Ausbau der Bahnstrecke Aurich–Emden
Die Abgeordnete Hillgriet Eilers (FDP) hatte gefragt:
In weniger als zwei Jahren soll bereits Baubeginn für den Streckenausbau der Bahnstrecke Aurich–Emden sein. Wirtschaftliche Erfordernisse und die Verbesserung des schienengebundenen Personennahverkehrs (SPNV) stehen im Mittelpunkt des geplanten Ausbaus. Auf der einen Seite sollen die Anbindung des Seehafens Emden und der Gütertransport verbessert werden, auf der anderen Seite sollen dem Nachfragezuwachs beim SPNV entsprochen und die Takt- und Verbindungszeiten zwischen den einzelnen Kommunen optimiert werden. Nebenbei sollen der Straßenverkehr in der Region durch die Verlagerung auf die Schiene entlastet und die Anzahl der Bahnübergänge um 90 %, von 100 auf 10, reduziert werden. Die Kosten für dieses Projekt werden mit ca. 68 Millionen Euro taxiert, wobei eine Kostenaufteilung zwischen den Kommunen, dem Land und dem Bund im Gespräch ist.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie beurteilt die Landesregierung den geplanten Ausbau der Bahnstrecke zwischen Aurich und Emden?
- Hält die Landesregierung sämtliche Ziele, positiven Effekte und Zeitpläne, die für das Projekt „LIS-oAES+SPNV“ in Aussicht gestellt werden, für erreichbar (bitte einzeln auf Verkürzung der Reisezeiten, Synergien Bahn-Bus-Verbindungen, Reduzierung Bahnübergänge, Wertsteigerungen von Immobilien, Arbeitsplatzeffekte und Steigerung der Standortqualitäten eingehen)?
- Wenn nicht, welche Ziele und Effekte sind voraussichtlich nicht erreichbar (bitte mit Begründung)?
- Hält die Landesregierung die überschlägige Kostenermittlung für dieses Projekt, wie sie vom Projektleiter LIS-oAES+SPNV veröffentlicht worden ist, für plausibel?
- Rechnet die Landesregierung mit einer Kostensteigerung, wenn ja, warum und in welcher Höhe?
- Für den Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies sind Hafenhinterlandanbindungen von „zentraler Bedeutung“. Gilt dies auch für den Seehafen Emden?
- Wie unterstützt die Landesregierung den geplanten Ausbau zwischen Aurich und Emden, um dem erklärten Ziel, „mehr Gütertransporte auf die Schiene zu bringen“, Rechnung zu tragen?
- Müssen die Anwohner der Bahnstrecke zwischen Aurich und Emden durch den geplanten Ausbau mit einer Steigerung der Lärmbelastung rechnen?
- Wenn ja, wie gedenkt die Landesregierung dem eigenen Anspruch „Für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger muss der bestmögliche Lärmschutz gewährleistet werden“ gerecht zu werden?
- Ist die Aussage in der Ostfriesen-Zeitung vom 15. Mai 2013 zutreffend, dass das Land 50 % der Investitionssumme zahlen soll?
- Wenn nicht, in welcher Höhe wird sich das Land an den Kosten beteiligen?
- In welcher Höhe werden sich die jeweiligen Kommunen an den Kosten beteiligen müssen?
- In welcher Höhe wird sich der Bund an den Kosten beteiligen?
- Werden sich privatwirtschaftliche Nutznießer am Ausbau der Bahnstrecke direkt beteiligen? Wenn ja, welche und in welcher Höhe?
- Wird es mit den „vielen verärgerten Anwohnern“ ein Dialogverfahren geben?
- Wenn ja, wann und wer wird dieses Verfahren einleiten, begleiten und bezahlen?
- Hält die Landesregierung die Aussage in der Ostfriesen-Zeitung vom 15. Mai 2013 für plausibel, dass sich der Personennahverkehr voraussichtlich selbst tragen wird?
Verkehrsminister Olaf Lies beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 23.07.2013 wie folgt:
Der Ausbau der Bahnstrecke Aurich – Emden wird von der Landesregierung sehr begrüßt. Dieses Projekt vereint mehrere Elemente einer nachhaltigen Wirtschafts- und Heimatförderung. Zunächst ist das Projekt ein Beitrag für eine bessere Hinterlandanbindung der Emder Häfen. Des Weiteren bekommen entlang der Strecke Abelitz – Aurich die Firmen einen attraktiven Bahnanschluss nicht nur nach Emden, sondern an alle weiteren Häfen und an das gesamte europäische Schienennetz. Für das überlastete Straßennetz bietet das vergrößerte Lichtraumprofil darüber hinaus eine spürbare Entlastung von Großraum- und Schwerlasttransporten. Die Perspektive für den Schienenpersonennahverkehr kann die Erreichbarkeit von Aurich erheblich verbessern und die Attraktivität der anliegenden Orte zum Wohnen und Arbeiten erhöhen.
Besonders ist das Engagement vor Ort für dieses Projekt zu würdigen. Angesichts einer Bahnverbindung, die aus Abschnitten bundeseigener Schieneninfrastruktur, nichtbundeseigener Hafenbahn und einer Gleisanschlussstrecke mit ihren jeweiligen Regelwerken besteht, ist eine durchgehende Bearbeitung mit einem enormen Aufwand verbunden, der von den jeweils einzelnen Infrastrukturbetreibern nicht zu erwarten ist.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Siehe Vorbemerkung
Zu 2. und 3.:
Die Maßnahmen des Projektes LIS-oAES + SPNV lassen positive Effekte erwarten. Beim SPNV erscheint eine Verkürzung der Reisezeit machbar. Die möglichen Reisezeiten werden unmittelbar durch die künftige Linienführung, das vorgesehene Verkehrsangebot, den auszuarbeitenden Fahrplänen, der angestrebten Betriebsweise und dem Verkehrsaufkommen beeinflusst. Allgemein kann eine Fahrzeit im Schienenpersonennahverkehr von ca. 30 Minuten für eine Strecke von knapp 30 km als realistisch angesehen werden. Die konkret erreichbare Fahrzeit ist im Hinblick auf das Projekt landesseitig nicht geprüft worden. Mögliche Synergien mit dem Busverkehr hängen maßgeblich von der Gestaltung der Linienführung, der Fahrpläne und der Tarife ab. Die bisherigen planerischen Vorbereitungen lassen eine sorgfältige Abstimmung der Nahverkehrsangebote erwarten. Die Reduzierung der Anzahl nicht-technisch gesicherter Bahnübergänge ist aus Verkehrssicherheitsgründen stets zu begrüßen.
Die Gestaltung von Bahnübergangsmöglichkeiten erfolgt sehr individuell je nach Gegebenheiten vor Ort. Es sind i.d.R. Maßnahmen mit Planfeststellung. Aufgrund der unterschiedlichen Verfahrensdauern und erforderlichen personellen Ressourcen bei den entsprechenden Stellen kann keine Einschätzung zur zeitlichen Umsetzung aller Bahnübergangsmaßnahmen gegeben werden. Zu den strukturellen Effekten liegen der Landesregierung keine dezidierten Untersuchungsergebnisse vor. Eine Befragung der IHK 2005 in einer anderen niedersächsischen Stadt hat z.B. ergeben, dass von den ortsansässigen Unternehmen ein fehlendes SPNV-Angebot als negativer Standortfaktor bewertet wurde. Es ist daher zu erwarten, dass die Standortfaktoren durch das Projekt verbessert werden.
Zu 4. und 5.:
Das Land Niedersachsen ist bislang in einen Teil der Kosten für die Infrastrukturmaßnahmen involviert. Diese kalkulatorischen Kostenangaben sind plausibel. Über Änderungen der zu erwartenden Kosten kann das Land keine Aussage treffen, da dem Land nicht bekannt ist, inwieweit noch welche Planungsentscheidungen offen sind. Außerdem ist geplant, das Projekt in einzelnen Stufen zu realisieren. Die letztendlichen Kosten sind also abhängig von der Gestaltung der Stufen und deren zeitlichen Umsetzung.
Zu 6.:
Ja, siehe Vorbemerkung.
Zu 7.:
Die Landesregierung unterstützt das Projekt LIS-oAES + SPNV durch einen entsprechenden Vorschlag für die Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans beim Bund für die Strecke 1570 Emden – Norden. Außerdem beteiligt es sich konstruktiv über die landeseigene Hafenbahn (NPorts) am Projekt.
Zu 8. und 9:
Nein, es wird in der Summe mit einer geringeren Lärmbelastung gerechnet, weil zum einen der Verkehr auf der Straße verringert wird und weil zum anderen durch die technische Sicherung von Bahnübergängen Pfeifsignale an den heute nicht-technisch gesicherten Bahnübergängen entfallen. Außerdem setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass die erforderliche neue Brücke über das Emder Fahrwasser für möglichst viele Züge genutzt wird, damit die heutigen Lärmbelastungen durch das Brückendröhnen reduziert werden.
Sollte es noch weiteren Erörterungsbedarf geben, wird sich die Landesregierung offen für einen transparenten Kommunikationsprozess zeigen.
Zu 10.:
Nein.
Zu 11.:
Zu den Maßnahmen für den Güterverkehr siehe Antwort zu Punkt 7. Die Reaktivierung des SPNV auf der Verbindung Abelitz – Aurich wird aus Landessicht nicht isoliert betrachtet. Vielmehr steht eine derartige Entscheidung im Zusammenhang mit der landesweiten Strategie für eine Reaktivierung von Strecken im SPNV. Derzeit läuft ein mehrstufiges Untersuchungsverfahren. Zunächst wurden Untersuchungskriterien erarbeitet, die Anfang August mit den betroffenen Kreisen erörtert werden. Diese vergleichende Untersuchung wird am Ende die Basis für eine Entscheidung über mögliche Reaktivierungen bilden. Den Ergebnissen dieser Untersuchung kann nicht vorgegriffen werden. Auch bei der Straßengestaltung bestehen enge Kontakte zwischen Projektleitung und Niedersächsischer Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr.
Zu 12.:
Die Projektleitung einschließlich Finanzierungsaufstellung liegt bei der Eisenbahninfrastrukturgesellschaft Aurich – Emden GmbH (EAE). Diese steht mit den Kommunen im Austausch.
Zu 13.:
In Gesprächen mit dem Bund, die das Land moderiert hat, wurde eine Beteiligung des Bundes über den neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 erörtert. Siehe hierzu auch Antwort zu Frage 7.
Zu 14.:
Auch die privatwirtschaftlichen Nutznießer stehen wie die Kommunen in direktem Kontakt mit der EAE.
Zu 15. und 16.:
Bislang zeichnet sich das Projekt durch einen sehr offenen Kommunikationsstil und eine frühzeitige Einbeziehung aller Anwohner aus. Sollten sich dennoch Anwohner übergangen fühlen, setzt sich die Landesregierung für ein verbessertes Dialogverfahren ein. Bislang ist hier kein Bedarf für ein zusätzliches Verfahren erkennbar.
Zu 17.:
Die Idee eines sich selbst tragenden Personennahverkehrs ist für die Landesregierung interessant, werden doch bisher nahezu alle SPNV-Leistungen in Niedersachsen durch das Land finanziert. Die beteiligten Akteure haben Erfahrungen mit eigenwirtschaftlichem SPNV unter sehr speziellen Randbedingungen. Ob die Randbedingungen für ein eigenwirtschaftliches SPNV-Angebot nach Aurich ebenfalls geeignet sind, kann mangels weiterer Vergleichsprojekte nicht beurteilt werden. Grundsätzlich ist der Ansatz zu begrüßen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
30.08.2013
zuletzt aktualisiert am:
24.10.2013
Ansprechpartner/in:
Herr Stefan Wittke
Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
Pressesprecher
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