„Neuer Lotto-Staatsvertrag: Oddset- und Internetspiel - Negative finanzielle Auswirkungen insbesondere auf Annahmestellen im ländlichen Raum“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28.09.2012- TOP 39. Antwort von Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Dieter Möhrmann (SPD)
Der Abgeordnete Dieter Möhrmann (SPD) hatte gefragt:
Nach Angaben von Betreibern von Lotto-Annahmestellen in Niedersachsen insbesondere im ländlichen Raum fürchten ca. 1 900 von insgesamt 2 400 Betrieben jährlich mehrere Tausend Euro Umsatzverluste; denn nur noch 500 Annahmestellen sollen das Oddset-Angebot behalten.
Außerdem wird durch die Zulassung des Internetspiels und die Nichtbeteiligung der Annahmestellen an diesen Umsätzen die wirtschaftliche Existenz zusätzlich gefährdet. Fachleute befürchten einen weiteren Umsatzrückgang von 30 %. Insbesondere die kleineren Annahmestellen weisen darauf hin, dass erst sie „Lotto über Jahrzehnte groß gemacht hätten“.
Anscheinend wird in dieser Sache in anderen Bundesländern anders vorgegangen. So sollen in Rheinland-Pfalz alle Annahmestellen Oddset weiter verkaufen dürfen, und es soll auch eine direkte Beteiligung der Annahmestellen am Internetumsatz der Lotto-Gesellschaft geplant sein.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie beurteilt sie den im Vorspann geschilderten Sachverhalt, insbesondere mit seinen Wirkungen im ländlichen Raum, wo den Betreibern immer mehr Umsätze auch aus anderen Geschäftsbereichen wegbrechen?
- Welche rechtlichen Vorgaben gibt es zu dem Thema in Niedersachsen?
- Mit welcher Begründung sind die Bereiche Oddset und Internetspiel in welchen Bundesländern in den Glücksspielverordnungen und wie anders geregelt?
Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Derzeit dürfen in Niedersachsen in bis zu 1.950 von 2.400 Toto-Lotto-Annahmestellen die auf Grundlage des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland aus dem Jahr 2008 zu Zeiten des Sportwettmonopols entwickelten sogenannten Oddset-Sportwetten im Rahmen einer Übergangsregelung vermittelt werden. Dem Geschäftsbericht der Toto-Lotto-Niedersachsen GmbH für das Jahr 2011 ist zu entnehmen, dass bezogen auf die angebotenen Glücksspiele auf Oddset ein Spielgeschäftsanteil von lediglich 2% entfiel. Einige Landeslotteriegesellschaften haben angekündigt, das auslaufende Oddset-Sportwettenangebot in modifizierter Form nach der seit 1. Juli 2012 geltenden neuen Rechtslage fortführen zu wollen und haben zu diesem Zweck die privatrechtlich organisierte Oddset Deutschland GmbH (ODS GmbH) gegründet. Die Toto-Lotto Niedersachsen GmbH ist nicht an der ODS GmbH beteiligt.
Im Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag) haben sich die Regierungschefinnen und -chefs von 15 Ländern (mit Ausnahme Schleswig-Holsteins) auf grundlegende Neuregelungen zum Glücksspielrecht geeinigt, die zum 1. Juli 2012 in Kraft getreten sind. Eine wesentliche Neuerung ist die Öffnung des Internets für erlaubte Glücksspiele.
Die Regelungen des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages im Bereich der Sportwetten sehen vor, dass im Rahmen einer zunächst auf sieben Jahre befristeten Experimentierklausel das staatliche Sportwettenmonopol aufgehoben wird und maximal 20 Konzessionen erteilt werden können. Der Markt wird für private Sportwettveranstalter geöffnet. Alle Anbieter, unabhängig davon, ob es sich um staatliche oder private handelt, müssen sich dem Wettbewerb um die 20 Konzessionen stellen. Das zentral zuständige Land Hessen wird die Konzessionen voraussichtlich frühestens Ende des Jahres 2012 erteilen können. Die ODS GmbH hat avisiert, sich um eine Konzession bewerben zu wollen. Ob die ODS GmbH tatsächlich eine Konzession erhalten wird, wird der Ausgang des Konzessionsverfahrens zeigen.
In den Staatvertragsländern vermittelt werden dürfen die Sportwetten in sogenannten Wettvermittlungsstellen. In ihren Ausführungsgesetzen treffen die Länder ergänzende Regelungen zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag. Nach den ebenfalls am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Änderungen des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes, wird es für jeden der 20 Konzessionsnehmer möglich sein, mit Betreiberinnen und Betreibern einer Toto-Lotto-Annahmestelle eine Vereinbarung zur Einbeziehung in sein Sportwettenvertriebssystem zu treffen. Eine Wettvermittlungsstelle darf auch in einer Annahmestelle eingerichtet werden, soweit es sich bei der Sportwettvermittlung um ein Nebengeschäft handelt.
Detaillierte Regelungen zur Höchstzahl, den Standorten, der Verteilung der Wettvermittlungsstellen sowie den Anforderung an die Darbietung des Glücksspielangebots in den Annahmestellen und Sportwettvermittlungsstellen finden sich in der grundlegend überarbeiteten Niedersächsischen Glücksspielverordnung. Darin ist vorgesehen die Höchstzahl aller Wettvermittlungsstellen in Niedersachsen auf 2.400 Wettvermittlungsstellen insgesamt zu begrenzen. Diese Höchstzahl entspricht der Summe der Annahmestellen, in denen bislang Sportwetten vermittelt werden dürfen (1.950) zuzüglich der nicht erlaubten „Wettbüros“ (geschätzter Höchststand 450). Bei 20 Konzessionsnehmern entfielen damit 120 Wettvermittlungsstellen auf jeden dieser Konzessionsnehmer. Eine absolute Obergrenze von 500 Wettvermittlungsstellen pro Konzessionsnehmer trägt den Überlegungen Rechnung, dass eventuell nicht alle 20 Konzessionen vergeben werden, reine Internetveranstalter konzessioniert werden oder Konzessionsnehmer sich auf wenige lukrative Wettvermittlungsstellen konzentrieren. Die zum Entwurf der Niedersächsischen Glücksspielverordnung im Rahmen der Verbandsanhörung eingegangenen Stellungnahmen werden derzeit ausgewertet. Im Anschluss daran wird die Niedersächsische Glücksspielverordnung in Kraft treten.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Der niedersächsischen Landesregierung ist es wichtig, den Annahmestellen - insbesondere auch in ländlichen Gebieten - sichere und zukunftsfähige Perspektiven zu bieten, die langfristig ihre Existenz sichern. Der im Zuge der Neuregelungen des Glücksspielrechts in Niedersachsen geschaffene Rechtsrahmen stärkt die Eigenständigkeit der Annahmestellen. Im Geschäftsfeld der Vermittlung von Sportwetten erfahren die Annahmestellen künftig wesentliche Besserstellungen:
- Jeder der maximal 20 Konzessionsnehmer hat die Möglichkeit, eine niedersächsische Annahmestelle in sein Vertriebsnetz einzubeziehen. Die Annahmestellen sind bei der Vermittlung von Sportwetten somit nicht mehr auf einen Vertragspartner beschränkt. Das Risiko bei der Vermittlung von Sportwetten ausgeschlossen zu werden, falls die ODS GmbH keine Konzession erhalten sollte, besteht somit in Niedersachsen nicht.
- Mit der Festlegung einer Höchstzahl von 2.400 Sportwettvermittlungsstellen und einer Beschränkung je Konzessionsnehmer auf bis zu 500 Wettvermittlungsstellen, bestünde grundsätzlich sogar für jede Annahmestelle künftig die Möglichkeit eine Wettvermittlungsstelle als Nebengeschäft zu betreiben.
- Mit der rechtlich zugestandenen Flexibilität für jeden Konzessionsnehmer tätig werden zu dürfen, sind die Annahmestellen nicht mehr dem wirtschaftlichen Kalkül eines Vertragspartners ausgesetzt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Deutsche Lotto-Toto Block und die Toto-Lotto Niedersachsen GmbH davon ausgehen, das die ODS GmbH einen Bedarf von ungefähr 500 Wettvermittlungsstellen in Niederachsen hätte.
- Konzessionsnehmer müssen in ihrem Vertriebskonzept darlegen, ob und wie sie den terrestrischen Vertrieb organisieren. Eine Verteilung von Wettvermittlungsstellen auch im ländlichen Raum dient der Kanalisierung des Glücksspiels außerhalb der Ballungsräume und wird bei der Zuteilung der Anzahl der Wettvermittlungsstellen positiv ins Gewicht fallen.
Mit der im Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag getroffenen Entscheidung, Glücksspiele auch über das Internet zuzulassen, sind die Ministerpräsidenten und mit ihnen die den Staatsvertrag ratifizierenden Landesparlamente den Erfordernissen der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung gefolgt. Nur mit der Internetöffnung ist eine Kanalisierung des bisher im Internet betriebenen unerlaubten Glücksspiels in legale und kontrollierte Bahnen denkbar. Eine Beteiligung der Annahmestellen an den Internetumsätzen kann jedoch nach hiesiger Auffassung nicht im Wege der gesetzlich festgelegten Subventionierung erfolgen, sondern kann nur zwischen der Toto-Lotto Niedersachsen GmbH einerseits und den Annahmestellen bzw. ihren Interessenvertretern andererseits privatrechtlich ausgehandelt werden.
Zu 2.:
Wie in der Vorbemerkung näher ausgeführt, enthält der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag die wesentlichen rechtlichen Vorgaben für die Vertragsländer. In Niedersachsen enthalten für den Bereich der Sportwetten, nicht jedoch für die Vermittlung von Glücksspiel im Internet, zudem das Niedersächsische Glücksspielgesetz und die Niedersächsische Glücksspielverordnung ergänzende Vorschriften.
Zu 3.:
Innerhalb des von Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag gesetzten Rahmens erlassen die Vertragsländer ergänzende Regelungen im Rahmen ihrer Ausführungsvorschriften. Im Bereich der Sportwetten regeln die Vertragsländer für ihr Landesgebiet die Vermittlung von Sportwetten über Wettvermittlungsstellen und geben deren Höchstzahl vor. Regelungen, mit denen künftig die ODS GmbH privilegiert werden könnte, finden sich beispielsweise im Ausführungsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz, in dem geregelt ist, dass für den Fall, dass die die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH oder eine Gesellschaft, an der die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH beteiligt ist, Konzessionsnehmer wird, die Vermittlung von Sportwetten an diese auch in den Annahmestellen als Nebengeschäft erfolgen darf. Niedersachsen hat von einer solchen Regelung aus den bereits dargestellten Gründen abgesehen.
In Bezug auf das Internet hat -wie aus einer dem Landtagsausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr im Nachgang zu seiner 106. Sitzung vom 08.06.2012 übermittelten Länderumfrage vom 16.05.2012 hervorgeht- keines der Vertragsländer über den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag hinausgehende Regelungen in das jeweilige Landesausführungsgesetz aufgenommen. Ob einzelne Landeslotteriegesellschaften angewiesen wurden, ihre Annahmestellen an den Internetumsätzen zu beteiligen ist nicht bekannt.
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erstellt am:
28.09.2012