Streusalzmangel in Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.03.2010 - TOP 29
Die Abgeordneten Ursula Helmhold und Enno Hagenah (GRÜNE) hatten gefragt:
Im Januar 2010 stellte sich Verkehrsminister Bode noch vor der Landespresse mit Schippe auf einen hannoverschen Gehweg und kritisierte den salzarmen Winterdienst in der Landeshauptstadt wegen der in der Stadt verbliebenen Schneeberge. Im Februar sorgten im Zuge der anhaltenden Frostperiode ein zunehmender Streusalzmangel und der deswegen auf Landes- und Bundesstraßen sowie einzelnen Autobahnspuren ausfallende Winterdienst landesweit für öffentliche Diskussionen. Auch zwischen Kommunen und Land wurden Auseinandersetzungen über die Frage geführt, wie auf den Streusalzmangel reagiert werden sollte, wie die vorhandenen Mengen sinnvoll einzusetzen wären, und wo auf den Salzeinsatz verzichtet werden könnte oder müsste. Als sich die Wetterlage um die Monatsmitte etwas verbessert hatte und der Höhepunkt der "Tausalzkrise" damit überwunden schien, wurde jedoch von den Straßenbehörden des Landes auf Landesstraßen im südniedersächsischen Raum Tausalz weiter prophylaktisch eingesetzt und in einer Menge von zwanzig Gramm pro Quadratmeter ausgebracht. Unterdessen hatten die kommunalen Streudienste dort den Tausalzeinsatz bereits - entsprechend der Wetterlage - auf zehn Gramm pro Quadratmeter reduziert. Der Einsatz geringerer Salzmengen durch die Kommunen wurde von Beobachtern als ausreichend und angemessen angesehen, während auf den quasi benachbarten Landesstraßen in der Region das knappe Salz durch die Landesbehörde in übermäßigen Mengen ausgebracht worden sei. Ursache dieses weiterhin hohen Einsatzen von Tausalz durch den Straßendienst des Landes soll ein Erlass sein, der nach einem Schulbusunfall im Landkreis Osterode im Jahre 2006 vom Verkehrsministerium herausgegeben worden war. Dieser Erlass schreibt den Straßenmeistereien und ihren Dienstleistern sowohl den bis dahin nicht mehr praktizierten prophylaktischen Streusalzeinsatz als auch erhöhte Mengen von Streusalz vor. Als Folge dieses Erlasses entscheiden offenbar derzeit nicht mehr die zuständigen Straßenmeistereien in eigener Verantwortung und der jeweiligen Wettersituation angepasst über den Streumitteleinsatz, sondern richten sich strikt nach den Vorgaben des Erlasses, auch wenn diese Vorgaben der jeweiligen Straßensituation nicht angemessen sind.
Wir fragen die Landesregierung:
- Welcher Endscheidungsspielraum besteht auf der Grundlage welcher ministerialer Vorgaben für die Straßenmeistereien in Niedersachsen über den Einsatz von Streumitteln im Rahmen des Winterdienstes?
- Inwieweit bestehen in Niedersachsen unterschiedliche Vorgaben für den Einsatz von Streumitteln bei den zuständigen kommunalen Stellen und bei den Landesstraßenbehörden/-meistereien sowohl in Bezug auf die ausgebrachten Salzmengen als auch in Bezug auf das sogenannte prophylaktische Ausbringen von Salz, (obwohl dies laut anderer sachkundiger Stellen schon seit längerem nicht mehr der Stand der Technik ist)?
- Inwieweit waren die im Vergleich zu vielen Kommunen beim Land Niedersachsen erhöhten Vorgaben zum Salzstreuen (Menge, Prophylaxe) Ursache des zwischenzeitlichen Streusalzmangels in Niedersachsen im Winter 2009/2010 beim Land und bei einigen Kommunen?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Für das gesamte Spektrum des Straßenbetriebsdienstes werden von den Bundesländern gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Maßnahmenkataloge (MK) entwickelt und ständig aktualisiert. Diese MK, die Standards definieren und die Qualität der Betriebsdienstleistungen sicherstellen, werden nach erfolgter bundesweiter Abstimmung durch den Bund für den Bereich der Bundesfernstraßen eingeführt mit der Empfehlung an die Länder, den jeweiligen MK ebenfalls für die in ihrer Zuständigkeit befindlichen Straßen zu übernehmen. Für den Bereich des Straßenwinterdienstes hat das BMVBS den entsprechenden Maßnahmenkatalog (MK 6a) mit Schreiben vom 02.11.2004 zur Anwendung für die Bundesfernstraßen verbindlich eingeführt. Oberstes Ziel eines optimal organisierten und nach wirtschaftlichen Kriterien ausgerichteten Winterdienstes ist es, Fahrbahnglätte möglichst zu verhindern bzw. schnell und wirksam zu beseitigen, um ein Höchstmaß an Verkehrssicherheit und volkswirtschaftlichem Nutzen sicher zu stellen.
Mit Erlass des Wirtschaftsministeriums vom 17.11.2004 an das damalige Landesamt für Straßenbau und anschließender Weitergabe von dort an die Straßenbauämter und ihre Autobahn- und Straßenmeistereien wurde die Anwendung des MK 6a mit Verfügung vom 08.12.2004 für alle in der Betreuung der niedersächsischen Straßenbauverwaltung befindlichen Verkehrswege sichergestellt. (Maßnahmenkatalog Straßenbetriebsdienst (MK 6a), Optimierung von Einsatzverfahren; Empfehlungen für die Organisation des Winterdienstes bei Autobahn- und Straßenmeistereien).
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Hinsichtlich des Streustoffes gibt der MK 6a Streusalz vor. Des Weiteren ist als Orientierung für die Winterdienstorganisation ein Anforderungsniveau in Abhängigkeit von der Verkehrsbedeutung der Straße definiert. Die verantwortliche Anwendung der im MK 6a beschriebenen inhaltlichen und organisatorischen Maßnahmen liegt hingegen in jedem Einzelfall bei den Leitungen der Autobahn- oder Straßenmeistereien.
Darüber hinaus optimieren Merkblätter und Richtlinien der Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen die Entscheidungen der örtlichen Einsatzleitung; weitere Vorgaben des Ministeriums zur Planung und Durchführung des Winterdienstes gibt es nicht.
Zu 2.:
Die Streupflicht der Kommunen und der Winterdienst der staatlichen Straßenbauverwaltung, im rechtlichen Sinne eine freiwillige Leistung, basieren auf unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen. Eine Vergleichbarkeit ist daher nicht gegeben. Die Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht im Rahmen der straßengesetzlichen Reinigung und damit auch die Auswahl der Streumittel obliegen innerhalb der geschlossenen Ortslagen allein den Kommunen. Es handelt sich um eine selbständige Aufgabe, die den Gemeinden per Gesetz übertragen ist. Eine Zuständigkeit des Landes ist nicht gegeben.
Außerhalb der geschlossenen Ortschaften leistet die staatliche Straßen-bauverwaltung nach besten Kräften Winterdienst- als besondere Aufgabe neben der Straßenbaulast, § 3 Bundesfernstraßengesetz (FStrG). Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht besteht jedoch auch außerhalb der Ortslagen eine Streupflicht bei Glatteis, allerdings lediglich beschränkt auf besonders gefährliche Stellen.
Die jeweils notwendige Streusalzmenge lässt sich aufgrund der Vielzahl der sie beeinflussenden Faktoren nicht oder nur sehr unzureichend de-finieren. Folgende Streumengen werden im technischen Regelwerk als Anhaltswerte genannt:
- Vorbeugende Streuung auf trockene/ benetzte Fahrbahn 5 bis 15 g/m²
- Vorbeugende Streuung auf nasse Fahrbahn/ vor Eisregen 10 bis 30 g/m²
- Streuung bei leichter Reif- und Eisglätte 5 bis 15 g/m²
- Streuung bei Glatteis/ nach Eisregen 15 bis 40 g/m²
- Streuung bei Schneefall/ Schneeglätte 15 bis 40 g/m².
Maßgebend ist die bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Meistereien vorhandene langjährige Erfahrung im Umgang mit Wetter-, Fahrbahn- und Verkehrsituationen: Garant dafür, dass der Winterdienst nach dem Grundsatz "So viel Salz wie nötig, so wenig Salz wie möglich" ausgeführt wird.
Auch die präventive, d.h. zeitnahe vorbeugende Streuung ist Bestandteil des MK 6a und damit Stand der Technik. Nur durch das Aufbringen von geringen Streusalzmengen auf die Fahrbahn bereits vor dem Eintritt einer mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Glättesituation, lässt sich diese überhaupt erst vermeiden.
Zu 3.:
Der erhöhte Streusalzverbrauch ist allein die Folge eines für Norddeutschland untypisch lang anhaltenden Winters.
Artikel-Informationen
erstellt am:
18.03.2010
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010