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Defizite beim Verbraucherschutz

Die Abgeordneten Christian Meyer und Helge Limburg (GRÜNE) hatten gefragt:

Bei einem Redaktionsbesuch der Ostfriesen-Zeitung in Leer am 24.08.2009 forderte der FDP-Bundestagsabgeordnete Hans-Michael Goldmann zusammen mit dem Vorsitzenden des Verbraucherzentralen-Bundesverbandes Gerd Billen mehr Geld für den Verbraucherschutz in Niedersachsen.

Goldmann, der in der FDP-Bundestagsfraktion für das Thema Verbraucherschutz zuständig ist, kritisierte besonders seine Parteifreunde der schwarz-gelben niedersächsischen Landesregierung. Es reiche nicht, wenn der Verbraucherschutz beim Sparen schonend behandelt werde: "Es muss aufgestockt werden." Konkret forderte Goldmann eine Verbraucherberatungsstelle in der Stadt Leer.

Verbraucherzentralen-Bundeschef Billen kritisiert, dass Niedersachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern "zu schläfrig" ist, und hebt hervor, dass die Nachfrage nach verlässlichen Ansprechpartnern aus unabhängigen Verbraucherzentralen und -verbänden gestiegen ist und dass insbesondere Familien und Senioren auf die Beratung angewiesen sind.

Besonders hinsichtlich der neuen Täuschungen der Verbraucherinnen und Verbraucher mit Analogkäse, länger haltbare Milch, die als Frischmilch gekennzeichnet ist, Fällen von Datenmissbrauch und unseriöser Finanzberatung besteht dringender Bedarf zum Ausbau der Verbraucherzentralen, so die Kritik des Bundesvorsitzenden. Unabhängige Verbraucherzentralen und -verbände sind unverzichtbar für die Verbraucherinformation und Interessenvertretung. Doch sie stehen unter hohem finanziellen Druck, und das Ziel eines flächendeckenden Ausbaus mit Beratungsstellen und Fachpersonal entsprechend der Nachfrage ist in Niedersachsen seit 50 Jahren immer noch nicht erreicht worden.

Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte die Landeszuschüsse für die Verbraucherzentralen von 1,6 Millionen (2002) auf 1 Million Euro (2007) um mehr als 37 % gekürzt. Die Zahl der Beratungsstellen wurde von 28 (2002) auf heute 20 Beratungsstellen drastisch verringert. Die vom FDP-Politiker Goldmann kritisierten Kürzungen und der Abbau der Beratung im ländlichen Raum sind also von seiner eigenen Landesregierung verursacht.

Eine kürzlich (25.08.2009) in Berlin vorgestellte Studie von Infratest Dimap zur Bedeutung des Verbraucherschutzes für die Wahlentscheidung zur Bundestagswahl ergab, dass 83 % der Wahlberechtigten mit dem Verbraucherschutz unzufrieden sind und sich Verbesserungen wünschen. Nur 14 % sehen die CDU/CSU und nur 4 % die FDP als verbraucherpolitisch kompetent. Die höchste Kompetenz wurde in der Umfrage mit 28 % Bündnis 90/Die Grünen zugeschrieben.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung die zitierten Äußerungen des FDP-Politikers Goldmann für mehr Geld für den Verbraucherschutz in Niedersachsen? Ist das populistisches Wahlkampfgetöse, oder hat es einen realen Gehalt?
  2. Der Bundesvorsitzende der Verbraucherzentralen kritisierte, dass Niedersachsen im Vergleich zu anderen Bundsländern "zu schläfrig" ist. Wie rechtfertigt die Landesregierung sich gegen diese Kritik, und wie sieht sie den Vergleich mit anderen Bundesländern?
  3. Sieht die Landesregierung angesichts der Bankenkrise, Datenmissbrauch, zunehmender Imitatprodukten sowie Internet- und Telefonwerbung einen gestiegenen Beratungs- und Arbeitsbedarf der Verbraucherzentralen? Wenn ja, wie will sie diesen bewältigen?
  4. Wie hoch sind die finanziellen Zuwendungen der Landesregierung für die unabhängige Verbraucherberatung pro Einwohner im Vergleich zu anderen Bundesländern?
  5. Welchen Platz belegt Niedersachsen in einem solchen Ranking?
  6. Was plant die Landesregierung, um den Verbraucherschutz in Niedersachsen zu verbessern auch vor dem Hintergrund der hohen Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Themenfeld?
  7. Plant die Landesregierung, durch ihre Förderung die Zahl der unabhängigen Verbraucherbe-ratungsstellen in Niedersachsen zu erhöhen?
  8. Unterstützt die Landesregierung die Einrichtung einer Verbraucherberatungsstelle in Leer, wie von Herrn Goldmann gefordert?
  9. Unterstützt die Landesregierung die Forderungen der Bundesregierung nach besseren Kennzeichnungspflichten für Lebensmittelimitate und ESL-Milch?
  10. Welche verbraucherschutzpolitischen Aktivitäten hat die Landesregierung im Bundesrat in dieser Legislaturperiode unternommen?
  11. Welche Position hat die Landesregierung im Bundesrat zur Neuregelung unerlaubter Werbeanrufe eingenommen, zu dem seit dem 24.06.2008 ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drs. 16/263) vorliegt?
  12. Sieht die schwarz-gelbe Landesregierung einen Zusammenhang zwischen der Ausstattung des Verbraucherschutzes und der zitierten repräsentativen Kompetenzzuschreibungen der sie tragenden Parteien?

Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 30.10.2009 wie folgt:

Das Land Niedersachsen trägt den Verbraucherschutz in vielfältiger Form. So fließen jährlich rund 1,6 Mio. € Landesmittel in Form von institutioneller und Projektförderung in die Finanzierung der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Hinzu kommen Mittel des Bundes und der Kommunen. Seit 2003 wurde eine stufenweise Absenkung der institutionellen Förderung bei Ausweitung der Projektförderung beschlossen, so dass sich die jährliche Zuwendung im Zeitraum von 2003 bis 2009 lediglich um rd. 120.000 € (ca. 5%) verringert hat. Auch kam es in diesem Zeitraum zu keiner durch die Absenkung der Landesmittel verursachten Schließung einer Beratungsstelle.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe wichtiger Einrichtungen des Landes, die direkt oder indirekt dem Schutz der Verbraucher dienen, insbesondere die Lebensmittelkontrolle, das Eichwesen, die Geräte- und Produktprüfung, die Gewerbeaufsicht oder der Landes-beauftragte für den Datenschutz.

Alle diese Einrichtungen arbeiten auf hohem Niveau und sind in der Lage, auf neue Entwicklungen und Herausforderungen schnell zu reagieren. So werden Beschaffenheits- und Bezeichnungsmängel z.B. bei Schinkenersatz oder Analogkäse von den niedersächsischen Überwachungsbehörden bereits seit Jahren intensiv verfolgt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Der Bundestagsabgeordnete Goldmann setzt sich erfolgreich für die Interessen seines Wahlkreises und Niedersachsens im Bundestag ein. In dieser Funktion fordert er seit langem eine stärkere Berücksichtigung der Belange von Verbrauchern und eine bessere finanzielle Ausstattung der Verbraucherberatung.

Zu Interview-Aussagen einzelner Bundestagsabgeordneter kann die Landesregierung keine Stellung beziehen.

Zu 2.:
Die Landesregierung kann die Bewertung von Herrn Billen bezüglich des Verbraucherschutzes in Niedersachsen nicht nachvollziehen. Auch im Vergleich zu anderen Bundesländern sieht die Landesregierung für Niedersachsen keine signifikanten Schwächen. So befindet sich Niedersachsen auch in dem von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Auftrag gegebenen Verbraucherschutzindex 2008 stabil im Mittelfeld. Insbesondere bei den für den Verbraucherschutz besonders wichtigen Kontrollbehörden schneidet Niedersachsen mit einem dritten Platz hervorragend ab.

Zu 3.:
Im Laufe der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass sich der Beratungsbedarf in den Verbraucherzentralen weg von der klassischen Beratung im Bereich Ernährung und Produktberatung hin zu neuen Märkten und Produkten wie Telekommunikation, Internet und Datenschutz, Energie sowie Versicherungen und Finanzen bewegt. Da hier die Fragestellungen immer spezifischer werden, steigt tendenziell auch der Bedarf an Beratungen.

Gemeinsam mit dem Bund setzt das Land daher auf die Förderung von Projekten in den Bereichen, in denen aktuell besonders hoher Beratungsbedarf gesehen wird. Diese projektfinanzierte Arbeit im Verbraucherschutz ermöglicht einerseits, jährlich aktuelle Schwerpunkte in der Verbraucherarbeit zu setzen und andererseits eine regelmäßige Erfolgskontrolle, um einen hohen Qualitätsstandard in der Verbraucherberatung und -information sicherzustellen.

Die Landesregierung geht davon aus, dass mit den derzeitigen Maßnahmen ein hoher Standard im Verbraucherschutz erzielt wird.

Zu 4.:
Bundesländer Förderung der Verbraucherzentralen pro Einwohner 2009
Nordrhein-Westfalen 0,60 €
Bayern 0,21 €
Baden-Württemberg 0,21 €
Niedersachsen 0,20 €
Hessen 0,19 €
Sachsen 0,68 €
Rheinland-Pfalz 0,51 €
Berlin 0,35 €
Schleswig-Holstein 0,33 €
Brandenburg 0,54 €
Sachsen-Anhalt 0,55 €
Thüringen 0,38 €
Hamburg 0,65 €
Mecklenburg-Vorpommern 0,35 €
Saarland 0,45 €
Bremen 0,58 €

Zu 5.:
Niedersachen belegt mit 0,20 € den 15. Platz, vor Hessen (0,19 €) und direkt hinter Bayern und Baden-Württemberg (0,21 €).

Zu 6.:
Die Niedersächsische Landesregierung misst dem gesundheitlichen Verbraucherschutz einen sehr hohen Stellenwert bei. Es ist nicht nur gelungen, diesen Bereich weitgehend von Kürzungen zu verschonen. Durch personelle Verstärkung des LAVES mit acht Stellen in wichtigen Bereichen wird der gesundheitliche Verbraucherschutz auch im kommenden Jahr den aktuellen Entwicklungen angepasst:

Aufgrund der Zunahme der für die Tierseuchen mit Zoonose – Charakter zu bewältigen-den PCR – Analytik hat das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher-heit (LAVES) drei unbefristet besetzbare Stellen erhalten.

Die Koordinierungsstelle Zoonosen ist im LAVES eingerichtet worden, um die Implementierung der Zoonosenüberwachung und -bekämpfung in Niedersachsen umfassend konzeptionell und kommunikativ begleiten zu können.

Das LAVES ist seit 2002 auch zuständige Behörde im Sinne des Öko-Landbaugesetzes und mit der Durchführung der Verordnung des Rates über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel befasst. Dieser Bereich wurde aufgrund der am Markt zu beobachtenden deutlichen Steigerung der Nachfrage nach Bioprodukten mit zwei zusätzlichen Stellen verstärkt.

Die "Task-Force – Tierseuchen " soll auch in Zukunft dazu beitragen, eine effektive Tierseuchenbekämpfung entsprechend den Vorgaben der EU sowie des "Bundesmaßnah-menkatalogs Tierseuchen" zu gewährleisten. Dazu ist eine zusätzliche Stelle bereit gestellt worden.

Zu einem drastischen Anstieg der Untersuchungsaufträge ist es u. a. durch die Dioxin-/dl-PCB-Problematik in Überschwemmungsgebieten der Ems und anderen flussnahen Gebieten auch im Dioxin-Labor des Lebensmittelinstitutes Oldenburg gekommen. Auch hier wurde eine zusätzliche Stelle in den Haushalt eingestellt.

Darüber hinaus werden mit dem Bau des neuen Veterinärinstituts Oldenburg in den nächsten drei Jahren insgesamt 32,9 Mio. Euro zusätzlich investiert.

Im Bereich des technischen Verbraucherschutzes plant die Landesregierung gemeinsam mit den anderen Ländern, die Marktüberwachung im Bereich des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes (GPSG) zu optimieren.

Die Marktüberwachung schützt die Verbraucherinnen und Verbraucher vor unsicheren Produkten. Sie unterbindet und verhindert das Inverkehrbringen von Produkten, die nicht den europäischen Vorschriften entsprechen.

Die 85. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) hat im Jahre 2008 die Bedeutung der Marktüberwachung im Bereich des GPSG für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Wirtschaft unterstrichen. Sie hat beschlossen, dass die Marktüberwachung eines länderübergreifenden Konzepts bedarf, um ein einheitliches Sicherheitsniveau in Deutschland und auf dem europäischen Binnenmarkt zu erreichen und um regionale Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche behördliche Beurteilungen bei Fragen der Produktsicherheit zu vermeiden. Die ASMK hat den Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) beauftragt, ein Konzept für eine ländergetragene Stelle zur Marktüberwachung vorzulegen. Ferner soll der LASI ein Konzept für eine schnittstellenfreie sektorale Produktspezialisierung der Länder und eine fachliche Spezialisierung der Geräteuntersuchungsstellen ausarbeiten und bis zum 1. Januar 2010 um-setzen.

Im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes werden die unter Frage 3 aufgeführten Aktivitäten fortgeführt. Darüber hinaus engagiert sich das Land im Rahmen der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) in verschiedenen Projektgruppen, über die die Länder an Gesetzesvorhaben des Bundes sowie an Richtlinienentwürfen der Europäischen Kommission mitwirken.

Zu 7.:
Die Landesregierung selbst nimmt keinen direkten Einfluss auf die Anzahl der Beratungsstellen im Land. Die laufenden Kosten einer Beratungsstelle bestreitet die VZN aus den Mitteln der institutionellen Förderung des Landes sowie der Förderung der jeweiligen Kommune. Beratungsstellen werden nur dort aufrechterhalten, wo eine ausreichen-de Unterstützung durch die jeweilige Kommune in Form von Finanz- oder Sachleistungen gegeben ist. Voraussetzung für den Aufbau einer neuen Beratungsstelle ist dem-entsprechend die Zusage einer Kommune, die notwendige Unterstützung zu leisten.

Zu 8.:
Auf die Beantwortung der Frage 7 wird verwiesen.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch von Seiten der VZN keine ausdrückliche Forderung nach einer Beratungsstelle in Leer erhoben wird sondern sie sich generell ein dichteres Netz an Beratungsstellen wünscht.

Zu 9.:
Nach derzeitiger Rechtsauslegung, die vor allem durch den Europäischen Gerichtshof geprägt wurde, genügt es meistens, nachgemachte Lebensmittel im Zutatenverzeichnis zu umschreiben.

Imitate sollten zukünftig direkt in Verbindung mit der in Bezug genommenen Verkehrsbezeichnung auf der Schauseite der Verpackung kenntlich gemacht werden und nicht erst anhand des sorgfältigen Lesens der Zutatenliste identifizierbar sein. Auch die Verwendung von Imitaten bei loser Ware z.B. in Gaststätten muss ausreichend kenntlich gemacht werden.

Hierzu soll der derzeit diskutierte Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel 2008/0028 (COD) angepasst werden. Der Bundesrat hat in einer Ent-schließung vom 31.07.09 (Bundesrats Drucksache 676/09) mit Zustimmung Niedersachsens die Bundesregierung gebeten, sich bei der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass transparentere und strengere Regelungen bei der Kennzeichnung von Lebensmittelimitaten in den aktuell diskutierten Verordnungsvorschlag integriert werden und zeitnah in Kraft treten.

Eine transparente und verbraucherfreundliche Kennzeichnung der ESL-Milch wird unterstützt. Da ESL-Milch weltweit gehandelt wird, sollte eine rechtsverbindliche Vorgabe zur Kennzeichnung dieser Milch auf EU-Ebene erfolgen. Eine Änderung des Kennzeichnungsrechts auf allein nationaler Ebene würde zu Wettbewerbsnachteilen für die hiesige Milchwirtschaft führen.

Zu 10.:
Die Niedersächsische Landesregierung hat sich im Bundesratsverfahren zu einer Vielzahl verbraucherschutzrelevanter Vorhaben positioniert. Eine Auflistung der Vorhaben findet sich im Anhang.

Zu 11.:
Niedersachsen hat dem Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen im Bundesrat zugestimmt.

Zu 12.:
Die Umfrage wurde bundesweit durchgeführt und lässt somit kaum Rückschlüsse auf die Landespolitik zu. Gegenstand der Befragung waren zudem Politikfelder, in denen ein besonderer Handlungsbedarf gesehen wird und nicht die Zufriedenheit mit der Verbraucherschutzpolitik einzelner Länder. Daher vermag die Landesregierung hier keinen Zusammenhang zu erkennen.

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  Anhang
(PDF, 0,04 MB)

Artikel-Informationen

erstellt am:
26.11.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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