Frühjahrsbelebung des Arbeitsmarktes Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.04.2011 - TOP 23. Antwort von Arbeitsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Ursula Weisser-Roelle (LINKE)
Die Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle (LINKE) hatte gefragt:
In ihrer Pressemitteilung vom 31. März 2011 teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA), Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, einen spürbaren Rückgang der Arbeitslosenzahlen, um mehr als 30 000 Stellen gegenüber dem Vorjahresmonat, mit. Somit liegt die offizielle Zahl der Arbeitslosen in Niedersachsen bei 294 000. Laut Angaben des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Berufshilfe (BIAJ) kommen 68,7 % aller registrierten Arbeitslosen aus dem Bereich des SGB II (Hartz IV), im Vorjahresmonat waren es 63,8 %. Somit stieg der Anteil der Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger im Bereich der registrierten Arbeitslosen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung will in den nächsten Jahren Milliarden am Arbeitsmarkt einsparen. Somit kürzte sie die Mittel der Jobcenter in Niedersachsen für die Eingliederung der Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger um fast 25 % gegenüber dem Vorjahr. In Niedersachsen waren laut Angaben der BA (Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen) insgesamt 43 283 freie Stellen gemeldet. Nach Angaben der Bundesregierung beträgt der Anteil von Leiharbeitsstellen am Bestand gemeldeter offener Arbeitsstellen in Niedersachsen über 30 %. Überdies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zum Thema „Entwicklung in der Leiharbeit“ (Drs. 17/4764) hervor, dass vollzeitbeschäftigte Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmer im Schnitt 48 % weniger verdienen als Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen in regulär sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen. Demnach arbeiten in Niedersachsen mehr als 70 % aller Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmer für einen Lohn unterhalb der bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Maßnahmen wird sie ergreifen bzw. hat sie schon ergriffen, um die fehlenden Mittel in den Jobcentern zu kompensieren, damit den Langzeitarbeitslosen Perspektiven auf dem ersten Arbeitsmarkt geboten werden können?
- Wie hoch ist der Anteil an vermittelten Leiharbeits- und Teilzeitstellen in Bezug auf die 30 000 zusätzlich vermittelten Stellen?
- Wie bewertet sie die Tatsache, die durch Zahlen der Bundesregierung belegt ist, dass Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmer erheblich weniger verdienen und zum größten Teil für Niedriglöhne arbeiten?
Im März 2011 sind in Niedersachsen insgesamt 294.037 Arbeitslose gemeldet, das sind 11.908 oder 3,9 % weniger als im Februar. Gegenüber März 2010 ist die Arbeitslosigkeit um 30.068 oder 9,3 % gesunken. Die Anzahl der Arbeitslosen ist damit die Niedrigste in einem März seit 19 Jahren.
Die für den SGB III-Bereich zuständigen Agenturen für Arbeit zählten im März insgesamt 92.115 Arbeitslose, das waren 10.658 oder 10,4 % weniger als im Vormonat. Gegenüber dem Vorjahr ging die Zahl die Arbeitslosenzahl in diesem Rechtskreis weiter deutlich um 21,5 % bzw. 25.262 zurück. Der von den Jobcentern betreute SGB II-Bereich verzeichnete im März gegenüber Februar einen leichten Rückgang um 1.250 oder 0,6 % auf jetzt 201.922 Arbeitslose. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II um 2,3 % oder 4.806 gesunken.
Somit ist in beiden Rechtskreisen ein Rückgang der Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahresmonat zu verzeichnen, im SGB III allerdings deutlicher als im SGB II. Der Anteil der Arbeitslosen im SGB II ist dementsprechend auf gut zweit Drittel (68,7 %) aller registrierten Arbeitslosen angestiegen ist. Dies liegt insbesondere daran, dass Firmen nach Überwindung der Wirtschaftskrise zuerst Personen wieder einstellen, die nur kurz arbeitslos waren. Außerdem war der Anteil der Arbeitslosen im SGB II vor einem Jahr geringer, weil durch die Auswirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise mehr Personen arbeitslos wurden, was zu mehr Zugängen im SGB III als im SGB II führte.
Mit der Erleichterung von Leiharbeit und befristeter Beschäftigung sowie der Einführung von Mini- und Midijobs ist der Arbeitsmarkt seit 2003 deutlich flexibler geworden. Davon hat der Arbeitsmarkt bundesweit – insbesondere auch in Niedersachsen - spürbar positiv profitiert. Die Leiharbeit hat sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt und wird von Unternehmen genutzt, um besser auf Auftragsschwankungen reagieren zu können. So können sich Unternehmen mit Hilfe von Leiharbeit vergleichsweise kurzfristig an veränderte Produktions- und Absatzbedingungen und damit einhergehende Personalengpässe anpassen sowie temporäre Fehlzeiten von Arbeitnehmern kompensieren. Die Bedeutung der Leiharbeit gemessen an der Zahl der Leiharbeitnehmer im Verhältnis zu allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist nach einer Veröffentlichung der Bundesagentur für Arbeit zur Zeitarbeit in Deutschland (Januar 2011) mit knapp drei Prozent jedoch immer noch gering.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Betreuung und Eingliederung von (Langzeit-)Arbeitslosen ist gesetzliche Aufgabe des Bundes bzw. der Arbeitsverwaltung. Die Landesförderung für diese Zielgruppe kommt immer nur ergänzend zur Bundesförderung zum Einsatz. Es ist nicht Aufgabe des Landes Einsparungen des Bundes zu kompensieren, was zudem angesichts der finanziellen Größenordnungen auch völlig ausgeschlossen wäre. Die Arbeitsförderung des Landes ergänzt qualitativ und inhaltlich die Bundesförderung und ist komplementär angelegt.
Dafür setzt das Land weiterhin erhebliche Mittel ein. Insbesondere im Rahmen des Programms „Arbeit durch Qualifizierung (AdQ)“ fördert das Land Maßnahmen zur Qualifizierung von Arbeitslosen.
Seit Mitte 2007 konnten bereits 430 Qualifizierungsprojekte über rd. 70 Mio. Euro bewilligt werden. Mit den Maßnahmen konnten insgesamt 19.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreicht werden, überwiegend Langzeitarbeitslose aus dem Rechtskreis SGB II. Aus dem Programm AdQ heraus werden auch zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen und Jobcoaches im Rahmen der Bundesinitiative Bürgerarbeit gefördert.
AdQ erfreut sich reger Nachfrage, so dass das zur Verfügung stehende Budget nochmals erheblich aufgestockt werden soll. Insgesamt sollen im Zeitraum 2007-2013 mehr als 100 Mio. € an Landes- und ESF-Mitteln für AdQ-Maßnahmen zur Verfügung stehen.
Daneben stehen weitere Landesprogramme wie zum Beispiel „Förderung der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt (FIFA)“ oder die „Pro-Aktiv-Centren (PACE)“ zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen zur Verfügung.
Zu 2.:
Die Frage kann anhand der verfügbaren Daten nicht beantwortet werden, da die Anzahl der Personen, die aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit einmünden, in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit nicht differenziert nach Wirtschaftszweigen (z.B. Arbeitnehmerüberlassung) oder nach der Art des Beschäftigungsverhältnisses (Vollzeit oder Teilzeit) ausgewiesen werden können.
Zu 3.:
Leiharbeit stellt eine Beschäftigungsperspektive für Arbeitslose, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer, Berufseinsteiger oder Berufsrückkehrer dar. Für viele gering Qualifizierte ist eine einfache, entsprechend geringer entlohnte Beschäftigung häufig die einzige Chance auf Einstieg in Beschäftigung.
Zwei Drittel der neu abgeschlossenen Zeitarbeitsverhältnisse im ersten Halbjahr 2010 wurden mit Personen geschlossen, die direkt zuvor keine Beschäftigung ausübten bzw. noch nie beschäftigt waren. Beim größten Teil dieser Zeitarbeiter (73 Prozent) lag die letzte Beschäftigung maximal ein Jahr zurück. 16 Prozent der aus der Nichterwerbstätigkeit kommenden Beschäftigten waren länger als ein Jahr ohne Beschäftigung und elf Prozent waren zuvor noch nie beschäftigt. Bei einem Drittel der im ersten Halbjahr 2010 neu eingegangenen Leiharbeitsverhältnisse schloss die Beschäftigung in der Zeitarbeit direkt an ein vorheriges Arbeitsverhältnis an. 29 Prozent dieser Beschäftigten waren auch direkt zuvor schon in der Zeitarbeit tätig.
Neue Forschungsergebnisse des IAB (Juni 2010) zeigen: 25 Prozent der Leiharbeiter waren im Zweijahreszeitraum zuvor mindestens die Hälfte der Zeit arbeitslos. Im Zweijahreszeitraum nach der Leiharbeit lag der entsprechende Anteil dagegen nur noch bei 17 Prozent. Insbesondere die Beschäftigungschancen für Langzeitarbeitslose erhöhen sich nach der Beschäftigung in Zeitarbeit. Der Studie zufolge kann Zeitarbeit vor allem für die Gruppe der zuvor Langzeitarbeitslosen zu einer Brücke in die Beschäftigung werden und stellt die deutlich bessere Alternative zu weiterer Arbeitslosigkeit dar.
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erstellt am:
14.04.2011