„Deutschland-Fonds“: Was hält die Landesregierung von Sonder- oder Zwangsabgaben der heimischen Wirtschaft für Flüchtlinge?
Plenum 15. Oktober 2015 - Mündliche Anfragen
Abgeordnete Gabriela König und Christian Grascha (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Die Bewältigung des Flüchtlingszustroms erfordert zunehmend pragmatische Lösungen auf drängende Fragen zur Integration von ungezählten Flüchtlingen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) beziffert, dass weniger als 10 % der Flüchtlinge direkt in eine Ausbildung bzw. in den Arbeitsmarkt vermittelt werden können (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/
arbeitslosenzahl-steigt-durch-fluechtlinge-laut-andrea-nahles-13795574.html). Sie spricht davon, dass es mindestens ein Jahr dauern werde, bis Flüchtlinge sich in Richtung Ausbildungs- und Arbeitsmarkt orientieren könnten. Experten sprechen davon, dass die Wirtschaft frühestens in fünf oder zehn Jahren vom Flüchtlingsstrom profitieren werde. Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) hält es für verkraftbar, dass Deutschland auch in den nächsten Jahren in großem Stil Flüchtlinge aufnimmt. „Ich glaube, dass wir mit einer Größenordnung von einer halben Million für einige Jahre sicherlich klarkämen. Ich habe da keine Zweifel - vielleicht auch mehr“ (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-gabriel-haelt-500-000-pro-jahr-fuer-verkraftbar-a-1051862.html).
Bisherige politische Forderungen beschränkten sich darauf, dass der Bund sich vermehrt an den direkten Kosten des plötzlichen Flüchtlingsstroms, dessen tatsächliche Ursachen selbst unter Migrationsexperten unklar sind (http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/kommentar-sigmar-gabriel-der-fluechtlingsminister-13817632.html), beteiligen solle. Diese Diskussion wird seit dem 26. September 2015 durch einen dreiseitigen Beitrag „Was jetzt zu tun ist“ von Bündnis90/Die Grünen ergänzt. Kernpunkt des Papiers ist der Ruf nach einem „Deutschlandfonds für Integration“, in den Unternehmen und Staat zu gleichen Teilen einzahlen. „In diesen Deutschlandfonds für Integration sollte die Wirtschaft 500 Millionen Euro und der Bund 300 Millionen Euro einzahlen“ (https://www.tagesschau.de/inland/wasjetztzutunist-101~_origin-6e3bd55d-9d6a-4eb0-888a-fb5bb48b4f4a.pdf). Diesem Ansatz könnte die Aussage des Vizekanzlers Gabriel entgegenstehen, der Steuererhöhungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingshilfe ausschließt (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-gabriel-haelt-500-000-pro-jahr-fuer-verkraftbar-a-1051862.html).
Bisher wurde das Engagement der deutschen Wirtschaft bei der Integration von Flüchtlingen von den meisten politischen Parteien gelobt. Das freiwillige Engagement der Wirtschaft erstreckt sich auf die Bereitstellung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, die überbetriebliche Ausbildung bis hin zu Sprachkursen. Die deutsche Wirtschaft leistet darüber hinaus einen erheblichen Anteil am stetig wachsenden Steueraufkommen von Bund, Ländern und Kommunen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der Zustrom von Flüchtlingen, die derzeit Schutz in Deutschland suchen, ist ungebrochen und stellt aktuell die zentrale Herausforderung für Staat, Zivilgesellschaft und die Wirtschaft dar. Viele Unternehmen sind bereit, Asylsuchende und Flüchtlinge zu beschäftigen und so einen wesentlichen Beitrag zu leisten, damit diese Menschen in Deutschland Fuß fassen können. Sie stellen Mitarbeiter frei, die sich ehrenamtlich engagieren, spenden Millionenbeträge, stellen Kommunen leer stehende Gebäude als Flüchtlingsunterkünfte mietfrei zur Verfügung und beteiligen sich vor Ort mit Sach- und Geldspenden an Integrationsprojekten. Mit ihrem Engagement leistet die Wirtschaft damit schon jetzt ihren Beitrag zur Willkommenskultur. Zudem hat Bundesfinanzminister Schäuble wiederholt erklärt, dass die Bewältigung von Aufgaben in Zusammenhang mit der steigenden Anzahl von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in Deutschland ohne neue Schulden bewältigt werden kann.
1. Wie steht die Landesregierung zur politischen Forderung, die Integration von Flüchtlingen durch millionenschwere Sonderabgaben, wie sie aktuell von der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen thematisiert werden, zu finanzieren?
Die Landesregierung sieht derzeit keine Veranlassung, sich mit einer solchen Forderung auseinander zu setzen.
2. Wie viel „Luft“ hat nach Auffassung der Landesregierung die niedersächsische Wirtschaft, neben den bereits vorhandenen fiskalischen, bürokratischen und betriebsindividuellen Belastungen und neben ihrem freiwilligen Engagement bei der Integration von Flüchtlingen, um noch Sonderabgaben leisten zu können?
Eine generalisierende Antwort zu den betriebsspezifisch bestehenden Handlungsmöglichkeiten ist nicht möglich.
3. Werden weitere Belastungen der Wirtschaft von der rot-grünen Landesregierung kleingeredet und rufen sie nur bei eigener Betroffenheit, z. B. Tariftreue- und Vergabegesetz (NTVergG) oder Vorgabe des Baurechts Gesetzesänderungen oder Ausnahmeregelungen hervor?
Gesetzesänderungen, Ausnahmeregelungen und sonstige Initiativen der Landesregierung in diesem Zusammenhang haben das Ziel, die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zu beschleunigen, zu verbessern oder überhaupt zu ermöglichen. Dabei wird nicht zwischen Landes- und anderen Aufgaben differenziert.