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Anforderungen an das Verkehrsmanagement

Der Abgeordnete Ernst-August Hoppenbrock (CDU) hatte gefragt:

Jeder niedersächsische Haushalt besitzt statistisch mehr als einen Pkw. Dieser Wert hat sich in den letzten 25 Jahren fast verdoppelt. Diese Entwicklung stellt für die Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen in Niedersachsen eine zunehmende Belastung dar, die immer wieder Verkehrsstaus zur Folge haben kann.

Diese Staus führen aufgrund der Verzögerungen im Bereich der Logistik und der verlorenen Arbeitszeit zu einem höheren volkswirtschaftlichen Schaden. Außerdem führt der unnötige Mehrverbrauch an Kraftstoff zu einer erheblichen Umweltbelastung. Der Erhalt und Ausbau leistungsfähiger Verkehrssysteme sind daher von großer Bedeutung.

Der ADAC hat in seiner Autobahnbilanz 2011 errechnet, dass es in der gesamten Bundesrepublik im Jahr 2011 zu insgesamt 450 000 km Verkehrsstaus kam. Dies entspricht einem Plus von rund 12 % im Vergleich zum Vorjahr. Mit Blick auf die lokale Verteilung riet ADAC-Präsident Meyer, wieder verstärkt zu prüfen, welche Ausbaupotenziale es bei westdeutschen Autobahnen gibt.

Deshalb frage ich die Landesregierung:

  1. Wie viele Staukilometer gab es im Jahr 2011 in Niedersachsen?
  2. Ist Niedersachsen durch seine strukturellen Gegebenheiten besonders auf ein intelligentes Verkehrsmanagement angewiesen?
  3. Wie verbessert die Landesregierung konkret die Verkehrssituation in Niedersachsen?
  4. In welcher Form unterstützt die Landesregierung Forschung und Entwicklung in diesem Bereich?
  5. Gibt es besondere Infrastrukturprojekte, deren Ziel es ist, diese Stauhäufigkeit in Niedersachsen zu reduzieren?
  6. Welche Rolle hat eine moderne Verkehrstelematik bei der Verhinderung von Verkehrsstaus?
  7. Was hat die Landesregierung seit 2003 im Bereich der Modernisierung der Verkehrstelematik unternommen, und zu welchen Ergebnissen haben diese Maßnahmen geführt?
  8. Welche Maßnahmen will die Landesregierung in Bezug auf eine Modernisierung des Verkehrsmanagements in Zukunft ergreifen?
  9. Wie lassen sich Synergieeffekte durch die Kooperation mit anderen Bundesländern erzeugen?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 27.03.2012 wie folgt:

Steigende Verkehrszahlen, begrenzte Investitionsbudgets und ein zunehmend kritisches Akzeptanzverhalten der Bürger gegenüber Neu- und Ausbauprojekten haben eine kontroverse Diskussion über Anforderungen und Auswirkungen einer modernen, mobilen Gesellschaft ausgelöst. Zu Recht verlangen die Verkehrsteilnehmer flexible Antworten auf die Frage, wie in Zukunft der Verkehr effizienter und umweltschonender bewältigt werden kann. In diesem Zusammenhang spielt die optimale Ausnutzung vorhandener Infrastrukturen unter Anwendung von Verkehrsmanagementlösungen in überzeugender Qualität eine wichtige Rolle.

Die innovativen Potentiale der Telematik in ihrer Funktion als Telekommunikation und Informatik in der Verkehrssteuerung verknüpfende Querschnittstechnologie hat die Landesregierung schon frühzeitig erkannt. Um den Wirtschaftsstandort Niedersachsen im internationalen Wettbewerb zu stärken sowie innovative Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen, wurde bereits im September 2004 die Landesinitiative Telematik gegründet. Ziel war ein aktives, etabliertes Netzwerk aus Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Politik, um auf dieser Basis nationale und internationale Forschungskooperationen zu akquirieren. Die Landesinitiative Telematik wurde planmäßig am 31. August 2010 erfolgreich abgeschlossen. Viele Projekte werden nunmehr durch den im Rahmen der Telematik-Initiative gegründeten Verein ITS Niedersachsen fortgeführt.


Allerdings darf kein Zweifel bestehen, dass intelligente Infrastruktur allein die verkehrlichen Probleme in Niedersachsen nicht zu lösen vermag. Dies kann nur gelingen, sofern auch die Bauvorhaben gemäß Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in absehbarer Zukunft realisiert werden können. Der im Bedarfsplan für Niedersachsen ausgewiesene Neubau- und Ausbaubedarf steht im Einklang mit den verkehrspolitischen Zielen der Landesregierung. Die bedarfsgerechte Verkehrsanbindung aller Wirtschaftsräume ist für die Erschließung und Entwicklung eines Flächenlandes wie Niedersachsen von hoher wirtschafts- und strukturpolitischer Bedeutung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Die Auswertungen zum Stauaufkommen weisen für die in 2011 insgesamt 3.574 gemeldeten Staus eine Staulänge von insgesamt 15.704 km sowie eine Staudauer von insgesamt 9.534 Stunden für das klassifizierte Straßennetz aus. Die Hauptursachen der insgesamt 3.574 Staus sind:

  • Unfallbedingte Staus: (874 Staus) ca. 24 %
  • Baustellenbedingte Staus: (1.000 Staus) ca. 28 %
  • Staus sonstiger Art: (1.700 Staus) ca. 48 %
    (hohes Verkehrsaufkommen, Gefahrenstellen, defekte Fahrzeuge, etc.)

Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass das Stauaufkommen in Niedersachsen im Vergleich mit dem Vorjahr 2010 (3.916 Einzelstaus, Staulänge von 18.533 km) entgegen dem allgemeinen Bundestrend abgenommen hat.

Zu 2.:
Intelligentes Verkehrsmanagement macht auf hoch belasteten Strecken Sinn, sofern es durch steuernde Maßnahmen gelingt den Verkehrsfluss zu verbessern. Bezogen auf Niedersachsen sind die großen Durchgangsautobahnen A1, A2, A7 sowie die Ballungsräume Hannover, Braunschweig und auch Osnabrück grundsätzlich für eine intelligente Verkehrssteuerung geeignet. Nicht außer Acht bleiben dürfen auch die verkehrlichen Vernetzungen mit den Bundesländern Bremen, Hamburg und Nordrhein- Westfalen.

Zu 3. und 5.:
Eine Verbesserung der Verkehrssituation in Niedersachsen wird durch Um- und Ausbaumaßnahmen sowie in deren Bauphase durch ein spezielles baubetriebliches Management (Bauen unter Verkehr) und auch durch den Einsatz intelligenter Technik bewirkt. Im nachstehenden Überblick sind Projekte genannt, die insbesondere geeignet sind, die Stauhäufigkeit zu reduzieren.

Mit baubetrieblichen Maßnahmen, die das Land Niedersachsen auf Autobahnen seit längerem konsequent anwendet, wie z. B. Wahl der die optimale Verkehrsabwicklung unterstützende Betriebsformen und restriktive Bauzeitvorgaben, konnten seit dem Jahr 2008 im Zuge großer Baumaßnahmen erhebliche Bauzeitverkürzungen erzielt werden. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat zwischenzeitlich den „Leitfaden zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen“ eingeführt. Damit sind alle in den letzten Jahren festgeschriebenen Regelungen zur beschleunigten Abwicklung von Arbeitsstellen, Bauzeitermittlungen und die Meldungen von Maßnahmen zusammengefasst, weiterentwickelt und ergänzt, sodass nunmehr ein umfassendes Instrumentarium zur weiteren Optimierung und Straffung der Bauabläufe von Arbeitsstellen auf Bundesautobahnen vorliegt.

Die nachstehend genannten aktuellen Infrastrukturprojekte tragen zukünftig in besonderem Maße zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit und damit zur Reduzierung von Staus bei:

  • A1 - sechsstreifiger Ausbau von Buchholzer Dreieck – AK Bremen (A-Modell),
  • A1 - sechsstreifiger Ausbau von AS Vechta – AD Ahlhorner Heide,
  • A7 - sechsstreifiger Ausbau zwischen AD Salzgitter und Bockenem sowie demnächst vorgesehener sechsstreifiger Ausbau von Bockenem bis Seesen.
  • A7 - sechsstreifiger Ausbau von Göttingen/Nord bis nördlich AS Nörten-Hardenberg.

Telematische Infrastrukturen kommen zum Einsatz:

  • als Streckenbeeinflussungsanlagen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und Verbesserung des Verkehrsablaufs (Anfang 2011 Fertigstellung der A2 als durchgängig „intelligente Achse“),
  • als Netzbeeinflussungsanlagen zur Umlenkung des Verkehrs bei detektierten Verkehrsstörungen über vorhandene Alternativrouten (in 2012/13 sog. Korridor Nord zwischen Dortmund und Hamburg (s. hierzu auch Ausführungen in der Antwort zu Frage 9), in 2013/14 Netzbeeinflussungsanlage für den Raum östlich von Hannover, Braunschweig, Salzgitter (Autobahnen A2, A391, A39, A7).
  • als Anlagen zur temporären Seitenstreifenfreigabe (TSF) auf Streckenabschnitten mit zeitweisen Kapazitätsengpässen (seit 2005 TSF im Zuge der BAB A7, Bereich Walsrode).

Weitere Untersuchungen, Machbarkeitsstudien und Planungen sind initiiert, um bei gegebener Wirtschaftlichkeit auch Streckenabschnitte mit Engpässen im Zuge der BAB A7 zwischen dem AD Walsrode und dem AD Hannover-Nord, im Zuge der BAB A 1 zwischen dem Horster Dreieck und der Landesgrenze Niedersachsen/Hamburg sowie im Zuge der BAB A2 mit einer Anlage zur temporären Freigabe des Seitenstreifens auszurüsten.

In den Jahren 2012 bis 2014 wird die Hard- und Software der Verkehrsrechnerzentrale auf der Grundlage einer neu entwickelten Software für Verkehrsrechnerzentralen erneuert und um intelligente Steuerungs- und Entscheidungsunterstützungskomponenten erweitert. Damit wird die Zentralentechnik dann dem modernsten Stand für Verkehrsrechnerzentralen entsprechen.

Kernstück und Voraussetzung für weitere Verbesserungen des Verkehrsablaufs und für die Erweiterung der telematischen Infrastruktur (wie z.B. Baustellenmanagementsystem, Störfallmanagementsystem) ist der Aufbau einer zukunftsfähigen kombinierten Verkehrsmanagement-, Verkehrsrechner-, Tunnelleit- und Betriebszentrale. Ein entsprechendes Konzept wurde bereits erarbeitet.

Zu 4.:
Bis Ende 2010 geschah dies vor allem über die Landesinitiative Telematik, sodann durch den daraus hervorgegangenen Verein ITS Niedersachsen und voraussichtlich ab Mitte 2012 durch die neue Landesinitiative Mobilität, die den Schwerpunkt Telematik und Verkehrsmanagement - ergänzt um die Themen Umwelt, Elektromobilität und Intermodalität im Verkehrsbereich- fortführen und weiterentwickeln wird.

Zu 6.:
Verkehrsbeeinflussungsanlagen dienen dazu, die Verkehrsteilnehmer durch dynamische Regulierung der zulässigen Geschwindigkeiten frühzeitig auf Gefahren- und Störungsstellen hinzuweisen, den Verkehrsstrom gleichmäßig zu halten, wegweisende oder verkehrslenkende Hinweise zu geben oder die Leistungsfähigkeitder vorhandenen Infrastruktur durch temporäre Seitenstreifenfreigabe zu steigern. Sie tragen damit nicht nur zur Reduzierung und Vermeidung von Staus bei, sondern leisten durch die Verflüssigung des Verkehrs auch einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Zu 7.:
Im Rahmen der Landesinitiative Telematik entstand ein umfangreiches Netzwerk aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mit mehr als 150 Partnern – neben kleineren und mittleren Unternehmen auch große Firmen wie VW, Siemens und Bosch. Es wurden in Zusammenarbeit mit Partnern insgesamt 26 Technologieprojekte mit einem Volumen von ca. 24 Mio. € bearbeitet. Das eingeworbene Fördervolumen lag bei mehr als 14 Mio. €. Zusätzlich wurden vielfältige Fachveranstaltungen und Messeauftritte organisiert.

Herausragendes Beispiel für die erfolgreiche Arbeit der Initiative ist sicherlich die Einrichtung des Galileo-Anwenderzentrums (GAUSS) am Forschungsflughafen Braunschweig. GAUSS bündelt am Forschungsflughafen Braunschweig die wirtschaftlichen Kompetenzen seiner Mitglieder zur Entwicklung sicherheitskritischer Satellitenanwendungen, auch über die Laufzeit der Landesinitiative Satellitennavigation hinaus.

Die Ortungskomponenten aus der Satellitentechnologie werden künftig bei der Entwicklung von telematischen Fahrzeugkomponenten eine Schlüsselrolle spielen. Sie wird die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und mit der Infrastruktur deutlich verbessern, und durch einheitliche Standards eine Kommunikation europaweit ermöglichen.

Weitere hervorhebenswerte Projekte des Landes Niedersachsen sind die Umsetzung des europaweiten Notrufsystems "eCall" für Deutschland im Rahmen des Projekts "HeERO" zusammen mit dem BMVBS und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und auch die Errichtung des Testfeldes AIM – Anwendungsplattform für Intelligente Mobilität beim DLR in Braunschweig. Des Weiteren konnten viele Einzelentwicklungen in den Themenfeldern Kooperative Systeme und Verkehrsmanagement, Entwicklungen zur Kommunikation zwischen Fahrzeugen mit der Infrastruktur auf den Weg gebracht werden.

In Bezug auf die konkreten Infrastrukturprojekte sei auf die Ausführungen in der Antwort zu den Fragen 3 und 5 verwiesen.

Zu 8.:
Die Gestaltung zukünftiger Maßnahmen im Bereich Intelligenter Verkehrssysteme ist Aufgabenschwerpunkt der neuen Landesinitiative Mobilität. Schwerpunkte sind u. a. auch die Entwicklung sog. kooperativer Systeme durch Vernetzung von „intelligenter Infrastruktur“ mit „intelligenten Fahrzeugen“ ("Car-to-Infrastructure") unter Einbeziehung von satellitengestützten Fahrzeugortungen über Galileo, in starkem Maße auch Entwicklungen der niedersächsischen Fahrzeugindustrie, die innovative fahrzeugseitige Systeme zur Informationsweitergabe zwischen den Fahrzeugen ("C2C") konzipiert.

Im Rahmen der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen ist die zukünftige Ausstattung des Netzes mit intelligenter Infrastruktur an den „Projektplan Straßenverkehrstelematik 2015“ gebunden. Dieser wurde Ende 2010 durch das BMVBS veröffentlicht und enthält für Niedersachsen bis Ende 2015 insgesamt 16 verkehrstelematische Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von ca. 30 Mio. €.

Zu 9.:
Kooperationen mit anderen Bundesländern finden insbesondere im Rahmen der bereits seit mehreren Jahren bestehenden „Länderübergreifende Initiative für strategische Anwendungen im Verkehrsmanagement auf Verkehrskorridoren (LISA)“ statt. Wichtiges Projekt ist in diesem Zusammenhang das länderübergreifende Verkehrsmanagement im Long-Distance-Corridor (LDC) Hamburg-Dortmund (Autobahnen A261, A1, A2, A352, A7, A27) zwischen den hieran beteiligten Bundesländern Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Durch den geplanten Bau einer Netzbeeinflussungsanlage zur Anzeige von Verkehrsinformationen und Verkehrslenkungsempfehlungen an den relevanten Entscheidungspunkten (Autobahnkreuzen und -dreiecken) durch dynamische Wegweiser mit integrierten Stauinformationen (dWiSta) sowie eine lückenlose Verkehrsdatenerfassung entlang dieses Korridors werden die Handlungsmöglichkeiten für ein länderübergreifende Verkehrsmanagement deutlich verbessert.

Des Weiteren ist durch Kooperationen mit den Ländern Berlin, Sachsen-Anhalt, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen die Einrichtung eines länderübergreifenden LDC-Korridors Ost u. a. für die Verkehrsrelationen zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet in Rede. Kooperationen zwischen den Bundesländern erfolgen auch im Bereich der Entwicklung der Verkehrsrechnerzentralen-Software. Zu diesem Zweck haben sich acht Bundesländer u. a. auch Niedersachsen zusammen geschlossen, um durch Vereinheitlichung der Prozesse entsprechende Synergieeffekte generieren zu können.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
11.05.2012

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