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Tarifstreik bei Neupack: Einführung eines Mindestlohnes stoppt Fall der Löhne

Der Abgeordnete Enno Hagenah (GRÜNE) hatte gefragt:

Seit Anfang November befinden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hamburger Verpackungsherstellers Neupack mit Standorten in Stellingen und Rotenburg (Wümme) im Streik. Hintergrund des Arbeitskampfes, dem die Belegschaft zu fast 90 % zugestimmt hatte, waren laut der Welt vom 16. November 2012 niedrige Stundenlöhne bis unter 8 Euro, ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeiten, willkürlich gezahlte Zuschläge und Urlaubsgelder. Seit einem Jahr soll danach die zuständige Gewerkschaft IG BCE versuchen, mit dem Unternehmen einen Haustarifvertrag auszuhandeln. Einen Haustarifvertrag lehne Neupack aber generell ab. Währenddessen verhärteten sich die Fronten: Das Unternehmen hat Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt. Von Schubsen und Tritten gegen rund 50 Streikende berichtet die tageszeitung in ihrer Ausgabe vom 1. November 2012. Auf Warnstreiks soll das Familienunternehmen mit Lohnkürzungen zwischen 200 und 400 Euro reagiert haben. Aus dem Bürogebäude sollen Streikende gefilmt worden sein, „sodass sich die Polizei zum Eingreifen genötigt sah“. Im Vorfeld zum Streik soll der Betriebsratsvorsitzende zwei Mal fristlos gekündigt worden sein. In beiden Fällen hatte das Arbeitsgericht die Kündigungen für unwirksam erklärt. In der Resolution der IG BCE vom 12./13. November ist gar die Rede davon, dass die Inhaberfamilie Krüger „Sicherheitsleute mit scharfen Hunden gegen die Streikenden“ einsetzt.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wird sie, gegebenenfalls in welcher Weise, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verpackungsfirma Neupack unterstützen?
  2. Wird sich die Landesregierung, gegebenenfalls wann und in welcher Weise, für die Einführung eines allgemeinen Mindestlohnes von 8,50 Euro mit Fortschreibung durch eine paritätisch besetzte Mindestlohnkommission einsetzen, der künftig verhindern würde, dass Löhne unter 8 Euro gezahlt werden?
  3. Kann die Landesregierung hier ein faires Miteinander der Tarifpartner sicherstellen, damit der tariflose Zustand der Beschäftigungsverhältnisse in faire und geordnete Bahnen gelenkt wird, gegebenenfalls in welcher Weise?


Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Nach den Vorbemerkungen der vorliegenden Anfrage befinden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fa. Neupack seit Anfang November im Streik, um verbesserte Entgeltbedingungen zu erreichen.

Unabhängig von den Handlungen und Verhaltensweisen, die das bestreikte Unternehmen laut Fragesteller im Rahmen der Tarifauseinandersetzung an den Tag gelegt haben „soll“ (z.B. Lohnkürzung als Reaktion auf Warnstreiks, Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher) verlangt bereits der Umstand eines laufenden Arbeitskampfes, dass sich die Landesregierung mit Bewertungen und Kommentierungen der widerstreitenden Interessen der sozialen Gegenspieler / Tarifvertragsparteien zurück hält.

Die Landesregierung ist insoweit zur passiven Neutralität verpflichtet. Dies bedeutet, dass u.a nicht durch Solidaritätsbekundungen staatlicher Organe zugunsten einer Seite auf den Ablauf von Arbeitskämpfen Einfluss genommen werden darf. Genau das täte sie aber, wenn sie – wie vom Antragsteller gefragt – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fa. Neupack unterstützen würde.

Soweit der Fragesteller ein unrechtmäßiges Verhalten darstellt, steht der zivilrechtliche Rechtsweg offen bzw. die strafrechtliche Verfolgung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Nein, auf die Vorbemerkungen wird verwiesen.

Zu 2.:
Nein.
Die Landesregierung hat die Ablehnung eines gesetzlichen Mindestlohns im Niedersächsischen Landtag bereits mehrfach begründet - zuletzt am 09. 11.2012 zu einem entsprechenden Antrag der SPD–Fraktion.

Unter Hinweis auf die dortigen Ausführungen und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen werden die Ablehnungsgründe vorliegend noch einmal kurz wie folgt zusammen gefasst:

  • Lohnfestsetzung ist Aufgabe der tarifautonom handelnden Tarifvertragsparteien im Rahmen der durch Art 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie.
  • Ein gesetzlicher Mindestlohn hätte beschäftigungspolitisch gravierende Nachteile insbesondere für nur gering Qualifizierte, deren Chancen, in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden zu können, erheblich sänken.
  • Der gesetzliche Mindestlohn ist kein taugliches Mittel zur Armutsbekämpfung.
  • Mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz und dem Mindestarbeitsbedingungengesetz bestehen schon heute sehr wirkungsvolle rechtliche Instrumente unterhalb eines gesetzlichen Mindestlohns. Mit ihnen können die besonderen Umstände und Gegebenheiten der einzelnen Branchen besser berücksichtigt und Lohndumping sowie Niedriglohnkonkurrenz bereits jetzt vermieden werden.

Zu 3.:
Nein.
Für das faire Miteinander der sich nach vorliegender Anfrage in einer tariflichen Auseinandersetzung gegenüberstehenden Tarifpartner sind diese bzw. die für sie handelnden Personen allein verantwortlich.

Hinsichtlich der indirekt gewünschten Lenkung des vorliegenden tariflosen Zustands der Beschäftigungsverhältnisse in faire und geordnete Bahnen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

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erstellt am:
07.12.2012

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