitik handelt, die die vom niedrigen Mehrwertsteuersatz verwöhnten Gastronomen weiter gehend unterstützt und den Vereinen als Kulturträgern das Leben schwer macht?
- Teilt die Landesregierung die Haltung des Hollenstedter Samtgemeindebürgermeister Uwe Rennwald, dass neue Bürokratie auf die Kommunen zukomme? Rennwald in der HAN-Online: „Ich kann nicht einsehen, dass ein Feuerwehrchef, der hier seit Jahren seine Arbeit macht, künftig ein Führungszeugnis vorlegen muss. Das mache ich nicht mit.“
- Teilt die Landesregierung die Verlautbarung der Sprecherin im niedersächsischen Wirtschaftsministerium, Silke Schaar, die in der HAN-Online einen Ermessensspielraum sieht? „Die Kommunen werden schon den richtigen Weg finden, das zu handhaben. Wer amtsbekannt zuverlässig ist, muss sicher nicht jedes Mal ein neues Führungszeugnis beibringen.“
- Teilt die Landesregierung im Nachhinein die Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens in der Stellungnahme zum Entwurf des NGastG vom 18.11.2010? „Bei gelegentlichen Veranstaltungen sind die Anträge nach (§ 3) Satz 2 nicht erforderlich. Die zuständige Behörde soll bei gelegentlichen Veranstaltungen nur in den Fällen die Prüfung nach Satz 1 durchführen, wenn Anhaltspunkte für eine mögliche Unzuverlässigkeit, die zur Versagung der Durchführung führen könnten, vorliegen.“
Zum 1. Januar 2012 ist das Niedersächsische Gaststättengesetz (NGastG) vom 10. November 2011 in Kraft getreten. Dieses Gesetz löst das bis dahin geltende Bundesgaststättengesetz (GastG) ab. Durch das NGastG wird das bisher erlaubnisbedürftige Gaststättengewerbe in ein überwachungsbedürftiges Gewerbe überführt.
Nach dem GastG bedurfte es einer Erlaubnis (§ 2 GastG) bzw. einer Gestattung (§ 12 GastG), soweit es sich um ein vorübergehendes Gewerbe aus besonderem Anlass handelte. Nach dem NGastG bedarf es für ein dauerhaftes oder auf kurze Zeit betriebenes Gaststättengewerbe nur noch einer Anzeige. Im Falle des Alkoholausschankes hat die Behörde unverzüglich die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zu überprüfen. Die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ist nach altem wie nach neuem Recht unverzichtbare Voraussetzung für die Gewerbeausübung. Damit soll in erster Linie dem erhöhten Gefährdungspotenzial beim Ausschank von Alkohol Rechnung getragen werden. Im Hinblick auf die erheblichen gesellschaftlichen Probleme durch überhöhten Alkoholkonsum wäre es nach Auffassung der Landesregierung nicht hinnehmbar, wenn hier Personen tätig werden könnten, deren Zuverlässigkeit nicht zweifelsfrei ist. Insoweit können auch bei einem vorübergehenden Gaststättengewerbe keine geringeren Maßstäbe bei der Zuverlässigkeit gesetzt werden. Das NGastG sieht dazu vor, dass die Zuverlässigkeit durch Auszüge aus dem Bundeszentralregister (persönliches Führungszeugnis) bzw. dem Gewerbezentralregister nachgewiesen wird. Grundsätzlich hat der Gewerbetreibende diese Nachweise vorzulegen bzw. zu beantragen. Anderenfalls werden sie von der Behörde von Amts wegen im Rahmen der Amtshilfe beigezogen.
Daneben kann die Zuverlässigkeit auch durch eine behördliche Bescheinigung nachgewiesen werden. Ein Nachweis ist ganz entbehrlich, wenn der Behörde bereits bekannt ist, dass der Gewerbetreibende zuverlässig ist. Die Zuverlässigkeit kann beispielsweise bekannt sein, weil der Gewerbebetreibende bereits eine Gaststätte einwandfrei führt, sodass der nochmalige Nachweis bei Neugründung eines Filialbetriebes entbehrlich ist. Gleiches gilt für vorübergehende gastronomische Veranstaltungen (z.B. Vereinsfeste), wenn der Behörde die Zuverlässigkeit des Verantwortlichen bekannt ist, z.B. aus unbeanstandet gebliebenen Veranstaltungen der vergangenen Jahre. Dieser aus dem Zivilprozessrecht (§ 291 ZPO) entwickelte Grundsatz fand auch bereits in den Musterverwaltungsvorschriften zum bisherigen GastG Berücksichtigung. Darin ist ausgeführt, dass auf die Nachweise verzichtet werden kann, wenn die persönlichen Verhältnisse der genannten Personen zweifelsfrei bekannt sind oder gegen die Zuverlässigkeit offensichtlich keine Bedenken bestehen. Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hat die Gaststättenbehörden durch Anwendungshinweis vom 26.01.2012 nochmals auf diese Verfahrensweise hingewiesen.Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
zu 1.:
Auch bei gastgewerblichen Veranstaltungen auf kurze Dauer durch Vereine, freiwillige Feuerwehren oder kommerzielle Anbieter besteht beim Alkoholausschank ein erhöhtes Gefährdungspotenzial. Von daher muss der verantwortliche Veranstalter zuverlässig sein. Zum Verfahren beim Nachweis der Zuverlässigkeit wird auf vorstehende Ausführungen verwiesen.
zu 2.:
Nein.
zu 3.:
Nach Kenntnis der Landesregierung wurden Gestattungen auch gebündelt für mehrere Veranstaltungen erteilt. Entsprechend kann auch bei der Anzeige nach § 2 Abs. 1 NGastG verfahren werden, ohne dass es im Vergleich zum alten Recht für die gastgewerblichen Veranstaltungen eines besonderen Anlasses bedarf.
zu 4.:
Das NGastG sieht keine Genehmigungsverfahren mehr vor. Es bewirkt im Hinblick auf das vertretungsrechtliche Handeln für Vereine keine Änderungen im Vergleich zur bisherigen Antragspflicht nach dem GastG.
Maßgeblich ist im Einzelfall der Rechtsstatus des Vereins und insbesondere die Vereinssatzung zur Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes bzw. des Vereinsvorsitzenden. Nach § 26 BGB muss der Verein einen Vorstand haben. Dieser hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. In der Regel werden einzelne Personen durch Satzung zur Vertretung befugt.
zu 5.:
Die Gewerbsmäßigkeit setzt nach allgemeiner Auffassung eine selbstständige, erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit voraus (Landmann/Rohmer, GewO, § 1 Rd. Nr. 3). Ist eine Tätigkeit nicht auf Gewinnerzielung aus, fällt sie nicht unter den Gewerbebegriff. Allein die Anerkennung als gemeinnütziger Verein hat aber nicht zur Folge, dass von vornherein eine Gewinnerzielungsabsicht und damit gewerbliche Tätigkeit zu verneinen wäre. Auch ein gemeinnützig anerkannter Verein kann gewerblich tätig werden.
zu 6.:
Nein.
zu 7. bis 9.:
Das NGastG führt zu keinem erhöhten bürokratischen Aufwand für Vereine und Kommunen. Die Vereine werden unter Geltung des NGastG regelmäßig mit geringeren Kosten belastet.
Maßgeblich für die Gebührenhöhe im Einzelfall ist nach altem wie nach neuem Recht der jeweils bei der Behörde entstehende Zeitaufwand. Dabei ist die Gebührenhöchstgrenze für eine Anzeige nach dem NGastG niedriger als für eine Gestattung nach dem alten Bundesgaststättengesetz. Dieser ist bei einer Anzeige nach dem NGastG regelmäßig schon deshalb geringer, weil die Behörde keinen Verwaltungsakt zu erlassen hat.
Soweit die Gemeinden bei Vereinsveranstaltungen in der Vergangenheit ihre Gebührenansprüche nicht in vollem Umfang geltend gemacht haben, erfordert das NGastG keine Änderung dieser Verwaltungspraxis.
zu 10 und 11.:
Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine mögliche Verweigerungshaltung der Vereine und die Rückgabe von Ehrenamtskarten vor.
Nein. Im Übrigen gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz nicht für gastronomische Leistungen wie Getränke und zubereitete Speisen.
zu 13.:
Die Landesregierung teilt nicht die Auffassung, dass durch das NGastG neue Bürokratie auf die Kommunen zukomme. Sie teilt aber die Haltung des Hollenstedter Samtgemeindebürgermeisters Uwe Rennwald im Hinblick auf den genannten Beispielsfall eines Feuerwehrchefs, der sich seit Jahren als zuverlässig herausgestellt hat. Hier ist die Vorlage eines Führungszeugnisses nicht erforderlich.
zu 14.:
Die Landesregierung vertraut den kommunalen Gaststättenbehörden, dass sie das NGastG mit Augenmaß vollziehen. Sie ist davon überzeugt, dass die Kommunen über das nötige Beurteilungsvermögen verfügen und die amtsbekannten Vereinsvorsitzenden und Verantwortlichen der Feuerwehren nicht mit Nachweisobliegenheiten belegen, die entbehrlich sind.
zu 15.:
Die Landesregierung ist der festen Überzeugung, dass im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial beim Alkoholausschank auch die Verantwortlichen vorübergehender gastronomischer Veranstaltungen zuverlässig sein müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gelegentliche gastronomische Veranstaltungen nicht nur durch Vereine und Feuerwehren, sondern auch durch kommerzielle Anbieter durchgeführt werden. Insoweit wäre es nicht zu rechtfertigen, hier geringere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
23.03.2012