Kontrolle von Geldwäsche in Niedersachsen nach dem Zufallsprinzip?
Der Abgeordnete Rolf Meyer (SPD) hatte gefragt:
Nach dem im vergangenen Jahr beschlossenen Geldwäschegesetz ist den Landkreisen die Durchführung der Kontrolle übergeben worden. Schon bei der Anhörung zur Gesetzgebung hat der Niedersächsische Landkreistag deutlich gemacht, dass die Übertragung dieser Aufgabe nach seiner Auffassung an andere Institutionen sinnvoller gewesen wäre. Wie sieht jetzt die Praxis aus?
Nach Informationen aus den Landkreisen Uelzen und Celle sind Mitarbeiter eher nebenbei (Einviertelstelle) unterwegs, um Stichproben zu machen. Allein im Landkreis Celle sind geschätzt mehr als 2 000 Verpflichtete zu kontrollieren: An- und Verkauf von Pkw, Bunt- und Edelmetallhändler, Auktions- und Pfandhäuser, Kunst- und Antiquitätenhändler, Galeristen, Juweliere, Yacht- und Bootshändler u. a. m.
Im Vergleich dazu unterhalten Banken und Sparkassen Apparate zur Durchführung dieser Kontrollen.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung mit der Laufbahnprüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst haben 2012 eine Fortbildungsmaßnahme gemacht bzw. konnten ein Gefühl für das Thema entwickeln. Die Kosten der Kontrolltätigkeiten der Landkreise werden durch das Land nicht erstattet, weil man sie beim Land als so gering einschätzt, dass es keines Kostenausgleichs bedürfe. Je nach Eingruppierung fallen für eine Viertelstelle Ausgaben von rund 20 000 Euro pro Jahr an.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie wird die Geldwäschekontrolle in den Landkreisen praktisch umgesetzt (nach Landkreisen aufgelistet: Zahl des eingesetzten Personals und Anzahl der Stichproben)?
- Wie viele Stichproben hält das Land je Landkreis für ausreichend, um eine wirksame Kontrolle der Geldwäsche durchführen zu können?
- In wie vielen Fällen konnten bisher Verstöße gegen das Geldwäschegesetz festgestellt werden?
- Welche Kosten fallen in den Landkreisen für die Kontrollen an?
- Wie begründet die Landesregierung angesichts der tatsächlichen Kostenlage ihre Ablehnung der Anwendung des Konnexitätsprinzips?
Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 28.11.2012 wie folgt:
Die Niedersächsische Landesregierung hat mit Wirkung vom 01.07.2011 die Region Hannover, die Landkreise und die kreisfreien Städte als zuständige Aufsichtsbehörden über den Nichtfinanzsektor gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 9 Geldwäschegesetz (GwG) i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustVO-Wirtschaft) i.V.m. Nr. 4.4 der Anlage zu § 1 Abs. 1 ZustVO-Wirtschaft bestimmt.
Die Zuständigkeitszuordnung in der Bundesrepublik ist nicht homogen. Der dezentralen, kommunalen Zuständigkeitsübertragung liegt in Niedersachsen ein intensiver landesinterner Abstimmungsprozess der beteiligten Ressorts (MF, MI, MJ und MW) zugrunde.
Die o. g. Geldwäscheaufsichtsbehörden in Niedersachsen sind zuständig für:
- Finanzunternehmen i.S.d. § 1 Abs. 3 KWG mit Ausnahme der Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 GwG),
- Versicherungsvermittler i.S.d. § 59 VVG – mit Ausnahme der Versicherungsvermittler nach § 34 Abs. 3 und 4 GewO – soweit sie Lebensversicherungen und Dienstleistungen mit Anlagezweck vermitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 GwG),
- registrierte Personen i.S.d. § 10 RDG (§ 2 Abs. 1 Nr. 7a GwG),
- Dienstleister für Gesellschafter und Treuhandvermögen oder Treuhänder mit Ausnahme der Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 GwG),
- Immobilienmakler (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG) und
- Güterhändler (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 GwG).
Die Fachaufsicht liegt beim MW.
Zuständige Vollzugs- und Fachaufsichtsbehörde für den Bereich der Spielbanken (§ 2 Abs. 1 Nr. 11 GwG) ist in Niedersachsen das MF.
Nach der Aufgabenübertragung auf die Kommunen wurde durch MW – in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA), der Generalstaatsanwaltschaft Celle (GStA) und dem MI – im September 2011 gegenüber den nachgeordneten Aufsichtsbehörden folgende Risikoanalyse vorgenommen:
Der Focus zukünftiger Kontrollen sollte schwerpunktmäßig und stichprobenartig auf nachstehend genannte Berufsgruppen / Branchen gelegt werden (Erlass des MW v. 01.09.2011, Az. 21-32012/0004)
- An- und Verkauf / Im- und Export von gebrauchten Kfz,
- Bunt- und Edelmetallhändler bzw. -aufkäufer,
- Auktions- und Pfandhäuser, Kunst- und Antiquitätenhändler, Galeristen, Juweliere,
- Yacht- und Bootshändler.
Den zuständigen Aufsichtsbehörden nach dem GwG wurden und werden in Niedersachsen darüber hinaus fortlaufend aktuelle Auslegungs- und Anwendungshinweise zur Berücksichtigung bei der Wahrnehmung ihrer Aufsichtstätigkeiten zur Verfügung gestellt.
Zur Schulung der Mitarbeiter der kommunalen Aufsichtsbehörden in Niedersachsen wurden u.a. vom Niedersächsischen Studieninstitut (NSI) vier Fortbildungsveranstaltungen zum Thema „Die Aufsichtsbehörde nach § 16 Geldwäschegesetz“ angeboten, welche seitens der zuständigen Behörden auch in Anspruch genommen wurden. Darüber hinaus fand am 10.05.2012 in Zusammenarbeit mit dem LKA, der GStA und der OFD Niedersachsen eine umfangreiche Informationsveranstaltung für die Mitarbeiter der Kommunen zur Durchführung der Aufsicht nach dem Geldwäschegesetz statt.
Aufgrund des derzeit auf EU-Ebene anhängigen 2. Follow-Up-Prozesses der Financial Action Task Force (FATF) sind alle Mitgliedstaaten gehalten, zum Jahreswechsel gegenüber der FATF über die bisherigen Aufsichtstätigkeiten zur Geldwäscheprävention zu berichten. Die Bundesländer waren aufgefordert, bis Ende Oktober 2012 einen endgültigen Bericht dem Bundesfinanzministerium vorzulegen, um die im jeweiligen Land im Jahre 2012 bisher vorgenommenen Aufsichtstätigkeiten zu dokumentieren. Aus diesem Grunde hatte MW von den kommunalen Aufsichtsbehörden sowohl Mitte Mai 2012 als auch ergänzend Mitte Oktober 2012 entsprechendes Berichts- und Zahlenmaterial angefordert. Entsprechende Berichte und Zahlen liegen MW mittlerweile vor, so dass auf eine erneute Umfrage bei den Aufsichtsbehörden im Zusammenhang mit der vorliegenden Kleinen Anfrage aufgrund des erheblichen Aufwands bei den Kommunen verzichtet wurde.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Für die Wahrnehmung der Aufsicht nach dem GwG wurden – auf den Erfahrungen aus Baden-Württemberg aufbauend – seinerzeit niedersachsenweit acht Vollzeitstellen mit einem Wochenstundenumfang von je 40 Stunden angesetzt. Der konkrete Einsatz des Personals liegt jedoch aufgrund der kommunalen Selbstverwaltung und der damit verbunden Personalhoheit bei den Kommunen selbst.
Den Berichten der Aufsichtsbehörden ist zunächst positiv zu entnehmen, dass nahezu flächendeckend Aufsichtsmaßnahmen eingeleitet wurden. Die Information der nach dem Geldwäschegesetz Verpflichteten wurde überall vorgenommen (Neugestaltung der Internetauftritte, Pressemitteilungen, direkte Anschreiben an Verpflichtetenkreis, Vor-Ort-Kontrollen etc.). Aufgrund der sehr unterschiedlichen Struktur der einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte ist allerdings auch festzustellen, dass die Spanne der bisher getroffenen Maßnahmen noch auseinanderklafft. Teilweise sind die notwendigen Organisationsvoraussetzungen erst geschaffen worden, teilweise befinden sich die Behörden in der konkreten Informationsphase der Verpflichteten, teilweise wird die Erfassung der Verpflichteten in eigener Zuständigkeit oder unter Beteiligung der unteren Gewerbebehörden vor Ort betrieben, teilweise wurden die Verpflichteten angeschrieben und Überprüfungen anhand von Fragebogen vorgenommen, teilweise sind auch bereits die konkreten Vor-Ort-Prüfungen der Verpflichteten angelaufen.
Die Erfassung und Erstellung von umfassendem Datenmaterial ist in diesem Stadium daher noch nicht flächendeckend möglich. Aufgrund der vorliegenden Mitteilungen aus den Kommunen können zum jetzigen Zeitpunkt jedoch die folgenden konkreten Aussagen getroffen werden:
Seitens der Aufsichtsbehörden wurden zahlenmäßig bisher 4.154 Fälle gemeldet, in denen die Verpflichteten angeschrieben wurden. Von diversen Kommunen wurden hingegen keine konkreten Zahlen benannt, vielmehr wurde bescheinigt, dass Verpflichtete teilweise flächendeckend, teilweise stichprobenartig angeschrieben wurden. Damit dürfte die Anzahl der angeschriebenen Verpflichteten niedersachsenweit deutlich über 5.000 liegen.
Überwiegend wurden den Verpflichteten Fragebögen übersandt, welche von diesen ausgefüllt zurückgesendet werden sollten. Die Rückläufe dieser Fragebögen sind ebenfalls von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich, wobei jedoch insgesamt ein sehr geringer Rücklauf zu verzeichnen ist, so dass erneute Erinnerungen und Androhungen erfolgen mussten/müssen.
Bzgl. der Vor-Ort-Kontrollen ist zu berichten, dass eine flächendeckende Kontrolltätigkeit noch nicht aufgenommen werden konnte. Allerdings stehen diese in vielen Fällen unmittelbar bevor bzw. sollen Anfang 2013 aufgenommen werden. Zahlenmäßig berichtet wurde von den Aufsichtsbehörden, dass in ca. 50 Fällen Vor-Ort-Kontrollen stattgefunden haben. Eine Konzentration der Überprüfungen fand insoweit der Erlasslage in Niedersachsen folgend bei den Güterhändlern (dort überwiegend bei den Kfz-Gebrauchtwagenhändlern, aber auch Juwelieren und Auktionatoren) sowie den Immobilienmaklern statt. Dabei wurden die Kontrollen stichprobenartig zunächst bei denjenigen Verpflichteten vorgenommen, deren Angaben eine hohe Zahl von Bargeldgeschäften auswiesen, die hohe Unkenntnis zu den Anforderungen des Geldwäschegesetzes zeigten bzw. die unvollständig, widersprüchlich oder auch gar nicht erfolgt waren.
In sechs Fällen wurden bei diesen Vor-Ort-Kontrollen Verstöße der Verpflichteten gegen die Pflichten nach dem Geldwäschegesetz festgestellt. In drei Fällen wurde die erforderliche Dokumentation nicht im notwendigen Umfange durchgeführt, in zwei Fällen wurden die zuständigen Mitarbeiter nicht hinreichend geschult und in einem Falle ist der Verpflichtete einer Beendigungsverpflichtung nicht nachgekommen. Nach Aussage der jeweiligen Aufsichtsbehörden bewegten sich die Mängel jedoch ausschließlich im leichten, in einem Falle im mittelschweren Bereich. Die betroffenen Verpflichteten wurden entsprechend über ihre bestehenden Pflichten nach dem Geldwäschegesetz aufgeklärt und es haben anschließende Nachkontrollen stattgefunden.
Zu 2.:
Eine flächendeckende und umfassende Kontrolle aller Verpflichteten ist aufgrund der Vielzahl nicht durchführbar. Daher wurden den kommunalen Aufsichtsbehörden entsprechende Hinweise zur Sensibilisierung und Durchführung von Stichprobenkontrollen zur Verfügung gestellt. Eine konkrete Anzahl an notwendigen Stichproben zu benennen, wäre aufgrund der Vielschichtigkeit der Kommunen (Vielfalt, Größe, Wirtschaftsstruktur etc.) verfehlt. Die Aufsichtsbehörden sollen unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse angemessen stichprobenartige Kontrollen durchführen, um die betroffenen Wirtschaftskreise zu einem rechtstreuen Verhalten anzuhalten. Zugleich soll von den Kontrollen und Sanktionen eine abschreckende Wirkung ausgehen, soweit die Betroffenen ihre geldwäscherechtlichen Pflichten missachten.
Zu 3.:
Bisher wurden MW landesweit 6 Verstöße nach dem Geldwäschegesetz gemeldet. Nähere Einzelheiten wurden bereits bei der Beantwortung zu Frage 1 ausgeführt.
Zu 4.:
Aufgrund der dargestellten derzeit noch unterschiedlichen Aktivitäten in den verschiedenen kommunalen Aufsichtsbehörden sind konkrete Aussagen über die den Kommunen letztlich tatsächlich entstehenden Kosten noch nicht hinreichend ermittelbar. Bei dem kalkulierten Bedarf von acht Stellen der Laufbahngruppe 2, erstes Einstiegsamt, ergibt sich ein Kostenaufwand von ca. 660.000 € landesweit (vgl. RdErl. d. MF v. 7. Mai 2010, Nds. MBl. S. 546).
Zu 5.:
Die Landesregierung lehnt die Anwendung des Konnexitätsprinzips nicht ab. Vielmehr wird ein Kostenausgleich nach Artikel 57 Abs. 4 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung (NV) nicht ausgelöst (vgl. Nr. 2.4 der Erläuterungen zu Artikel 57 Abs. 4 NV (Konnexität) des MI vom 4. Oktober 2010). Danach sind in der Regel Kosten dann als unerheblich anzusehen, wenn sie unter 25 Cent je Einwohner liegen. Für ganz Niedersachsen (ca. 8 Mio. Einwohner) ist die „Bagatellgrenze“ damit bei ca. 2 Mio. € anzusetzen. Diese Grenze wird jedoch deutlich unterschritten.
Artikel-Informationen
erstellt am:
07.12.2012