1264~~undefined
Logo MW Niedersachsen klar Logo

Zukunft des Intercityverkehrs

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.10.2008 - TOP 29


Antwort von Verkehrsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Roland Riese (FDP)

Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Im Amtsblatt der EU wurde im Mai 2008 unter der Dokumentnummer 2008-119071 die Ausschreibung der Deutschen Bahn AG für 130 bis 300 HGV-Triebzüge abgedruckt. Die HGV-Triebzüge sollen für eine Höchstgeschwindigkeit von 230 bis 250 km/h ausgelegt sein und über 500 bis 900 Sitzplätze pro Triebzug verfügen. Abgeliefert werden soll bis zum Ende des Jahres 2036. Der Vertrag hat also eine Laufzeit von 27 Jahren. Der Fahrgastverband Pro Bahn zieht in seiner Publikation Der Fahrgast, Ausgabe 3/2008, aus dieser Ausschreibung den Schluss, dass kein spezieller Fahrzeugpark für den Intercityverkehr mehr beschafft werden soll, sondern die Zukunft des Bahnfernverkehrs bei Fahrzeugen liegt, die dem heutigen Intercityexpress 3 entsprechen. Außerdem prognostiziert der Fahrgastverband, dass die Deutsche Bahn AG für mehr als 70 Zugeinheiten im Intercityverkehr keine gesicherte wirtschaftliche Basis sieht. Die Verkehrsregion Ems-Jade schließt sich dieser Prognose an und hat daher am 26. September 2008 in Aurich eine Resolution verabschiedet, mit der eine Stärkung des Fernverkehrs erreicht werden soll.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Teilt sie die Einschätzung des Fahrgastverbandes Pro Bahn, dass sich die Deutsche Bahn AG mittelfristig vom bisherigen Intercityverkehr verabschieden will?

  2. Welche Intercitybahnverbindungen der Gegenwart wären nach Einschätzung der Landesregierung durch eine Umrüstung der Deutschen Bahn AG auf Fahrzeuge mit mindestens 500 Sitzplätzen in ihrer Wirtschaftlichkeit besonders gefährdet?

  3. Was unternimmt die Landesregierung, um die Deutsche Bahn AG zum Aufrechterhalten eines Fernverkehrsangebotes auf mindestens dem gegenwärtigen Niveau anzuhalten?

Verkehrsminister Walter Hirche beantwortete namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:

Anrede!

Die heutigen Intercityzüge wurden in den 70er und 80er Jahren gebaut und sind insofern mit teilweise über 30 Jahren am Ende ihrrer wirtschaftlichen Nutzbarkeit angekommen. Wenn die Deutsche Bahn AG daher ihre Fernzugflotte modernisieren möchte und Züge ausschreibt, um in die Jahre gekommene Fernverkehrszüge zu ersetzen, ist dieses grundsätzlich zunächst etwas Positives.

Bekanntlich läuft zur Zeit eine Ausschreibung der Bahn über neue Fernverkehrszüge (sog. "ICX"), mit denen sie nach meinen Informationen zwischen 2014 und 2028 bis zu 300 ICE 1, ICE 2, Eurocity- und IC-Züge ersetzen möchte. Dem Vernehmen nach soll die Entscheidung, welcher Fahrzeughersteller (z.B. Bombardier, Alstom, Siemens) den Auftrag von der Bahn erhält, im nächsten Jahr fallen.

Wie das Fernverkehrskonzept der Zukunft aussehen wird, hat die Deutsche Bahn AG bisher noch nicht kommuniziert. Die Landesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen, die manche offenbar aufgrund einer bloßen Ausschreibung von Fahrzeugen anstellen. Vieles spricht dafür, dass die DB AG ihre Fahrzeugflotte im Fernverkehr vereinheitlichen möchte und es in Zukunft die heutige Unterscheidung bei den Fernverkehrsprodukten nicht mehr geben wird. Die dann getätigten Investitionen müssen erst einmal verdient werden. Das heißt aber nicht, dass keine Züge mehr fahren.

Die Landesregierung hält - das möchte ich an dieser Stelle besonders betonen - den Fernverkehr aus verkehrlichen, strukturellen und touristischen Gründen in Niedersachsen für unverzichtbar. Insofern begrüße ich die Resolution der Verkehrsregion Ems-Jade vom September d.J. zur Stärkung des Fernverkehrs.

Die negativen Erfahrungen, die wir Länder im Jahre 2001 mit dem Programm MORA P der Bahn (Streichung der Interregio Züge) gemacht haben, dürfen sich nicht wiederholen. Dieses seinerzeit von der Bahn aufgelegte Programm hat gezeigt, dass die Bahn ihre Konzepte ohne Rücksichtnahme auf regionale Besonderheiten und ohne Abstriche verfolgt. Die Länder konnten derartige Pläne letztendlich nicht verhindern. Stattdessen Ersatzbestellungen im Nahverkehr vorzunehmen, kann nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Kürzung der Regionalisierungsmittel keine Lösung sein und ginge zu Lasten der bestehenden Verbindungen und damit der Kunden.

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass der Bund seiner Verantwortung für den Fernverkehr gerecht werden muss. Die mehrfach vom Bund vorgetragene Auffassung, zur Wahrung des Gemeinwohls bei den Fernverkehrsangeboten genüge es, dass der Bund die Infrastruktur finanziere, wird von der Landesregierung nicht geteilt.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Wie ich bereits in meiner Vorbemerkung ausgeführt habe, beteiligt sich die Landesregierung nicht an Spekulationen. Sie wird allerdings bei der Deutschen Bahn darauf hinwirken, dass sie sobald wie möglich ihr Fernverkehrskonzept für die Zukunft kommuniziert, um Klarheit für eine eventuell notwendige Korrektur zu schaffen.

Zu Frage 3:

Seit der Bahnreform im Jahre 1994 haben die Länder keine Mitspracherechte mehr bei der Fahrplangestaltung im Personenfernverkehr. Grund dafür war die Trennung der hoheitlichen von den unternehmerischen Aufgaben. Fernverkehr als unternehmerische Aufgabe wurde in die alleinige Verantwortung der Deutschen Bahn AG gelegt.

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass es zur Wahrung des Gemeinwohls im Fernverkehr einer gesetzlichen Regelung bedarf, deren Notwendigkeit sich bereits aus

Artikel 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes ergibt. Niedersachsen hat daher gemeinsam mit anderen Ländern im Mai d.J. den Entwurf eines Fernverkehrssicherstellungsgesetzes im Bundesrat eingebracht. Dieser Gesetzentwurf wurde vom Bundesrat mit breiter Mehrheit verabschiedet.

Es bleibt abzuwarten, welchen Fortgang der Gesetzentwurf nimmt.

Es wird sich zeigen, wie ernst der Bund den Verfassungsauftrag des Artikels 87 e Grundgesetz nimmt, der dem Bund aufgibt, dass dem Wohle der Allgemeinheit bei den Verkehrsangeboten – so auch beim Schienenpersonenverkehr – Rechnung getragen wird.

Logo Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
10.10.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln