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Aktien- und Handelsrecht

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.03.2009 - TOP 29


Der Abgeordnete Dr. Bernd Althusmann (CDU) hatte gefragt:

Aufgabe des Aufsichtsrates ist es, den Vorstand bei der Leitung des Unternehmens regelmäßig zu überwachen und zu beraten. Er bestellt und entlässt die Mitglieder des Vorstandes und legt die Höhe der Vergütung fest. Der Vorstand bindet den Aufsichtsrat in die Entscheidungen, die von grundlegender Bedeutung sind, ein. Hierzu zählen Fragen zur Finanz-, Ertrags- und Vermögenslage des Unternehmens.

Die Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass kurzfristig ausgerichtete Vergütungsinstrumente zu fehlerhaften Verhaltensanreizen führen und das nachhaltige Wachstum des Unternehmens unterlaufen können. Deshalb werden in der Öffentlichkeit Änderungen des Aktien- und Handelsrechts erörtert. So soll die Verantwortung des Aufsichtsrats für die angemessene Festsetzung der Vergütung verdeutlicht werden, indem dem Aufsichtsrat schärfere Kriterien der Angemessenheit vorgegeben werden. Auch soll ausdrücklich gesetzlich geregelt werden, dass der Aufsichtsrat persönlich haftet, wenn er eine unangemessene Vergütung festlegt. Der Aufsichtsrat soll eine Vergütung nachträglich herabsetzen müssen, wenn die Fortzahlung der alten Bezüge unbillig geworden ist, da die Verhältnisse der Gesellschaft sich wesentlich verschlechtert haben.

Darüber hinaus wird diskutiert, dass ehemalige Vorstandsmitglieder drei Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Vorstand nicht als Mitglied eines Prüfungsausschusses des Aufsichtsrats eingesetzt werden sollten.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie beurteilt die Landesregierung die bestehenden Regelungen zu den Aufsichtsräten und zur Managerhaftung?
  2. Wie beurteilt die Landesregierung die in der Öffentlichkeit diskutierten Reformvorschläge für Aufsichtsräte und zur Managerhaftung?
  3. Wo sieht die Landesregierung weiteren Handlungsbedarf, und wie sollte dieser ausgestaltet werden?

Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Neben Mängeln in der staatlichen Finanzaufsicht, gelten Unternehmensleitungen im Finanzdienstleistungs- und im Industriebereich als Mitverursacher der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Dabei wird gefordert, diese Manager, allen voran die Vorstände, für ihre Fehler zur Verantwortung zu ziehen.

Die Grundlagen zur aktuellen zivilrechtlichen Managerhaftung knüpfen an die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters an. Vorstände wie Aufsichtsräte sind dem Untenehmen bei vorsätzlichem wie fahrlässigem Handeln, das zu Schäden führt, ersatzpflichtig und müssen im Streitfall ihrerseits beweisen, die entsprechende Sorgfalt angewendet zu haben. Das Gesetz geht davon aus, dass eine Pflichtverletzung – nur dann - nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Dabei stimmt die Landesregierung den anerkannten Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu, wonach den Unternehmensleitern ein breiter Handlungsspielraum zugestanden wird. Denn ohne diesen ist eine unternehmerische Tätigkeit nicht denkbar.

Allerdings folgt daraus kein Freibrief für riskantes Handeln zum Nachteil des Gesellschaftervermögens. Der Handlungsspielraum der Manager ist dann überschritten, wenn aus Sicht der Unternehmensleitung das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen. Die Abwägung des eingegangenen Schadensrisikos mit dem zu erwartenden geschäftlichen Nutzen hat sich an drei Grundsätzen auszurichten:

  • Hat der Vorstand ein eigenes persönliches Interesse an der von ihm getroffenen (risikoreichen) unternehmerischen Entscheidung?
  • Hat er sich bei seiner Entscheidung vollständig informiert und alle Quellen genutzt?
  • Hat er auch nach seiner eigenen Überzeugung im Interesse des Unternehmens gehandelt?

Wenn dem Entscheidungsträger in einem der drei Punkte Defizite nachzuweisen sind, kann der Manager schadensersatzpflichtig gemacht werden. Dies betrifft aber nur das Innenverhältnis, der Manager kann nur durch die Gesellschaft selbst und nicht durch außenstehende Dritte belangt werden.

Die Landesregierung verkennt auch nicht, dass Manager oft riskante Entscheidungen treffen müssen, deren wirtschaftlicher Erfolg oder Misserfolg nicht vorhersehbar ist, z. T. auch weil sie nicht beherrschbare Einflussfaktoren – man denke nur an Rohstoffpreise und Wechselkurse – betreffen. Ein gelegentlich gefordertes verschuldensunabhängiges Haftungssystem lehnt die Landesregierung ab. Es würde dazu beitragen, dass weniger qualifizierte Personen in Deutschland für die Leitung von Unternehmen zur Verfügung stünden.

Zu 2.:
Eine genaue Beobachtung der bisherigen Managerhaftung belegt, dass die tatsächliche Inanspruchnahme der Unternehmensleitung eher gering ist. Diesen Defiziten in der zivilrechtlichen Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegenüber Managern entgegenzuwirken, ist das Ziel eines Anfang dieses Monats aus der Mitte des Deutschen Bundestages von den Regierungsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurfes. Dieser sieht vor, die Herabsetzung von Vorstandsvergütungen durch den Aufsichtsrat zu erleichtern, indem das bisherige Kriterium der "wesentlichen" Verschlechterung wegen seiner Unschärfe fallen gelassen wird und von dem überzogenen Kriterium der "groben" Unbilligkeit einer Weitergewährung der Bezüge Abstand genommen wird. Darüber hinaus sollte in Erwägung gezogen werden, eine Mindestwartezeit für ehemalige Vorstandsvorsitzende beim Wechsel zum Aufsichtsrats-Vorsitz des Unternehmens einzuführen. Überdies will der Entwurf der Regierungsfraktionen in Berlin verhindern, dass ausgeschiedene frühere Vorstandsmitglieder, die in den Aufsichtsrat wechseln, binnen drei Jahren nach ihrer Vorstandstätigkeit dem sogenannten Prüfungsausschuss der Gesellschaft angehören.

Für die effektive Durchsetzung zivilrechtlicher Haftungsansprüche gegen Vorstände ist es hinderlich, dass dem Aufsichtsrat, der für solche Haftungsansprüche zuständig ist, bisher ohne jegliche Einschränkung frühere Vorstände angehören dürfen. Die Gefahr etwa ist nicht auszuschließen, dass einzelne Aufsichtsräte dahin tendieren, Handlungen der aktuellen Vorstände nicht zu beanstanden, wenn die ihnen angehörenden ehemaligen Vorstände schon ähnlich gehandelt hatten.

Derartigen engen personellen Verflechtungen sollte nach Auffassung der Landesregierung entgegen getreten werden.

In eine ähnliche Richtung weist ein aktueller Gesetzentwurf, der Anfang dieses Monats von Nordrhein-Westfalen in den Bundesrat eingebracht worden ist. Dieser sieht eine Karenzzeit von zwei Jahren für den Wechsel vom Vorstand bei börsennotierten Unternehmen in den Aufsichtsrat desselben Unternehmens vor. Dies bedarf freilich noch sorgfältiger Prüfung, schon weil Vorstandsmitglieder sehr häufig über eine Sach- und Fachkompetenz verfügen, die im Aufsichtsrat desselben Unternehmens von größtem Nutzen sein kann. Anstelle eines generellen Ausschlusses sollte auch an eine Prüfung der Befangenheit im einzelnen Fall gedacht werden. Ferner hat der Vorschlag Nordrhein-Westfalens zum Ziel, dass einzelne Mandatsträger im Aufsichtsrat für die ihm zugewiesenen Aufgaben ausreichend Zeit und Arbeitskraft zur Verfügung haben. Deshalb soll bei börsennotierten Unternehmen die Zahl der Aufsichtsratsmandate von zehn auf fünf reduziert werden. Vor dem Hintergrund, dass damit die Bedeutung des Aufsichtsrats als Organ gestärkt wird, ist dieser Ansatz unterstützenswert.

Zu 3.:
Die Landesregierung teilt inhaltlich die Einschätzung, dass der Aufsichtsrat als dasjenige Gremium, dem die Erforschung und Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund von Fehlern des Vorstands obliegt, gestärkt werden muss. Zur Prüfung, auf welchem Wege die wohl in erster Linie notwendige personelle Entflechtung im Einzelnen geschehen kann, hat die Justizministerkonferenz im November 2008 auf Antrag Niedersachsens eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die voraussichtlich bis zur Justizministerkonferenz im Juni dieses Jahres einen Abschlussbericht vorlegen wird. Dessen Inhalte können dann freilich erst nach Beginn der neuen Legislaturperiode auf Bundesebene Eingang in einen Gesetzentwurf finden.

Dabei spielen die oben skizzierten Fragen um die Zahl der Aufsichtsratsmandate und die Karenzzeit eine wichtige Rolle.

Zu denken ist aber überdies an Fragen, ob Aufsichtsratsmitglieder etwaige Interessenkonflikte, die sie an einer unbefangenen Abstimmung zu bestimmten Punkten hindern könnten, künftig aufdecken müssen. Die Arbeitsgruppe wird auch prüfen, ob weitere Anregungen und Vorgaben für eine Unternehmensführung, die der deutsche Corporate Government Kodex enthält, in gesetzliche Bestimmungen aufzunehmen sind.

Sie wird schließlich Fragen nachgehen, ob Altersgrenzen für Aufsichtsratsmitglieder vorgegeben werden sollen sowie Nebentätigkeiten und Berater- und Dienstleistungsverträge mit Wettbewerbern beschränkt werden müssen.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
27.03.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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