Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung Niedersachsen klar Logo

Kosten der digitalen Dividende

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.02.2010 - TOP 33


Die Abgeordneten Ursula Helmhold und Dr. Gabriele Heinen-Kljajic (GRÜNE) hatten gefragt:

Der Landtag hat in seiner 38. Sitzung am 14. Mai 2009 eine Entschließung mit dem Titel "Mobilfunk darf der Kultur nicht dazwischenfunken - Umfassende Prüfung der Auswirkungen einer Umverteilung des Frequenzbandes von 790 bis 862 MHz erforderlich" (Drs. 16/1279) beschlossen. Ein wichtiger Punkt dieser Entschließung war, dass die Landesregierung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung nur zustimmen solle, wenn verschiedene Bedingungen erfüllt seien. Dazu gehörte als Kernforderung, dass der Bund die Umstellungskosten den die Frequenzen bisher nutzenden Kultureinrichtungen bzw. den sie tragenden Kommunen oder Ländern in geeigneter Form erstattet. Hierzu sollten die Erlöse aus der geplanten Versteigerung verwendet werden. Außerdem sollte den Nutzern von drahtlosen Mikrofonen bereits vor Beginn des Versteigerungsverfahrens ein gleichwertiges Ersatzspektrum verbindlich benannt werden.

In der Sitzung vom 12. Juni 2009 beschloss der Bundesrat die Verordnung sowie eine Entschließung, die die in der Entschließung des Niedersächsischen Landtages aufgeführten Punkte beinhaltete. Der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte (BMWi) gab für die Bundesregierung im Protokoll folgende Erklärung ab: "Der Bund wird die Kosten, die sich nachweislich aus notwendigen Umstellungen bis Ende Jahres 2015 bei denjenigen ergeben, die die Frequenzen 790 bis 862 MHz bisher nutzen, Rundfunksendeunternehmen und Sekundärnutzer insbesondere Kultur und Bildungseinrichtungen, in angemessener Form tragen."

Inzwischen scheint es so zu sein, dass sich der Bund an diese Zusagen nicht halten will, indem er Bedingungen formulieren will, die im Ergebnis dazu führen werden, dass es nur in ganz wenigen Einzelfällen zu minimalen Erstattungen kommen wird. Alle anderen Unternehmen und die öffentlichen Einrichtungen sollen leer ausgehen. Laut Angaben des APWPT (Association of Professional Wireless Production Technologies) habe der Vertreter des BMF die restriktive Haltung u. a. damit begründet, dass der damalige Staatssekretär des BMF der Vereinba-rung mit den Ländern nicht zugestimmt hätte, wenn er die Kosten der Umstellung vorher gekannt hätte. Das BMWi hat zugestanden, dass ihm die Kostenschätzung des APWPT zu diesem Zeitpunkt bereits vorlag.

Sollte es zu keiner angemessenen Erstattung kommen, hätte dies gravierende Auswirkungen auf Länder, Kommunen sowie die Produktionswirtschaft. Bleibt es bei der geplanten Verwaltungsvorschrift, müssen die Länder und Kommunen die gesamten Umstellungskosten für die Mikrofonanlagen in ihren Einrichtungen tragen, während der Bund die Einnahmen aus der Versteigerung der "digitalen Dividende" erhält.

Es belaufen sich beispielsweise die Kosten für die Umstellung der drahtlosen Produktionstechnik der Universität Hannover auf etwa 100 000 Euro.

Der Bundesratsbeschluss fordert, dass speziell für die Nutzer von drahtlosen Mikrofonen bereits vor Beginn des Versteigerungsverfahrens ein gleichwertiges Ersatzspektrum verbindlich zu benennen sei. Derzeit haben Nutzer drahtloser Mikrofone bundesweit kostenfreien Zugang zu sechs UHF Kanälen oberhalb von 790 MHz. Nach dem Frequenznutzungsplan der Bundesnetzagentur wird zukünftig der Bereich 470 bis 790 MHz dafür zur Verfügung gestellt. Allerdings sind bis heute nicht die Zugangsbedingungen zum Spektrum bekannt. Dem Vernehmen nach sind ortsgebundene, kostenpflichtige Einzelgenehmigungen geplant. Dies wäre keine Gleichwertigkeit zur heutigen Situation, sondern bedeute zusätzlichen Verwaltungsaufwand, Einschränkung der Flexibilität sowie zusätzliche Kosten für alle Nutzer - auch öffentliche Einrichtungen.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Vorstellungen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Entschädigung der bisherigen Nutzer der Frequenzen 790 bis 862 MHz?
  2. In welcher Weise kann und wird die Landesregierung ihren Einfluss dahin geltend machen, dass die Bundesregierung ihre Zusagen einhält und die bisherigen Nutzer angemessen entschädigt werden?
  3. Wieweit sind nach den Erkenntnissen der Landesregierung die Umsetzung der Planungen für ein, wie im Bundesratsbeschluss erwähntes, gleichwertiges Ersatzspektrum gediehen?

Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Im Rahmen des Konjunkturpaketes II und in der am 18.02.2009 vom Bundeskabinett beschlossenen Breitbandstrategie der Bundesregierung wurde festgelegt, dass der Frequenzbereich 790 – 862 MHz schnellstmöglich genutzt werden soll, um die Versorgung dünn besiedelter Gebiete mit innovativen Mobilfunkanwendungen und die Bereitstellung von breitbandigen Internetanschlüssen voranzutreiben.

Da für die so genannten Sekundärnutzungsberechtigten (Drahtlosmikrofone) nicht auszuschließen ist, dass es zu Unverträglich-keiten mit anderen Funknutzungen kommen kann, hat der Bundesrat in der Sitzung am 12.06.2009 (BR-Drs. 204/09) u.a. beschlossen, dass vor der tatsächlichen Frequenzvergabe und Nutzung der Digitalen Dividende für die Störproblematiken für drahtlose Produktionsmittel und sowohl für leitungsgebundene als auch für nicht leitungsgebundene Rundfunkübertragung eine befriedigende Lösung aufzuzeigen ist. In diesem Zusammenhang hat der Bundesrat auch seine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass diese Frage im Benehmen mit den Ländern gelöst wird und die Beteiligung der Länder über das übliche Anhörungsverfahren hinausgehen soll. Außerdem hat der Bundesrat die Notwendigkeit gesehen, den Nutzern von drahtlosen Mikrofonen bereits vor Beginn des Versteigerungsverfahrens ein gleichwertiges Ersatzspektrum verbindlich zu benennen.

Die Bundesregierung hat sich daraufhin anlässlich der Bundesratssitzung am 12.06.2009 in einer Protokollerklärung dahingehend erklärt, dass sie die Kosten, die sich nachweislich aus notwendigen Umstellungen bis Ende des Jahres 2015 bei denjenigen ergeben, die die Frequenzen 790 bis 862 MHz bisher nutzen, Rundfunksendeunternehmen und Sekundärnutzer, insbesondere Kultur- und Bildungseinrichtungen, in angemessener Form tragen.

Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1.:
Das Gesamtkonzept betreffend der Kosten aus zu verlagernden Rundfunknutzungen sowie Nutzungen der drahtlosen Produktionstechniken wurde den Betroffenen zur Kenntnis gegeben. Die nächsten Schritte der Bundesregierung dazu sind die Entwicklung von Förderrichtlinien sowie Festlegungen im Bereich der Verfahren zur Erstattung der anrechenbaren Kosten.

Zu 2.:
Es wird auf die o.a. Beschlusslage des Bundesrates vom 12.06.2009 zur Beteiligung und Benehmensherstellung mit den Ländern verwiesen.

Zu 3.:
Die Bundesnetzagentur hat ein "Konzept für die Frequenzzutei-lungen für drahtlose Mikrofone und sonstige Reportagefunkanla-gen (PMSE, Program Making and Special Events)" erarbeitet und veröffentlicht. Auf der Basis dieses Konzeptes wurden und werden die Verfahrens- und Zuteilungsregelungen im engen Dialog mit den betroffenen Kreisen erarbeitet und auch die zu diesem sowie dem parallelen Entscheidungsentwurf der Beschlusskammer 1a 09/001 bei der Bundesnetzagentur vorgetragenen relevanten Aspekte einbezogen. Die Bundesnetzagentur hat daher für die betreffenden Anwendungen weitere Frequenzbereiche zur Verfügung gestellt:

  • 174 - 230 MHz (Band III des VHF-Bereichs)
  • 470 - 790 MHz (unterer UHF-Bereich)
  • 823 - 832 MHz (in der sog. Duplex-Mittenlücke)
  • 1452 - 1477,5 MHz
  • 1785 - 1800 MHz (europäisch harmonisierter Bereich), zukünftig bis 1805 MHz.

Die so genannte Duplex-Mittenlücke (821 - 832 MHz) im 800 MHz-Bereich besteht bei Vergabe von gepaartem Spektrum. Bezüglich der Nutzungsmöglichkeiten der FDD-Mittenlücke liegt mittlerweile der Entwurf einer ECC-Entscheidung vor, wonach der Bereich 823 - 832 MHz durch drahtlose Produktionsmittel genutzt werden kann.

Die nachrangige Nutzung des Frequenzbereichs 470 - 790 MHz für drahtlose Mikrofone und sonstige Reportagefunkanlagen ist bisher prinzipiell den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorbehalten. Eine Verlagerung der sonstigen professionellen Anwendungen aus dem oberen (790 - 862 MHz) in den unteren (470 - 790 MHz) UHF-Bereich ist im Wege der Einzelzuteilung und nur insoweit vorgesehen, als sich die übrigen alternativen Bereiche, insbesondere aufgrund der physikalischen Ausbreitungsbedingungen, nicht eignen. Weiterhin wird angestrebt, dass künftig so viele Nutzungen wie möglich außerhalb des unteren UHF-Bereichs (470 - 790 MHz) angesiedelt werden. Hierzu weist die Bundesnetzagentur auf Folgendes hin:

Das Band III des VHF-Bereichs (174 - 230 MHz), das sich durch günstige physikalische Ausbreitungsbedingungen auszeichnet, ist für drahtlose Produktionsmittel geeignet. Dafür spricht insbeson-dere die Vielzahl bestehender Frequenzzuteilungen ohne erhöhtes Störungsaufkommen. Im Frequenzbereich 790 - 862 MHz werden auch künftig Einzelzuteilungen für drahtlose Produktionsmittel in Einzelfällen über diesen gesamten Frequenzbereich weiterhin möglich sein. In der Praxis werden Einzelzuteilungen regelmäßig aber nur in der FDD-Mittenlücke erfolgen können. Außerhalb der Mittenlücke können Einzelzuteilungen nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen erfolgen, wenn gegenseitige Störungen von Funkmikrofonen und Anwendungen des drahtlosen Netzzugangs zum Angebot von Telekommunikationsdiensten ausgeschlossen sind. Bezüglich der Nutzungsmöglichkeiten der FDD-Mittenlücke (821 - 832 MHz) liegt mittlerweile der Entwurf einer ECC-Entscheidung vor, wonach der Bereich 823 - 832 MHz durch drahtlose Produktionsmittel genutzt werden kann.

Der Bereich 1452 - 1477,5 MHz (so genanntes L Band) wird aller Voraussicht nach in die maßgebliche ERC-Empfehlung (Empfehlung 70-03) implementiert. Auf europäischer Ebene wird eine Erweiterung auf den Bereich von 1427 - 1525 MHz angestrebt.
Die höheren Frequenzbereiche - neben dem zuletzt genannten Bereich - insbesondere der bereits allgemein zugeteilte Bereich 1785 - 1800 MHz, eignen sich vorzugsweise für das In-Ear-Monitoring, Festinstallationen sowie für Reportageteams zur Live-Berichterstattung. Im Frequenznutzungsplan erfolgte eine Erweiterung des Bereichs auf 1805 MHz. Auf dieser Basis wird die vorgenannte Allgemeinzuteilung entsprechend erweitert.

Hinsichtlich des angesprochenen Ersatzspektrums für drahtlose Mikrofone unter Nr. 4 des o. g. Bundesratsbeschlusses ist ergänzend zu den oben angeführten Ausführungen hervorzuheben, dass auch hierzu auf CEPT-Ebene (Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation) Lösungen aufgezeigt worden sind und potentielles Ersatzspektrum auch bereits CEPT-weit identifiziert worden ist. Diese europaweite Vorgehensweise wird sich günstig auf die Implementierung neuer Gerätetechnologien und auf die Kosten für die Mikrofonnutzer auswirken.

Soweit eine Nutzung anderweitiger Frequenzbereiche für drahtlose Produktionsmittel nicht möglich ist, kann aufgrund der geänderten Nutzungsbestimmung D296 in der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung der Frequenzbereich 470 - 790 MHz neben den Anwendungen im Zusammenhang mit Rundfunk künftig auch für Anwendungen zur professionellen drahtlosen Produktion genutzt werden.

Kern der neuen Regelung im unteren UHF-Bereich wird nach derzeitigem Erkenntnisstand eine Aufteilung der UHF-Kanäle 21 - 60 nach Nutzergruppen sein. Danach wird ein Teil der Kanäle zur vorwiegenden Nutzung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgesehen und ein anderer Teil zur vorwiegenden Nutzung durch sonstige professionelle drahtlose Produktionen. Dieser Ansatz hält den erforderlichen Koordinierungsaufwand so gering wie möglich und gewährt beiden Seiten eine hohe Betriebssicherheit.

Logo Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.02.2010
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln