Sitzung des Niedersächsischen Landtages im Mai 2015
Mündliche Anfragen
3. Breitband ausbauen - Landkreise stärken
Abgeordnete Maaret Westphely und Julia Willie Hamburg (GRÜNE)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
Niedersachsen plant, bis zum Jahr 2020 möglichst alle Haushalte in Niedersachsen flächendeckend an ein schnelles Internet anzuschließen. Ziel ist eine Grundversorgung über 30 Mbit/s. Mit der „Niedersächsischen Breitbandstrategie“ im vergangenen Jahr hat die rot-grüne Landesregierung dafür einen Rahmen geschaffen. Die Landkreise werden seither ermutigt, selbst in ein kreiseigenes Netz zu investieren. Inzwischen haben fast alle Landkreise die Netzstrukturplanung (Next Generation Access Network - NGA) in Angriff genommen, um eine Bestandsaufnahme des vorhandenen Leitungsnetzes und eine Kostenabschätzung vorzunehmen.
Aufgrund des EU-Beihilferechts dürfen Landkreise nur dort tätig werden, wo ein sogenanntes Marktversagen vorliegt. Dies ist dann gegeben, wenn Telekommunikationsanbieter einzelne Orte nicht oder nicht ausreichend im Bereich des Breitbands versorgen und auch nicht bereit sind, dies innerhalb der nächsten drei Jahre zu gewährleisten. Das heißt, dass kein privater Marktteilnehmer sein Ausbauinteresse für den jeweiligen Abschnitt aktuell oder in den kommenden drei Jahren angemeldet haben darf. Ausschlaggebend dafür sind die Meldungen im Rahmen des Markterkundungsverfahrens im Zuge der Netzstrukturplanung.
Aktuell stoßen Landkreise, die den Breitbandausbau in die eigenen Hände nehmen wollen, offenbar auf unvorhergesehene Hindernisse: Laut Auskunft einiger Landkreise soll z. B. das Unternehmen Deutsche Telekom AG im Rahmen verschiedener kommunaler Netzstrukturplanungen nach Ende der Fristsetzung zahlreiche eigene Ausbauvorhaben nachgemeldet haben. Damit würde die Telekom den kreiseigenen Ausbau der Netze erschweren und die Netzstrukturplanung der Landkreise verhindern. Möglich sei diese Strategie, weil das Unternehmen keinerlei Verpflichtung eingehen müsse, die angemeldeten Vorhaben auch tatsächlich umzusetzen. Weder auf europäischer Ebene noch auf Bundesebene seien Sanktionen für Anmeldungen vorgesehen, die nur aus strategischen Erwägungen und nicht tatsächlichem Ausbauinteresse getätigt werden. Experten halten es daher für sinnvoll, Richtlinien auf Bundes- oder Landesebene für die Förderung von Breitbandausbauvorhaben zu beschließen, die die Verbindlichkeit z. B. durch Sanktionierung bei Nichteinhaltung der Anzeigen von Ausbauvorhaben im Rahmen der Netzstrukturplanung erhöhen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Im Rahmen der vom MW angeregten, von der NBank aus Mitteln des EFRE geförderten und vom Breitband Kompetenz Zentrum Niedersachsen (b|z|n) aktiv unterstützten Netzstrukturplanungen Breitband haben eine Reihe von Landkreisen die Telekommunikationsunternehmen nach ihren Ausbauabsichten bezüglich der aktuell nicht mit mind. 25 (bzw. 30) Mbit/s versorgten Gebiete im Rahmen eines sog. Markterkundungsverfahrens unter Setzung einer Frist befragt, da nur in den aktuell und in den nächsten drei Jahren unterversorgten Gebieten (den sog. "Weißen Flecken" der NGA-Versorgung) ein öffentlich geförderter Ausbau beihilferechtlich zulässig ist. Grundlage dieser Abfragen war § 2 Abs. 3 der Rahmenregelung der Bundesregierung zur Bereitstellung von Leerrohren (Kabelschutzrohren) durch die öffentliche Hand zur Herstellung einer flächendeckenden Breitbandversorgung (Bundesrahmenregelung Leerrohre).
1. Welche Kenntnisse besitzt die Landesregierung über die aktuellen oben angesprochenen Probleme von Landkreisen, die in ein kreiseigenes Netz investieren wollen und die NGA-Planungen vornehmen wollen?
Dem MW ist bekannt, das es in einigen Fällen nach Fristablauf (vgl. Vorbemerkung) zu Nachmeldungen von im Eigenausbau geplanten Vorhaben durch die Telekommunikationsunternehmen gekommen ist. Dies hat zu zum Teil zu erheblichen kostenpflichtigen Umplanungen geführt. Allerdings stellt das Ergebnis eines Markterkundungsverfahrens nur eine Momentaufnahme der (unabhängig von dem Verfahren stattfindenden) Ausbauplanungen der Netzbetreiber dar. Dies schließt grundsätzlich nicht aus, dass ein Netzbetreiber zu einem späteren Zeitpunkt einen Ausbau tätigt – etwa, weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben.
2. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, auf Landes- und auch auf Bundes- oder Europaebene zur Lösung der oben geschilderten Probleme der Landkreise bei der Netzstrukturplanung und dem Ausbau eines kreiseigenen Netzes beizutragen?
Die nachträgliche Meldung von Ausbauvorhaben von Telekommunikationsunternehmen für bestimmte Gebiete oder einzelne Kabelverzweiger (Kvz) im Anschluss einer Befragung kann den Ausbau durch die Gebietskörperschaft oder mit öffentlicher Förderung im Einzelfall stören. Allerdings liegt der Sinn und Zweck einer Markterkundung nicht darin, die TK-Unternehmen zum Ausbau zu verpflichten, sondern beihilferechtlich abgesichert einen geförderten Ausbau vornehmen zu können. Ein möglicher Ansatz wäre es, wenn TK-Unternehmen gesetzlich verpflichtet wären auf den Ausbau zu verzichten, wenn sie im Vorfeld eine Ausbau-absicht verneint haben. Zu bedenken wäre allerdings, dass die TK-Unternehmen dann evtl. einen Schadenersatzanspruch hätten, wenn im Anschluss an eine Markterkundung nicht ausgebaut wird.
3. Wie wäre ein solches Verhalten im Sinne eines marktmissbräuchlichen Verhaltens nach Maßgabe des Kartellrechtes zu bewerten?
Im Telekommunikationsbereich sind sowohl die Bundesnetzagentur nach § 42 TKG als auch das Bundeskartellamt nach GWB für die Missbrauchsaufsicht zuständig.
Der geschilderte Sachverhalt, dass Telekommunikationsunternehmen durch Nachmeldung von Ausbauvorhaben den kreiseigenen Ausbau der Netze erschweren und die Netzstrukturplanung der Landkreise verhindern, wurde vom Bundeskartellamt bisher nicht aufgegriffen. Das Amt betrachtet einen Ausbau paralleler Infrastruktur jedoch nicht zwingend als ineffizient, sondern sieht hierin vielmehr einen Wettbewerbsparameter, denn je höher der Grad an eigener Infrastruktur sei, desto höher sei der Spielraum des betreffenden Anbieters beim Einsatz der Wettbewerbsparameter wie Preise und Qualität, Service und Vielfalt der angebotenen Dienstleistungen (Hinweise des BKartA RdNr. 44ff).
Auch die Monopolkommission spricht sich in ihrem Sondergutachten Telekommunikation 2013 „Vielfalt auf den Märkten erhalten“ grundsätzlich für Wettbewerb im Breitbandausbau aus (S. 11).
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