Räum- und Streudienst in der Stadt Hannover
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 21.01.2010 - TOP 23
Die Abgeordneten Martin Bäumer, Gisela Konrath, Karl-Heinrich Langspecht, Björn Thümler und Dirk Toepffer (CDU) hatten gefragt:
Der Winter hat die Landeshauptstadt Hannover um die Jahreswende fest in den Griff genommen. In den Tagen des ungewohnt starken und anhaltenden Schneefalls bot Hannover ein Bild in Weiß. Die Autobahnen werden geräumt und gestreut, auch mit Salz. Die Straßen in der Stadt hingegen bieten immer wieder die Gefahren einer Rutschpartie.
Das Umweltdezernat in Hannover musste nach Angaben der Braunschweiger Zeitung vom 6. Januar 2010 sogar für die nötigsten Streuarbeiten erst einen Antrag des zuständigen Unternehmens bewilligen. Schließlich hob die Landeshauptstadt zwischenzeitlich auch das Streusalzverbot "vorübergehend" auf. Begründet ist die letzte Option mit der Sicherheit der Menschen.
Genau diese Sicherheit ist auch in der Fußgängerzone im Zentrum gefährdet. Fehlende bzw. unzureichende Winterarbeiten haben die glatten Steine zu einer einzigen Eisfläche werden lassen. Die Ladenzeilen in der Innenstadt sind oft nur mit erheblichen Risiken für das körperliche Wohl verbunden.
Wir fragen die Landesregierung:
- Hat sie eine Erklärung dafür, warum in der Landeshauptstadt die Sicherheit der Menschen eines so langen Entscheidungsprozesses bedarf, dass die komplette Innenstadt einem Ausnahmezustand gleicht?
- Sind der Landesregierung die Auswirkungen des städtischen Räum- und Streuverhaltens auf die Einsatzahlen der Notdienste (Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste), die Verkehrssituationen zu den Stoßzeiten sowie die Auswirkungen auf das Einkaufsverhalten der Menschen in Hannover bekannt?
- Welche Kriterien sind nach Ansicht der Landesregierung bei dem Einsatz des Räum- und Streudienstes zu berücksichtigen, und hat die Landeshauptstadt diesen Abwägungen genügend Rechnung getragen?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Nach dem Niedersächsischen Straßengesetz (NStrG) sind die Gemeinden für die Straßen innerhalb geschlossener Ortslagen einschließlich der Ortsdurchfahrten von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen reinigungspflichtig. Zur Reinigung gehört gem. § 52 Abs. 1 NStrG auch die Schneeräumung auf den Fahrbahnen und Gehwegen sowie bei Glätte das Bestreuen der Gehwege, der Fußgängerüberwege und der gefährlichen Fahrbahnstellen mit nicht unbedeutendem Verkehr. Die Landeshauptstadt Hannover hat für die ihr obliegenden Straßenreinigungspflichten von der in § 52 Abs. 4 NStrG eingeräumten Möglichkeit der Übertragung Gebrauch gemacht und diese in einer Straßenreinigungssatzung geregelt (Satzung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region Hannover über die Straßenreinigung in der Landeshauptstadt Hannover in der Fassung vom 01.01.2010).
Im Straßenreinigungsgebiet der Stadt werden hiernach
- die Reinigung der Fahrbahnen einschließlich der Gossen, der dazugehörigen Radwege, der Sicherheitsstreifen, der öffentlichen Parkplätze, der Baumscheiben und des Straßenbegleitgrüns, soweit sie Bestandteil der öffentlichen Straße sind,
- die Schneeräumung auf den Fahrbahnen und Radwegen,
- das Bestreuen der Fußgängerüberwege und der gefährlichen Fahrbahnstellen mit nicht unbedeutendem Verkehr bei Schnee- und Eisglätte, jedoch nicht während der Nachtstunden an Werktagen von 22 Uhr bis 7 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 22 Uhr bis 8 Uhr
vom Zweckverband Abfallwirtschaft der Region Hannover durchgeführt.
Für die dem Fußgängerverkehr dienenden Straßenflächen sind diese Reinigungspflichten den Eigentümern der anliegenden Grundstücke übertragen, § 4 Abs. 1 der Satzung. Dies gilt gem. § 4 a der Satzung nicht für das Gebiet der Innenstadt innerhalb des Cityringes. Auf den öffentlichen Gehwegen dieser Straßen wird die Reinigung einschließlich des Winterdienstes durch den Zweckverband durchgeführt.
Der Umfang der Reinigung richtet sich nach der Straßenreinigungsverordnung der Landeshauptstadt Hannover, Verordnung über Art und Umfang der Straßenreinigung in der Landeshauptstadt Hannover in der Fassung vom 16.11.2004. § 5 Abs. 1 bestimmt, dass die dem Fußgängerverkehr dienenden Straßenflächen bei Schnee sowie Schnee- und Eisglätte so begehbar zu halten sind, dass Fußgänger nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar gefährdet oder behindert werden. In Absatz 2 finden sich Aussagen zur Räumpflicht bei Schneefall, in Absatz 3 Regelungen zur Streupflicht: Bei Schnee- und Eisglätte sind die dem Fußgängerverkehr dienenden Straßenflächen mit abstumpfenden Stoffen in gleicher Breite zu streuen, in der sie der Schneeräumung unterliegen. Nur auf Treppen und Rampen ist die Verwendung auftauender Stoffe (z.B. Salz) gestattet. Zur Beseitigung von Schnee- und Eisglätte dürfen umweltschädliche Chemikalien nicht verwendet werden.
Dieses vorausgeschickt beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1 und 3:
Innerhalb der geschlossenen Ortslage bestehen zum Schutz der Sicherheit und Ordnung und zur Förderung des kommunalen Lebens besondere Bedürfnisse, die deshalb per Gesetz als selbständige Aufgabe den Gemeinden übertragen ist. Eine Zuständigkeit der Landesregierung ist nicht gegeben.
Die Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht im Rahmen der straßengesetzlichen Reinigung obliegt daher allein der Landeshauptstadt Hannover. Dies bezieht sich auch auf die Auswahl der zum Streuen verwendeten Mittel. § 5 Abs. 3 der Straßenreinigungsverordnung der Landeshauptstadt Hannover bestimmt, dass zur Beseitigung von Schnee, Eis, Schnee- und Eisglätte umweltschädliche Chemikalien (Streusalz = Wassergefährdungsklasse 1) nicht verwendet werden dürfen. Gem. § 7 kann das Zuwiderhandeln als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße geahndet werden.
Außerhalb der geschlossenen Ortschaften leistet die staatliche Straßenbauverwaltung nach besten Kräften Winterdienst- als besondere Aufgabe neben der Straßenbaulast, § 3 Bundesfernstraßengesetz (FStrG). Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht besteht jedoch auch außerhalb der Ortslagen eine Streupflicht bei Glatteis, allerdings lediglich beschränkt auf besonders gefährliche Stellen.
Insofern gibt es keine einheitlichen Kriterien für den Einsatz des Räum- und Streudienstes.
In technischer Hinsicht sind für die Verwaltungen der Länder die Richtlinien für den Winterdienst auf Straßen, Entwurf Stand März 2009 der Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen maßgebend. Zu den Wirkungsweisen der Streumittel ist dort folgendes ausgeführt:
Salz als auftauender Streustoff löst sich in Wasser, setzt den Gefrierpunkt der Lösung herab und bewirkt so das Auftauen von auf der Fahrbahn vorhandenem Schnee oder Eis bzw. verhindert das Gefrieren vorhandener Feuchtigkeit. Es entsteht dabei eine feuchte Fahrbahn. Natriumchlorid ist neben Kalzium und Magnesiumchlorid der am häufigsten eingesetzte und preiswerteste Streustoff.
Dagegen werden abstumpfende Streustoffe wie Splitt durch Verkehrseinwirkung mit der Oberfläche der Glätteschicht verzahnt. So kann das Kraftschlußangebot auf winterlichen Fahrbahnen je nach Fahrbahnzustand, Streudichte und Verkehrsbelastung für gewisse Zeit erhöht werden. Bei Eis- und Reifglätte sind abstumpfende Stoffe nahezu wirkungslos. Da die abstumpfenden Streustoffe von den Fahrzeugen schon nach kurzer Zeit an den Straßenrand geschleudert werden, sind je nach Verkehrsdichte häufig Wiederholungsstreuungen notwendig.
In Kommunen ist auf Hauptverkehrstraßen und Steigungsstrecken nach einem Streueinsatz mit Salz eine reduzierte Unfallrate festzustellen, während Splitt keine positiven Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hat. Auf Straßen mit geringer Verkehrsbedeutung erweist sich der Verzicht auf Streustoffe verkehrlich als grundsätzlich unproblematisch. Die Wirkung abstumpfender Streustoffe wird jedoch von Verkehrsteilnehmern häufig überschätzt.
Zu 2:
Polizeiliche Einsätze werden in der Polizeidirektion Hannover mittels eines sog. Einsatzleitrechners erfasst und dokumentiert. Eine Selektion von durch Witterung bedingten Einsätzen ist nicht möglich. Auswirkungen des städtischen Räum- und Streuverhaltens auf die Einsatzzahlen der Polizei im Gebiet der Landeshauptstadt sind nicht bekannt geworden.
Die Stadt Hannover unterhält eine leistungsfähige Feuerwehr, die sich auf die jeweils örtlichen Verhältnisse einstellt. Das Wetter wird durch die Feuerwehr- und Rettungsleitstelle ständig beobachtet um situationsgerecht reagieren zu können. Sämtliche Fahrzeuge sind mit angemessener Bereifung ausgerüstet. Grundsätzlich verfügen die Großfahrzeuge über Allradantrieb und können bei Bedarf mit Schneeketten versehen werden.
Daneben ist die Stadt Hannover gemäß des Niedersächsisches Rettungsdienstgesetzes (NRettDG) auch Trägerin des Rettungsdienstes. Sie erledigt diese Aufgabe im eigenen Wirkungskreis und ist generell nicht verpflichtet über ihre Aufgabenerledigung zu berichten oder Statistiken vorzuhalten. Erkenntnisse darüber, ob und welche Auswirkungen der städtische Winterräumdienst auf die Einsatzzahlen auf die Notfallrettung des Rettungsdienstes hat, liegen daher nicht vor.
Auch über die Auswirkungen des städtischen Räum- und Streuverhaltens auf das Einkaufsverhalten der Menschen in Hannover liegen der Landesregierung keine quantifizierbaren Erkenntnisse vor.
Artikel-Informationen
erstellt am:
21.01.2010
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010