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Erlebniswelt Weser-Renaissance

Die Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle (LINKE) hatte gefragt:

Als das kulturtouristische Projekt der Erlebniswelt Weser-Renaissance (EWR) im Jahr 2002 initiiert wurde, war sich das SPD-geführte Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr sicher, "dass das eines der erfolgreichsten Projekte in der Tourismuspolitik werden wird" (Drs. 14/2514). An sechs Standorten im Weserbergland sollte die Weserrenaissance erlebbar gemacht werden. Das Hochzeitshaus Hameln sollte dabei zum Zentrum der Erlebniswelt werden. Es wurde den Anforderungen der Erlebniswelt entsprechend entkernt und saniert sowie mit Multimediaanwendungen ausgestattet. Jahrelang wurde die Erlebniswelt Weser-Renaissance als Modellprojekt im Bereich der Kulturwirtschaft von dem ab 2003 FDP-geführten niedersächsischen Wirtschaftsministerium gefördert, nach Auffassung von Beobachtern "schöngeredet" und über die Insolvenz gerettet, die bereits 2007 vom Aufsichtsrat der EWR GmbH angedroht wurde. Seitdem entwickelt sich das Projekt zur "teuersten Pleite in Niedersachsen", wie es der Bund der Steuerzahler 2008 anprangerte ("Seid verschlungen, Millionen", taz.de 10. Oktober 2008).

Aber nicht nur wegen der Pleite des Hochzeitshauses in Hameln, das 2007 als Zentrum der Erlebniswelt geschlossen werden musste und nun weitere 2,5 Millionen Euro benötigt, um für einen neuen Zweck aufbereitet zu werden, steht das Projekt in der öffentlichen Kritik. Auch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und die Frage, ob und inwieweit 8 Millionen Euro zweckentfremdet wurden, trägt zum Imageschaden bei. Dabei dementiert NBank-Sprecher Jörg Wieters die Zweckentfremdung der Fördergelder nicht ("Keine Renaissance für Hameln", Die Tageszeitung, 8. August 2009). Die Verantwortung für Managementfehler und die nicht funktionierende Technik im Hochzeitshaus als entscheidende Auslöser für die Probleme werden bisher vom zuständigen Ministerium bei der Geschäftsführung, den Gesellschaftern und dem Aufsichtsrat gesehen. In diesem Aufsichtsrat war aber auch die Niedersächsische Landesregierung vertreten. Die in den Medien bekannt gewordenen Äußerungen des Wirtschaftsministers Dr. Philipp Rösler beschränken sich jedoch auf die Aussage: "Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende." ("Erlebniswelt wird zum Millionengrab", dpa, 4.August 2009)

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche Bedeutung hat die Pleite der Erlebniswelt Weser-Renaissance für die niedersächsische Tourismuswirtschaft?
  2. Welche finanziellen Auswirkungen hat die Pleite der Erlebniswelt Weser-Renaissance auf die davon betroffenen Landkreise Hamel-Pyrmont, Schaumburg und Holzminden?
  3. Worin sehen das Wirtschaftsministerium und insbesondere Minister Dr. Philipp Rösler ihre Verantwortung für das Scheitern des Leuchtturmprojektes Erlebniswelt Weser-Renaissance?

Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Die Realisierung der Erlebniswelt Renaissance (EWR) geht zurück auf die Studie "Erlebniswelt Renaissance" von Frau Prof. Romeiß-Stracke, München, beauftragt vom Deutschen Tourismusverband und finanziert vom Bundeswirtschaftsministerium. Kernaussage der Studie: Die Weser-Renaissance als größter Zusammenhang von Renaissancebauten nördlich der Alpen stellt als originäres kulturelles Potenzial ein seltenes Alleinstellungsmerkmal dar, das touristisch effektiver genutzt werden sollte. Die Studie wurde erstmals in großem Rahmen auf der ITB 2001 präsentiert. Diese Überlegungen wurden seinerzeit von der Region aufgegriffen, vom MW unterstützt und von der 2001 gegründeten EWR GmbH umgesetzt.

Da in der touristischen Nutzung des Alleinstellungsmerkmals Weser-Renaissance in Übereinstimmung mit der Fachwelt die Chance gesehen wurde, das Weserbergland im touristischen Markt besser zu positionieren und die Region wirtschafts- und strukturpolitisch weiterzuentwickeln wurde das kulturtouristische Netzwerk EWR mit Mitteln der EU, des Bundes und des Landes gefördert.

Entscheidender Auslöser des Scheiterns des Projekts war die Eröffnung des Hochzeitshauses Hameln am 01.09.2005 mit nicht funktionierender Technik. Von der EWR GmbH zu Rate gezogene Experten kündigten in der Folgezeit immer wieder die baldige Funktionstüchtigkeit der Technik an, die jedoch nie erreicht wurde. Bis zum 01.10.2007 lief das Hochzeitshaus unter Vollast mit den entsprechenden Kosten, denen mangels Besuchern keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstanden.

Der Aufsichtsrat der EWR hat unmittelbar nach Erhalt von Hinweisen auf finanzielle Unregelmäßigkeiten eine Untersuchungskommission eingesetzt. Der Bericht der Kommission wurde der Staatsanwaltschaft Hannover übergeben. In deren Auftrag ermittelt das Landeskriminalamt seit Jahresbeginn 2008 wegen des Verdachts auf Untreue und Subventionsbetrug. Die NBank hat gegenüber der R-Service GmbH (Rechtsnachfolger der EWR GmbH) Rückforderungen in Höhe von rd. 8 Mio. Euro geltend gemacht.

Dies vorausgeschickt werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1:
Wenngleich die EWR hauptsächlich im Hochzeitshaus Hameln die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat, sind doch mit den Maßnahmen in Schloss Bevern, Schloss Bückeburg und der Martinikirche mit Mausoleum in Stadthagen bedeutende und gut besuchte Zeugnisse der Weser-Renaissance attraktiviert und touristisch aufgewertet worden. Dies gilt ebenso für das Renaissanceschloss Schwöbber, das seit 2004 ein im Zusammenhang mit der EWR gefördertes Hotel der Spitzenklasse mit Sternegastronomie (Schlosshotel Münchhausen) beherbergt.

Zu 2:
Die finanziellen Auswirkungen beschränken sich auf die geleisteten Einlagen, gezahlten Verlustabdeckungen und Investitionskostenzuschüsse sowie die zu erwartende Inanspruchnahme aus zwei noch offenen Bürgschaftsverpflichtungen i.H.v. zusammen rd. 1,2 Mio. Euro.

Insbesondere bestehen für die drei Gesellschafter (Landkreise Hameln-Pyrmont, Schaumburg und Holzminden) keine Nachschusspflichten auf das Stammkapital und keine Verlustübernahmeverpflichtungen. Die ursprünglich im Gesellschaftsvertragsentwurf enthaltenen Verpflichtungen, die Gesellschaft für den Zweckbindungszeitraum der Fördermittel, also 15 Jahre lang zu betreiben und den Verlust aus dem Betrieb des Hochzeitshauses und des Schlosses Bevern auszugleichen, wurden auf Drängen der Kommunalaufsicht im Anzeigeverfahren der Unternehmensbeteiligung gestrichen.

Der Landkreis Hameln-Pyrmont hat seine Verpflichtung aus seiner Bürgschaft Ende 2007 freiwillig vorzeitig eingelöst, da er bereits zu diesem Zeitpunkt eine spätere Inanspruchnahme aus der Bürgschaft für unausweichlich hielt. Mit der Zahlung wurde der Liquiditätskredit der EWR GmbH abgelöst, um der geplanten Nachfolgeorganisation (R-Service GmbH) einen unbelasteten Start zu ermöglichen. Des Weiteren sind Zuweisungen für Investitionskosten für die bauliche Umsetzung der verschiedenen Projekte verwendet worden, die mit Ausnahme des Hochzeitshauses in Hameln weiterbetrieben werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass neben den bereits seit 2004 verausgabten Haushaltsmitteln sowie den vermutlich noch abzulösenden zwei Bürgschaften keine weiteren finanziellen Auswirkungen für die betroffenen Landkreise bestehen.

Zu 3:
Das Wirtschaftsministerium hat dem Projekt EWR wegen seines innovativen Ansatzes, der Anknüpfung an ein Alleinstellungsmerkmal und der mit ihm erwarteten Steigerung der touristischen Attraktivität entsprechender Wertschöpfung eine strategische Bedeutung beigemessen. Deshalb wurde auch das Angebot zur Wahrnehmung eines Sitzes des im April 2004 eingesetzten achtköpfigen Aufsichtsrats angenommen und Hilfestellung in verschiedensten Fragen geleistet. Grundsätzlich war die Rolle des MW in erster Linie jedoch die des Zuwendungsgebers. Nach Vorlage der Verwendungsnachweisprüfung durch die NBank mit dem Ergebnis erheblicher Rückforderungsansprüche hat Minister Dr. Rösler entschieden, kein weiteres finanzielles Engagement im Zusammenhang mit der EWR einzugehen. Die Verantwortung für eine erfolgreiche Umsetzung trugen die Gesellschafter.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
28.08.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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