Mehrkosten für JadeWeserPort?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.10.2008 - TOP 29
Antwort von Verkehrsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Gerd Will, Heinrich Aller, Olaf Lies, Klaus Schneck, Ronald Schminke, Stefan Schostok, Wiard Siebels, Sabine Tippelt (SPD)
Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Ein großes deutsches Nachrichtenmagazin hat am Wochenende folgende Vorabmeldung über das JadeWeserPort-Hafenprojekt veröffentlicht:
"Die Kosten für den Tiefwasserhafen JadeWeserPort, den Niedersachsen und Bremen in Wilhelmshaven bauen, steigen weiter an. Wie das Nachrichtenmagazin FOCUS meldet, prognostiziert der Geschäftsführer der Hafenbaugesellschaft in einer Vorlage für den Aufsichtsrat 90 Millionen Euro Mehrkosten netto. Das entspricht gut 22 % der ursprünglichen Auftragssumme. Die Gesamtkosten des Projekts inklusive Mehrwertsteuer würden damit auf fast 589 Millionen Euro steigen.
Die mit dem Bau beauftragte Bunte-Gruppe begründet die Nachforderungen vor allem mit gestiegenen Roh- und Treibstoffpreisen. Probleme bei der Auftragsvergabe und der Baufreigabe hatten das Projekt um eineinhalb Jahre verzögert."
Bereits im April 2008 musste Minister Hirche Mehrforderungen der Bunte-Gruppe in Höhe von 65 Millionen Euro und Verzögerungen beim Baufortschritt eingestehen. Im Zusammenhang mit den im April bekannt gewordenen Nachforderungen ist auch der zusätzlich gezahlte "Turbozuschlag" in Höhe von 8,5 Millionen Euro ans Licht der Öffentlichkeit gekommen. Dieser ist durch die JadeWeserPort Infrastruktur und Beteiligungen GmbH & Co. KG, einer 100-prozentigen niedersächsischen Gesellschaft, für eine schnellere Fertigstellung gewährt worden. Die Bremer Seite ist an diesen Kosten nicht beteiligt.
Wir fragen die Landesregierung:
- Sind weitere Mehrkosten beim Bauvorhaben JadeWeserPort entstanden, und wie sollen diese finanziert werden?
- Wer trägt die Verantwortung für die scheinbar immer weiter aus dem Ruder laufenden Baukosten?
- Werden die ursprünglich eingeplanten europäischen Fördermittel in Höhe von 50 Millionen Euro tatsächlich für das Hafenbauprojekt gewährt, oder verfallen Teile der Gelder aufgrund des verzögerten Baufortschritts?
Verkehrsminister Walter Hirche beantwortete namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Anrede!
Der Bau des JadeWeserPorts geht planmäßig voran. Dies ist vor Ort bereits deutlich sichtbar. Der Termin 2011 für die ersten 1000 Meter Kaje steht. Die Gesamtfertigstellung wird deutlich früher erfolgen als ursprünglich vorgesehen.
Seit Baubeginn im Frühjahr des Jahres stehen Mehrkostenforderungen der Arbeitsgemeinschaft Bunte in zweistelliger Millionenhöhe im Raum. Dies ist seitdem bekannt und wurde auch zu keinem Zeitpunkt bestritten. Aber hier handelt es sich zunächst um Forderungen, d.h. nicht um tatsächliche Kostensteigerungen - wie in der Presse kolportiert.
Die Mehrkostenforderungen der Arbeitsgemeinschaft aus der verzögerten Vergabe beziffern sich aktuell auf insgesamt knapp 80 Mio. Euro netto. Darin sind die bisherigen 65 Mio. Euro enthalten. Derzeit sehen wir uns der Situation ausgesetzt, dass die extremen Preissteigerungen am Weltmarkt für Stahl und Energie selbst für Experten noch vor einiger Zeit für unmöglich gehaltenen wurden. Bei langjährigen Bauvorhaben dieser Größenordnung ist es gängige Geschäftspraxis, dass im Vertrag sog. Preisgleitklauseln vereinbart werden. Dies wird auch in den Vergabehandbüchern des Bundes entsprechend angeraten. Dadurch sollen die Risiken des Auftraggebers und des Auftragnehmers angemessen verteilt werden. Da nicht das gesamte Risiko für die lange Bauzeit dem Auftragnehmer angelastet werden kann, verbleibt stets auch ein Risiko beim Auftraggeber und hier letzten Endes beim Landeshaushalt. Vor diesem Hintergrund ist der überwiegende Teil der Forderungen zu verstehen. Die Arbeitsgemeinschaft ist aufgefordert, weitere Unterlagen nachzureichen, um die Prüfung zu einem Abschluss zu bringen. Derzeit werden zwischen der Realisierungsgesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft Wege über eine einvernehmliche Lösung zu den Forderungen ausgelotet, so dass ein möglicher Endbetrag für eventuelle tatsächliche Steigerungen noch vollkommen offen ist. Im Hinblick auf die laufenden Verhandlungen können öffentlich noch keine weiteren Details bekannt gegeben werden.
Der Nachtrag 4 ist auf die Verzögerungen beim Baubeginn durch die Gerichtsverfahren zum Planfeststellungsbeschluss und zur Sandentnahme zurück zu führen.
Nachdem mit dem Bau begonnen wurde, war es wichtig, die Verzögerungen zu minimieren, um den Hafen möglichst schnell in Betrieb zu nehmen und dabei die Fristen gegenüber dem Betreiber EUROGATE einzuhalten sowie um - als gewünschter Nebeneffekt - EFRE-Mittel nicht verfallen zu lassen. Es wurde daraufhin der Nachtrag 4 mit einem Volumen von 8,5 Mio. Euro vereinbart. Das ist seinerzeit dem Landtag gegenüber bereits umfassend erläutert worden. Dieser Nachtrag beinhaltet einen geänderten Bauablauf, der es nunmehr ermöglicht, dass der Hafen im Jahr 2012 vollständig fertig gestellt ist - mithin etwa 1 ½ Jahre früher als ursprünglich geplant. Je eher der Hafen in Betrieb geht, desto schneller fließen dann auch die Betreiberentgelte zurück. Die Kosten für den Nachtrag 4 setzen sich zusammen aus den Zusatzleistungen der Arbeitsgemeinschaft für einen aufwändigeren Polderschluss, Maßnahmen zur Sturmflutsicherung und Sicherung gegen Spülverluste sowie Aufwendungen für geänderte Gerätekonzepte bei voller Risikoübernahme durch die Arbeitsgemeinschaft. Die Begründung, dass die Kosten nur auf das Land entfallen, ist in der Aufteilung zwischen sog. Basisinfrastruktur und terminalnaher Infrastruktur zu sehen. Die Basisinfrastruktur, auf die sich der Nachtrag 4 bezieht, umfasst die Herstellung des Hafengrodens. Von dieser faktischen Landgewinnung profitiert allein Niedersachsen, daher ist es angemessen, dass Niedersachsen die Kosten trägt.
Im Übrigen ist angesichts von Fragen zum Kostenrahmen an dieser Stelle erneut darauf hinzuweisen, dass durch Vereinbarung mit dem Betreiber über die Zahlung eines Erbbauzinses für die Terminalfläche in Höhe von rund 4,6 Mio. € pro Jahr eine Einnahme von mehr als 180 Mio. € bei einer Pachtdauer von 40 Jahren erzielt wird. Weitere Einnahmen sind aus der Verpachtung oder Teilverkauf des Hafengrodes sowie Betreiberentgelten zu erwarten.
Dies voraus geschickt werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1.:
Über die derzeit im Raum stehenden knapp 80 Mio. Euro Mehrkostenforderungen und die Nachträge 1 und 4 sind derzeit keine zusätzlichen Kosten für den JadeWeserPort erkennbar. Der Nachtrag 1 wird als temporärer Verbau erforderlich, da der in der Ausschreibung enthaltene endgültige seeseitige Verbau aufgrund des noch nicht abgeschlossenen PFV erst später ausgeführt werden kann. Die Gesamtkosten eines derartigen Großvorhabens können wie allgemein üblich abschließend erst in der Endabrechung festgestellt werden. Dies liegt z.B. auch an eventuellen Massenverschiebungen oder sonstigen Sicherheitseinbehalten, die erst in der Schlussrechung endfestgestellt werden können. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind allerdings keine weiteren Kostensteigerungen in nennenswerter Größenordnung zu erkennen.
Zu 2.:
Für Mehrkosten gibt es Ursachen. "Verantwortung" würde (persönliches) Verschulden implizieren. Die Ursache für den Nachtrag 4 liegt in den Zeitverzögerungen aufgrund der Gerichtsverfahren. Dadurch wurde eine Änderung der Bauabläufe erforderlich, um die Verzögerungen zu minimieren.
Die Ursache für die aktuellen Mehrkostenforderungen liegt in den absolut unerwarteten Preissteigerungen insbesondere für Stahl und Energie am Weltmarkt. Bei Abschluss der Verträge konnten weder Auftraggeber noch Auftragnehmer eine derartige Kostenexplosion prognostizieren.
Zu 3.:
Die 50 Mio. Euro Fördermittel aus der EU (EFRE-Mittel), werden vollständig in Hafenbauprojekten des Landes Niedersachsen gebunden und verfallen nicht. Zwar können infolge des verzögerten Baubeginns nicht alle EFRE-Mittel für den JadeWeserPort verwendet werden, aber ein großer Teil wird dort gebunden. Die darüber hinaus gehenden Fördermittel werden - mit ausdrücklicher Zustimmung der EU - in anderen bereits laufenden und durchfinanzierten Hafenbauprojekten wie z.B. dem Offshore-Basishafen in Cuxhaven eingesetzt. Die durch die Umfinanzierung frei werdenden Mittel werden wiederum zur Finanzierung des JadeWeserPorts zur Verfügung gestellt, so dass sich keine finanziellen Nachteile für die Realisierung ergeben.
Artikel-Informationen
erstellt am:
10.10.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010