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Erfahrungen mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie

Die Abgeordneten Hans-Jürgen Klein und Enno Hagenah (GRÜNE) hatten gefragt:

Bis zum 28. Dezember 2009 hatten die EU-Mitgliedsländer die EU-Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG) umzusetzen. Ziel der Richtlinie ist es, einen einheitlichen gemeinsamen Markt in Europa herzustellen und Hindernisse zwischen den Mitgliedsländern abzubauen. Während die Befürworter die Dienstleistungsrichtlinie als einen wesentlichen Bestandteil der Lissabon-Strategie betrachten und darin einen Wohlfahrtsgewinn sehen, befürchten die Kritiker, dass bereits erreichte Umwelt-, Sozial- und Verbraucherstandards unterlaufen werden könnten. Insbesondere das Prinzip des Herkunftslandes nährt Zweifel am ausreichenden Schutz nationaler Standards. Konkret waren mit der Umsetzung der EU-Richtlinie die Bundesländer in Deutschland betraut: Die Länder hatten u. a. sogenannte Einheitliche Ansprechpartner zu benennen und zu überprüfen, welche Richtlinien und Bestimmungen sich nicht mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie vereinbaren ließen (Normenscreening). Am 15. Dezember 2009 verabschiedete der Niedersächsische Landtag das Niedersächsische Gesetz über Einheitliche Ansprechpartner (NEAG) (Drs. 16/1730). Danach nehmen in Niedersachsen Landkreise, kreisfreie Städte, große selbstständige Städte und das Wirtschaftsministerium diese Aufgabe war.

Eine Schwierigkeit der EU-Dienstleistungsrichtlinie besteht auch darin, dass Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht klar definiert sind. Insofern kann es dazu kommen, dass an sich öffentliche Aufgaben, sofern sie privatisiert bzw. im Rahmen von Public Private Partnership teilprivatisiert werden oder wurden, auch unter die Regelungen der Dienstleistungsrichtlinie fallen.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Mit welchem Ergebnis hat die Landesregierung das sogenannte Normenscreening in Niedersachsen durchgeführt?
  2. Welche ersten Erfahrungen hat Niedersachsen mit den Einheitlichen Ansprechpartnern auf kommunaler Ebene bislang gemacht? In welcher Form ist die flächendeckende Einrichtung kommunal erfolgt, und welche Rückmeldungen aus der Wirtschaft gab es bisher?
  3. Inwieweit kann die EU-Dienstleistungsrichtlinie negative Auswirkungen auf bereits erfolgte oder geplante Privatisierungen bzw. PPP-Teilprivatisierungen von bisher staatlichen Aufgaben haben?

Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Die EU-Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLR) hat den Abbau von bürokratischen Hindernissen und zwischenstaatlichen Hemmnissen sowie die Förderung der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen zum Ziel. Sie sieht eine Vielzahl von Erleichterungen vor, unter anderem die Schaffung Einheitlicher Ansprechpartner sowie die elektronische Verfahrensabwicklung. Die EU-Dienst­leistungsrichtlinie musste bis Ende 2009 in nationales Recht umgesetzt werden.

Dies vorausgeschickt werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1.:
Die EU-DLR schreibt in Artikeln 15 und 16 ein Normenscreenings vor, mit dem diskriminierende Anforderungen im Bezug auf die Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten gefunden werden sollen. Im niedersächsischen Fachrecht gab es mit Bezug zur Dienstleistungsrichtlinie nur wenige Hürden, die den freien Dienstleistungsverkehr behinderten. Daher bestand bzw. besteht nur wenig Anpassungsbedarf.

Zusammen mit anderen Vorgaben der EU-DLR (z. B. zu den Verwaltungsverfahren), die Anpassungen des Landesrechts erfordern, gab es im Ergebnis lediglich 11 Gesetze und 11 Verordnungen die geändert bzw. neu verabschiedet werden müssen, um das Landesrecht an die Anforderungen der Dienstleistungsrichtlinie anzupassen.

Bereits in Kraft getreten sind:

  • das Niedersächsische Gesetz über Einheitliche Ansprechpartner (28.12.2009),
  • das Niedersächsische Gesetz über die Anerkennung als Markscheiderin oder Markscheider (16.12.2009),
  • die Änderung des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (17.03.2010),
  • das Gesetz zur Änderung des Kammergesetzes für die Heilberufe (24.02.2010) und
  • das Niedersächsische Wassergesetz (01.03.2010).

16 weitere Gesetzes- und VO-Anpassungen befinden sich z. Zt. entweder schon im parlamentarischen Verfahren oder ,in der Ressortabstimmung bzw. Verbandsbeteiligung. Die betroffenen Gesetze und Verordnungen sind in der Anlage aufgelistet.

Zu 2.:
Neben dem Wirtschaftsministerium sind 55 Kommunen Aufgabenträger als Einheitliche Ansprechpartner (EA). Infolge einer Zusammenarbeit von zwei Kommunen nach dem Niedersächsischen Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit gibt es tatsächlich insgesamt nur 55 EA (54 kommunale + 1 Landes EA). Dabei ist die überwiegende Mehrheit der kommunalen EA personell und organisatorisch im Bereich der Wirtschaftsförderung verortet. Alle EA haben ihre Arbeit am 28.12.2009 aufgenommen.

Alle EA in Niedersachsen sind seit dem 28.12.2009 persönlich und über alle herkömmlichen Kommunikationswege erreichbar sowie über das Internet unter „www.dienstleisterportal.niedersachsen.de“.

Nach den bisherigen Erfahrungen wird das Angebot EA derzeit noch sehr wenig in Anspruch genommen. Von den bis zum 15.04.2010 bei den kommunalen EAs und beim Landes-EA eingegangenen Anfragen waren lediglich etwa 40 EU-DLR-relevant. In allen Fällen wurden Auskünfte bzw. Informationen erbeten. Die Mehrzahl der Anfrager wollte entweder grenzübergreifend tätig werden oder hat sich allgemein über Verfahren und Formalitäten sowie zuständige Behörden informiert. Eine konkrete Verfahrensabwicklung über die EA wurde noch nicht in Anspruch genommen.

In der überwiegenden Mehrzahl der nicht EU-DLR-relevanten Anfragen handelte es sich um Anfragen, die dem Bereich der Wirtschaftsförderung zuzuordnen sind. In einigen Fällen hatten Bürgerinnen und Bürger offensichtlich keine Kenntnis über die Aufgaben der „Einheitlicher Ansprechpartner“ und haben daher allgemeine und außerhalb der Zuständigkeit der EA liegende Auskünfte erbeten.

Rückmeldungen aus der Wirtschaft gab es bisher nicht.

Zu 3.:
Unter den staatlichen Aufgaben sind auch solche Tätigkeiten, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Diese wirtschaftlichen Tätigkeiten fallen nach Art. 50 EG-Vertrag grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie.

Zu diesen wirtschaftlichen Tätigkeiten gehören u. a. auch Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (z. B. die Strom- und Gasversorgung).

Die Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie verpflichten die Mitgliedstaaten ausdrücklich nicht, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu privatisieren (Erwägungsgrund 8 zur EU-DLR).

Vor diesem Hintergrund hat die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie keine Auswirkungen auf bereits erfolgte oder geplante Privatisierungen bzw. PPP-Teilprivatisierungen von bisher staatlichen Aufgaben.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
30.04.2010

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