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Massentierhaltung in Bad Gandersheim

Die Abgeordnete Marianne König (LINKE) hatte gefragt:

Die Landesregierung hat in einem Vertrag mit der Stadt Bad Gandersheim eine Entschuldung in Millionenhöhe vereinbart. Diese soll garantieren, dass die Stadt die Aufgabe, den Kurort als Bade-, Kultur- und Touristikstandort zu erhalten und zu festigen, auch weiterhin wahrnehmen kann. Dazu gehören auch die Erhaltung der Landschaft und der Naturschutz. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Kurgebiet der Stadt soll nun über eine Änderung des Flächennutzungsplans eine Hähnchenmastanlage mit einer Kapazität von 84 000 Tieren pro Mastdurchgang gebaut werden. Anwohner befürchten, dass bei Verwirklichung dieses Vorhabens die Auswirkungen für die Kurstadt Bad Gandersheim mit ihren im Regionalen Raumordnungsprogramm festgeschriebenen Aufgaben verheerend sein werden. Bürgerinitiativen, die sich anderenorts vergeblich gegen Hähnchenmastanlagen zur Wehr gesetzt haben, berichten von massiven Geruchsbelästigungen und erhöhten Nitratwerten im Trinkwasser.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie beurteilt die Landesregierung das Vorhaben, eine Hähnchenmastanlage in unmittelbarer Nähe der Kurstadt Bad Gandersheim zu errichten, in der Menschen Gesundheit und Erholung finden sollen?
  2. Was tut die Landesregierung, um die Gefahr abzuwenden, dass die Stadt Bad Gandersheim den Status als Heilbad verliert?
  3. Wie schätzt die Landesregierung die Möglichkeit ein, dass Landesbehörden das Vorhaben verhindern, um den Kurstandort Bad Gandersheim zu erhalten?
  4. Welche Auswirkungen hätte eine mögliche Gefährdung des Kurbetriebs durch die Hähnchenmastanlage auf die Mittelgewährung zur Entschuldung der Kommune?


Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 17.12.2012 wie folgt:

geplante Tierhaltungsanlage erfordert die Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Bad Gandersheim nordöstlich des Ortsteils Clus, die, wie raumordnerische Prüfungen ergeben haben, jedoch nicht mit den Zielen der Raumordnung vereinbar ist.

Daher bedarf es zuvor einer Änderung des Regionalen Raumordnungsprogrammes 2006 des Landkreises Northeim. Dieser hat als Träger der Regionalplanung im Mai 2012 Planungsabsichten für ein vereinfachtes Änderungsverfahren des Regionalen Raumordnungsprogramms bekannt gegeben. Die sich noch im Verfahren befindliche Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramm beinhaltet die Herausnahme der Vorranggebietsausweisung „Regional bedeutsame Sportanlage Golfsport“ und eine Verkleinerung des ebenfalls dort liegenden geplanten Hochwasserrückhaltebeckens. Die Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms ermöglicht der Stadt Bad Gandersheim die erforderliche Änderung ihres Flächennutzungsplans.

Die Raumordnung/Regionalplanung kann in Bezug auf Tierhaltungsanlagen nur dann eine Steuerungswirkung wahrnehmen, wenn es sich um raumbedeutsame Anlagen handelt. Nach § 15 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes (ROG) kann die Raumverträglichkeit raumbedeutsamer Anlagen in einem besonderen Verfahren, dem Raumordnungsverfahren, überprüft werden. Dabei sind die raumbedeutsamen Auswirkungen der Planung oder Maßnahme vom Träger der Regionalplanung unter überörtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Für die Beurteilung der Raumbedeutsamkeit ist jedoch nicht ausschließlich die Anzahl der Tierhaltungsplätze entscheidend (im vorliegenden Fall 84.000 Tiere), sondern auch die Auswirkungen der Anlage auf den Raum.

Ob eine Raumbedeutsamkeit zu bejahen wäre und ob dem Vorhaben aus raumordnerischer Sicht etwas entgegensteht, müsste der Träger der Regionalplanung auf Ebene der Regionalplanung prüfen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Es ist Ziel der Landesregierung, eine moderne, wettbewerbsstarke und nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen. Dabei müssen die Anforderungen des Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzes gleichermaßen erfüllt werden. Die Landwirtschaft muss sich bei der Produktion nicht nur nach den Markterfordernissen, sondern auch nach rechtlichen und gesellschaftlichen Vorgaben zum Umwelt- und Tierschutz richten. Tierschutz einschließlich Tiergesundheit, Verbraucherschutz, Umweltschutz, wirtschaftliche Erfordernisse und die Ansprüche der Wohnbevölkerung müssen miteinander in Einklang gebracht werden, um die berechtigten Nutzungsinteressen vor Ort auszugleichen.

Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um ein konkretes immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren, sondern zunächst um die Änderung des Flächennutzungsplans. Der Prüfung des Vorhabens im Rahmen der Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz kann daher nicht vorgegriffen werden, sondern nachfolgend lediglich eine Einschätzung vorgenommen werden: Für die Durchführung des Genehmigungsverfahrens einer Masthähnchenanlage mit 84.000 Stallplätzen sind im Wesentlichen das Bundes-Immissionsschutzgesetz, die Verordnungen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz und die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) einschlägig. Bei Beachtung dieser Bestimmungen und Festschreibung der vorgegebenen Grenzwerte im Genehmigungsbescheid ist davon auszugehen, dass der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen gewährleistet ist und eine Gefährdung durch schädliche Umwelteinwirkungen ausgeschlossen ist.

Zu 2.:
Die Stadt Bad Gandersheim ist gemäß § 2 der Verordnung über die staatliche Anerkennung von Kur- und Erholungsorten (KurortVO) als Soleheilbad staatlich anerkannt. Der Bau einer Hähnchenmastanlage wäre per se kein Grund, um die staatliche Anerkennung als Heilbad zu entziehen. Ein Heilbad muss zwar bestimmte Anforderungen an Luftqualität, Immissionen, Infrastruktur etc. erfüllen („Kurortcharakter“), dieses gilt jedoch nur für das anerkannte Kurgebiet. Die staatliche Anerkennung Bad Gandersheims bezieht sich lediglich auf den „Kernort“. Der Bau der Hähnchenmastanlage ist für Ortsteile 2 bis 3 km außerhalb des Kurgebietes vorgesehen (OT Clus und Dankelsheim).

Eine Beeinträchtigung der Anerkennungsvoraussetzungen durch das Vorhandensein einer Hähnchenmastanlage 2 bis 3 km außerhalb des Kurgebietes ist nicht erkennbar. Durch die Lage der Hähnchenmastanlage außerhalb des Kurgebietes, verbunden mit den hohen Auflagen die ohnehin bei der Errichtung einer Hähnchenmastanlage zu erfüllen sind, ist eine Beeinträchtigung der Anerkennungsvoraussetzungen nicht zu erwarten.

Zu 3.:
Die oberste Landesplanungsbehörde hat keine Möglichkeit das Vorhaben auf der Grundlage des Landes-Raumordnungsprogrammes (LROP) zu verhindern. Aus Sicht der Raumordnung handelt es sich um einen lösbaren Konflikt zwischen dem Status der Stadt Bad Gandersheim als Heilbad und der Planungsabsicht zur Errichtung einer Tierhaltungsanlage. Die bezüglich Tourismus, Gesundheit und Erholung einzubringenden Belange können hinreichend auf Ebene der Regionalplanung in die Raum- und Umweltverträglichkeitsprüfung einbezogen werden.

Die dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA) vorliegenden Untersuchungsergebnisse über Nitratwerte in der öffentlichen Wasserversorgung in Bad Gandersheim (Versorgungsgebiete, aus denen pro Tag mindestens 10 m3 Trinkwasser abgegeben oder mehr als 50 Personen versorgt werden) liegen weit unter dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung von 50 mg/l. Untersuchungsergebnisse zu kleineren Wasserversorgungsanlagen, insbesondere Hausbrunnen, sind nicht meldepflichtig und liegen der Landesregierung daher nicht vor.

Zu 4.:
Die Gewährung der Entschuldungshilfe für die Stadt Bad Gandersheim ist mit Abschluss des Zukunftsvertrages am 02.09.2010 erfolgt. Die Auszahlung der Mittel wird von der Landesregierung durch den Bau einer Hähnchenmastanlage nicht infrage gestellt.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
27.12.2012

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