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Alleen in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.02.2011 - TOP 28. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Claus Peter Poppe und Wiard Siebels (SPD)


Die Abgeordneten Claus Peter Poppe und Wiard Siebels (SPD) hatten gefragt:

Der landschaftsbestimmende Charakter von Alleen in Norddeutschland ist unstrittig. So arbeitet beispielsweise der Bund für Umwelt und Naturschutz seit Jahren daran, dieses lebendige Kulturerbe zu bewahren. Mit der Unterstützung vieler Ehrenamtlicher und Bürgerinitiativen setzt er sich für den Erhalt der verbliebenen Alleebestände als Natur- und Kulturdenkmäler ein. Auch nicht Verbänden zuzuordnende Bürgergruppen engagieren sich z. B. in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und auch in Niedersachsen für den Schutz und die Pflege von Alleebäumen. Gerade in ausgeräumten Landschaftsbereichen, in denen die intensive landwirtschaftliche Nutzung stark prägend ist, wirken Alleen als strukturgebende Naturelemente, die sich sowohl auf das Heimatgefühl der Menschen als auch als biotopvernetzende Lebenslinien für die Bewahrung der Schöpfung positiv auswirken. Ein bemerkenswertes Beispiel in Niedersachsen ist die Arbeit der „Freunde Hunteburger Alleen“ im Landkreis Osnabrück. Medienberichten (z. B. NOZ vom 13. Oktober 2010) zufolge wird das idyllische Bild der Hunteburger Alleen seit Jahren schleichend zerstört. Es wird in diesem Artikel von einer Landesverordnung aus dem Wirtschaftsministerium berichtet, die sich auf die Verkehrssicherheit bezieht und die Grundlage für die Zerstörung der Alleen darstellt.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Auf was zielt die o. g. Landesverordnung ab, und welche Rechtskraft hat diese Verordnung in Bezug auf das Niedersächsische Naturschutzgesetz und die Eingriffsregelung?
  2. Wenn Verkehrssicherheitsgründe zur Begründung angeführt werden: Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, Alleen nachhaltig in ihrem Bestand - auch auf Landesebene - zu sichern, ohne die Verkehrssicherheit maßgeblich zu beeinträchtigen, bzw. welche Alternativen gibt es aus dem Bereich des Verkehrswesens, ohne auf die Alleen verzichten zu müssen?
  3. Welche Maßnahmen müssen dazu gegebenenfalls von den Kommunen selbst eingeleitet werden, und wie schätzt das Umweltministerium als Fachaufsichtsbehörde die Instrumente gemäß Naturschutzgesetz in Bezug auf die Verkehrssicherheit ein?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Anders als im Land Brandenburg gibt es in Niedersachsen kein Alleenkataster und auf Landesebene auch kein ausdrückliches Programm zum Schutz der Alleen. Alleen weisen nicht stets eine herausragende Bedeutung für den Naturhaushalt auf, da die wichtigen Funktionen der Bäume häufig auch an anderer Stelle erfüllt werden können. Wegen des hohen optischen Werts zur Erhaltung der Gestalt des heimischen Landschaftsbildes sollten Alleen dennoch geschützt und erhalten werden. Neben den in Niedersachsen typischen Wallhecken prägen vielfach auch die Alleen das regionale Landschaftsbild.

Die Alleen in Niedersachsen unterliegen grundsätzlich dem allgemeinen Schutz von Natur und Landschaft (§§ 13 ff. BNatSchG / §§ 5 ff. NAGBNatSchG). Dies bedeutet, dass sie durchaus zu erhalten und ggf. zu ersetzen sind.

Weitergreifende Schutzmöglichkeiten bietet eine Erklärung zum geschützten Teil von Natur und Landschaft (§§ 22 ff. BNatSchG / §§ 14 ff. NAGBNatSchG), insbesondere:

  • als Teil eines Nationalparks, Biosphärenreservats, Naturschutzgebiets oder Landschaftsschutzgebiets
  • als geschützter Landschaftsbestandteil (auch durch Baumschutzsatzung auf gemeindlicher Ebene)
  • als Naturdenkmal.

Die Zuständigkeit für eine solche Erklärung liegt – von Nationalparks und Biosphärenreservaten abgesehen – grundsätzlich bei der unteren Naturschutzbehörde (UNB). Entsprechende Aussagen (ggf. auch zum Schutzinstrument) sind entweder direkt in den Landschaftsrahmenplänen enthalten oder können durch ein Votum der UNB festgelegt werden.

In Bezug auf die in der Anfrage erwähnte „Landesverordnung des Wirtschaftsministeriums“ ist eine Aufklärung notwendig. Eine solche Landesverordnung existiert nicht. Es liegt offenbar eine Verwechselung mit den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) mit Allgemeinem Rundschreiben Straßenbau (ARS) Nr. 28/2010 eingeführten „Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme“ (RPS 2009) vor. Die entstandenen Irritationen hängen mit der nahezu 10 Jahre dauernden Überarbeitung der RPS zusammen. Die verspätete förmliche Einführung durch den Bund steht im Zusammenhang mit der Fertigstellung einer Einsatzliste für Schutzsysteme durch die BASt. Die inhaltliche Ausgestaltung der RPS war bereits seit dem Jahr 2007 absehbar, so dass die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) die Vorschrift mit Zustimmung des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr seit diesem Zeitpunkt anwendet. Auch in einigen anderen Bundesländern wurde in dieser Form verfahren.

Förmlich eingeführt in den Geschäftsbereich der NLStBV, also auch für Landesstraßen, sind die RPS 2009 mit Verfügung vom 7.2.2011. Für den Bereich der kommunalen Straßen gelten sie nur im Zusammenhang mit dem Förderprogamm nach Entflechtungsgesetz. Davon ausgenommen sind Vorhaben, die bereits rechtskräftig planfestgestellt oder in einem rechtskräftigen Bebauungsplan enthalten sind. In allen anderen Fällen sind für die Umsetzung technischer Standards und Regelwerke die Kommunen selbst verantwortlich.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Diese RPS 2009, die u. a. für die Absicherung von Gefahrenstellen bei Neu-, Aus- und Umbaumaßnahmen an Außerortsstraßen gelten, berücksichtigen die neuesten technischen Erkenntnisse sowie Forderungen der Europäischen Norm DIN 1317 (Rückhaltesysteme an Straßen). Die vorgesehenen Regelungen stellen damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit dar - ein Ziel, das die Nds. Landesregierung mit Nachdruck unterstützt. Die RPS 2009 lassen die in der Vorbemerkung genannten naturschutzrechtlichen Regelungen zunächst unberührt. In jedem Einzelfall geht es dann darum einen vertretbaren Kompromiss zwischen einerseits den Anforderungen der Verkehrssicherheit und damit dem Schutz von Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer und anderseits der Landschaftspflege zu finden. Es ist unbestritten, dass in diesem Zusammenhang insbesondere bei Um- und Ausbaumaßnahmen ein durch entgegenwirkende Belange gekennzeichnetes Spannungsfeld gegeben ist, da durch Veränderungen an der Straße Auswirkungen auf vorhandene Alleenbestände zu prüfen und zu berücksichtigen sind. Dabei kommen im Rahmen der jeweiligen Voraussetzungen ggf. die Einriffsregelung (§§ 13 ff. BNatSchG / §§ 5 ff. NAGBNatSchG) und Ausnahmen oder Befreiungen von den Schutzerklärungen (§§ 22 ff. BNatSchG / §§ 14 ff. NAGBNatSchG) zur Anwendung.

Zu 2.:
Vorhandene Alleen können auch bei unzureichendem Abstand zum äußeren Fahrbahnrand erhalten werden, sofern entsprechende Schutzeinrichtungen zum Einsatz kommen. Auf das ARS 28/2010 zur Einführung der RPS 2009 sei verwiesen, Zitat:

„Wo aufgrund der örtlichen Situation Fahrzeug-Rückhaltesysteme nicht den Regellösungen der RPS 2009 entsprechen können, sind Lösungen vorzusehen, die auf den Grundsätzen dieser Richtlinien aufbauen und das unter den Umständen bestmögliche Schutzniveau erreichen…“ Dies bedeutet in praxi, dass Schutzeinrichtungen angeordnet werden, auch wenn der Wirkungsbereich geringer ist als es die RPS vorsehen. Lt. Recherchen und Erfahrungen der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) stehen geeignete Systeme zur Verfügung.

Zu 3.:
Hinsichtlich der Zuständigkeit für naturschutzrechtliche Schutzmaßnahmen wird auf die Vorbemerkung Bezug genommen. Naturschutzrechtliche Regelungen können so getroffen bzw. angewandt werden, dass sowohl den Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs als auch den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege im Einzelfall in verhältnismäßiger Weise Genüge getan werden kann.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
18.02.2011

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