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Situation von hoch qualifizierten Leiharbeitskräften in Niedersachsen

Der Abgeordnete Ronald Schminke (SPD) hatte gefragt:

Die Leiharbeitsbranche verzeichnet seit Jahren steigende Wachstumsraten und konnte sich so zur am schnellsten wachsenden Beschäftigungsform in Deutschland entwickeln. Im Juni 2007 arbeiteten nach Studien der Hans-Böckler-Stiftung 731 000 Menschen in einem Leiharbeitsverhältnis. Zunehmend finden sich auch hoch qualifizierte Arbeitnehmer in einem Leiharbeitsverhältnis wieder. Nach Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit besitzen 7 % aller Leiharbeitskräfte einen akademischen Abschluss - Tendenz steigend. Experten rechnen mit einer baldigen Verdopplung dieses Anteils.

Dies zur Erläuterung des Sachverhaltes vorausgeschickt, frage ich die Landesregierung:

  1. Was versteht die Landesregierung unter dem Begriff der hoch qualifizierten Leiharbeitskräfte?
  2. Wie haben sich die Leiharbeiterzahlen in Niedersachsen in den letzten Jahren entwickelt?
  3. Wie hoch ist der Anteil von hoch qualifizierten Arbeitnehmern in einem Leiharbeitsverhältnis in Niedersachsen?
  4. Wie schätzt die Landesregierung die künftige Entwicklung der Zahl von hoch qualifizierten Leiharbeitnehmern in Niedersachsen, auch im Verhältnis zu Gesamtdeutschland, ein?
  5. Welche Wirkung geht von der Wirtschaftskrise auf die Entwicklung der Leiharbeitsverhältnisse von Hochqualifizierten aus?
  6. Welche Berufsgruppen sind derzeit gefragt, und welche werden künftig besonders gefragt sein?
  7. Welche Branchen verfügen über sehr hohe Anteile von hoch qualifizierten Leiharbeitskräften?
  8. Wie hoch ist der Anteil einpendelnder hoch qualifizierter Leiharbeitskräfte aus anderen Bundesländern nach Niedersachsen?
  9. Wie hoch ist der Anteil auspendelnder hoch qualifizierter Leiharbeitskräfte von Niedersachsen in andere Bundesländer?
  10. Wie lange bleiben hoch qualifizierte Leiharbeitskräfte in Niedersachsen in einem Leiharbeitsverhältnis?
  11. Wie hoch ist die Übernahmequote in reguläre Beschäftigung?
  12. Wie hoch ist die Arbeitslosenquote für Hochqualifizierte nach einem Leiharbeitsverhältnis?
  13. Welche Häufigkeiten ergeben sich für hoch qualifizierte Leiharbeitskräfte in Niedersachsen hinsichtlich Region, Nation, Alter und Geschlecht?
  14. Wie schätzt die Landesregierung mögliche Verdrängungseffekte von geringer qualifizierten Leiharbeitskräften durch Hochqualifizierte ein?

Arbeitsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete am 06. April 2009 die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Seit 1999 ist die Zahl der in Zeitarbeitsfirmen beschäftigten Arbeitskräfte bundesweit um mehr als 150 % gestiegen. 2007 sind in ganz Deutschland 12,0 % der neu abgeschlossenen Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der Leiharbeit zustande gekommen. Damit waren 2007 bundesweit 2,4 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche tätig. Zurückzuführen sind diese Entwicklungen u.a. auf die Deregulierungen im Bereich der Zeitarbeit sowie die Lockerungen des Entleihverbotes im Bauhauptgewerbe.

Die relativ geringe Bedeutung der Zeitarbeit im Hinblick auf ihren Anteil an der Gesamtbeschäftigung, gleichzeitig aber ein hoher Anteil an neuen Beschäftigungsverhältnissen verdeutlicht die wachsende Bedeutung der Zeitarbeitsbranche innerhalb der Gesamtbeschäftigung.

Nach der Statistik aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Niedersachsen, Stand 31.12.2007 (Gesamtzahl 2.285.829), hatten 61,4 % der Personen eine abgeschlossene Berufsausbildung, 7,9 % eine Fachhochschul- oder Universitätsausbildung und 15,1 % keine Berufsausbildung oder haben keine Angaben gemacht (15,7%).

Die hier verwendeten Daten entstammen nicht der Statistik nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Das für die Beantwortung der Anfrage genutzte Datenmaterial beschreibt die Beschäftigung im Wirtschaftszweig "Arbeitnehmerüberlassung" nach dem Stand 30.06.2008 und beinhaltet damit neben den gemeldeten Leiharbeitskräften auch das sogenannte Stammpersonal des Verleihers, also die direkten Mitarbeiter der Verleihfirmen.

Dieses vorausgeschickt werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

zu 1.:

Als hoch qualifizierte Leiharbeiter werden die Personen bezeichnet, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss vorweisen müssen.

zu 2.:

Nach dem Wegfall der Begrenzung der Überlassungshöchstdauer, der Aufhebung des Synchronisationsverbots und der Wiedereinstellungssperre zum 01. Januar 2004 im Rahmen der sogenannten Hartz-Gesetze hat die Leiharbeit in Niedersachsen deutlich zugenommen. Zwischen dem 30.06.2003 und dem 30.06.2008 (aktuellere Daten liegen nicht vor) stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort im Wirtschaftszweig "Überlassung von Arbeitskräften" von 26.905 auf 71.052.

zu 3.:

Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort mit Fachhoch- und Hochschul-Abschluss im Wirtschaftszweig "Überlassung von Arbeitskräften" lag in Niedersach-sen am 30.06.2008 bei 2,7 %.

zu 4.:

Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes waren die Zuwachsraten der betrieblichen Inanspruchnahme von Leiharbeit in schwächeren Konjunkturphasen (Mitte der 1990er- Jahre und Anfang des neuen Jahrtausends) geringer oder sogar negativ. In Zeiten sich erholender Konjunktur nahm die Zahl der Arbeitnehmerüberlassungen eher und dynamischer zu als bei den übrigen Arbeitnehmergruppen. Zu Beginn eines Aufschwungs haben die Unternehmen in Bezug auf die Einstellung zusätzlicher Fachkräfte bisher zunächst zurückhaltend reagiert und ihren steigenden Personalbedarf über Zeitarbeitsfirmen gedeckt. Sobald sich die wirtschaftliche Situation der Unternehmen anhaltend positiv entwickelt hat und auch die weiteren Prognosen einen anhaltend positiven Trend erwarten ließen, haben sie zunehmend den steigenden Arbeitskräftebedarf auch über eigene Einstellungen gedeckt.

Die Leiharbeit als Instrument der mittelfristigen Personalpolitik wird auch für den Bereich der Hochqualifizierten an Bedeutung zunehmen.

zu 5.:

Der Schwerpunkt der Tätigkeiten für Leiharbeiter liegt bei Fertigungsberufen und unterscheidet sich damit deutlich von der Gesamtbeschäftigung, bei der der Strukturwandel mit zunehmender Bedeutung des Dienstleistungssektors und der Dienstleistungstätigkeiten zu beobachten ist.

Belastbare Einschätzungen über die Wirkung der Konjunkturkrise auf die hochqualifizierten Beschäftigten in Zeitarbeitsfirmen sind derzeit nicht möglich.

zu 6.:

Die größte Berufsgruppe innerhalb der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort im Wirtschaftszweig "Überlassung von Arbeitskräften" stellen die der Fertigungsberufe mit 70 % dar. Darunter sind 62% Hilfsarbeiter ohne Tätigkeitsangabe. Gut 1 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort im Wirtschaftszweig "Überlassung von Arbeitskräften" üben einen technischen Beruf aus, weitere 29 % arbeiten in Dienstleistungsberufen, darunter 37 % als Bürofach- bzw. Bürohilfskräfte.

Insgesamt zeigt sich ein breites Qualifikationsspektrum bei den Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmern. Der Anteil von Beschäftigten mit Hilfstätigkeiten und angelernten Tätigkeiten ist jedoch im Vergleich zur Gesamtbeschäftigung höher. Das wird nach Einschätzung der Landesregierung auch in Zukunft so sein.

zu 7.:

Die amtliche Statistik ordnet die Leiharbeiter dem Wirtschaftszweig "Überlassung von Arbeitskräften" zu. Eine weitere Differenzierung nach Branchen erfolgt nicht.

zu 8. u. 9.:

10,3% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Niedersachsen sind Einpendler, die im Wesentlichen aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Bremen kommen. Die Auspendler,
die 16,2 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Niedersachsen ausmachen, arbeiten in der Mehrzahl in Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen.

Es gibt keine auswertbaren statistischen Angaben hinsichtlich der Pendlerbewegungen von Leiharbeitskräften, da diese meldetechnisch bei den Zeitarbeitsunternehmen geführt werden, auch wenn sie den Einsatzort wechseln.

zu 10.:

Tendenziell hat sich die Dauer von Leiharbeitsverhältnissen verlängert. Seit 2006 ist zu beobachten, dass die Mehrzahl der Leiharbeitsverhältnisse für einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten geschlossen wurde. Nach Qualifikationen wurde bei dieser Erhebung nicht differenziert.

Aufgrund der anspruchsvolleren Tätigkeiten, die auch eine längere Einarbeitungszeit bedingen, sind Leiharbeitsverhältnisse von qualifizierten und hoch qualifizierten Arbeitnehmern eher auf eine Beschäftigungsdauer von mehr als 3 Monaten angelegt. Konkrete Daten liegen dazu jedoch nicht vor.

zu 11.:

Die Größenordnung des Klebeeffekts, also des Falles, dass Zeitarbeitnehmer vom Entleihbetrieb übernommen werden, wird unterschiedlich beziffert. Statistische Erhebungen dazu gibt es nicht. In der Literatur schwanken die Zahlen zwischen 13% (SPD-Gewerkschaftsrat) und 25% (Institut der deutschen Wirtschaft Köln). Ein positiver Zusammenhang zwischen Qualifikation und Einsatzdauer sowie der Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beim entleihenden Betrieb ist allerdings erkennbar.

zu 12.:

Konkrete Daten dazu liegen nicht vor.

zu 13.:

Der Anteil der ausländischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort mit Fachhoch-
und Hochschul-Abschluss bezogen auf alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort mit Fachhoch- und Hochschul-Abschluss lag in Niedersachsen im Wirtschaftszweig "Überlassung von Arbeitskräften" am 30.06.2008 bei 5,2 %.

43 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort mit Fachhoch- und Hochschul-Abschluss im Wirtschaftszweig "Überlassung von Arbeitskräften" waren unter 35 Jahre alt,
57 % waren 35 Jahre und älter.

64 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort mit Fachhoch- und Hochschul-Abschluss im Wirtschaftszweig "Überlassung von Arbeitskräften" waren männlich, 36 % weiblich.

Bezogen auf die Regionen verteilten sich die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort
mit Fachhoch- und Hochschul-Abschluss im Wirtschaftszweig "Überlassung von Arbeitskräften" im Wesentlichen auf die Stadt Braunschweig (44 %) die Stadt Wolfsburg (19 %) und die Region Hannover (17 %).

zu 14.:

Der strukturelle Wandel hin zur Wissensgesellschaft mit zunehmenden Qualifikationsanforderungen wird auch in der Zeitarbeitsbranche spürbar sein.

Eine Zunahme von Arbeitsverhältnissen hoch qualifizierter Arbeitskräfte in Zeitarbeit wird nicht automatisch zulasten der gering Qualifizierten erfolgen, da beide Personengruppen auf ganz unterschiedliche Arbeitsmärkte und Tätigkeiten ausgerichtet sind.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
14.05.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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