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Verwaltungsgebühren für Wahlinformationsstände

Der Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen (FDP) hatte gefragt:

Grundsätzlich werden die Anträge der politischen Parteien, einen Wahlinformationsstand in den Fußgängerzonen zu errichten, von den Stadtverwaltungen kostenfrei beschieden.

Im Rahmen der Bundestagswahl 2013 hat die Stadt Lüneburg für die Erteilung der Genehmigung den Parteien Verwaltungs- und Sondernutzungsgebühren in Rechnung gestellt.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Liegt ein ministerialer Erlass für die Änderung der Genehmigungspraxis der Wahlinformationsstände zugrunde?
  2. Falls ja, welches Ministerium hat die „neue Bestimmung“ erlassen?
  3. Womit begründet die Landesregierung diese Praxisänderung?
  4. Wie ist die Gebührenerhebungspraxis in den anderen niedersächsischen Kommunen?

Wirtschaftsminister Olaf Lies beantwortete die Anfrage im Namen der Landesregierung am 28.10.2013 wie folgt:

Es handelt sich bei den angesprochenen Gebühren um zwei unterschiedliche Gebühren, die auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen.

Rechtsgrundlagen für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren durch die Kommunen waren zum Zeitpunkt des Erlasses der Satzung in Lüneburg die §§ 6, 8 40 Abs. 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) in Verbindung mit § 18 des Niedersächsischen Straßengesetzes (NStrG) und § 8 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG). Heute treten an die Stelle der §§ der NGO die entsprechenden §§ des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG).

Das Aufstellen von Tischen oder Gestellen, von Informationsständen oder Plakatständern zur politischen Werbung ist nach dem Straßenrecht eine erlaubnispflichtige Sondernutzung, was auch durch die Rechtssprechung bestätigt ist. Bei der Abwägung der berührten Rechtsgüter kommt dem Rechtsgut der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs eine besondere Bedeutung zu. Die freie Meinungsäußerung muss dahinter zurücktreten, wenn sie auf das Rechtsgut einwirkt (BVerfG, Beschl. v. 22.12.1976, NJW 1977, 671; BVerwG, Urt. V. 7.6.1978, DÖV 1978, 889). Wenn Sondernutzungs- und Verwaltungsgebühren für das Aufstellen von Informationsständen oder das Anbringen zahlreicher Plakatständer zum Zweck der parteipolitischen Werbung im innerstädtischen Gehwegraum erhoben werden, verstößt dies nicht gegen Bundesrecht, insbesondere nicht gegen Art. 5, 8, 21 GG (BVerwG, Urt. V. 7.6.1978, VkBl. 1979, 54).

Während der Wahlkampfzeit besteht ein Anspruch der Parteien dahin, dass ihnen eine angemessene Wahlsichtwerbung ermöglicht wird. Das Aufstellen von Wahlplakaten darf daher durch Verweigerung von Sondernutzungserlaubnissen grundsätzlich nicht beschnitten werden (BVerwG, Urt. V. 13.12.1974, NJW 1975, 1290). Unter „Wahlkampfzeit“ wird man die Zeit bis zu etwa 8 Wochen vor einem Wahltag annehmen können (Wendrich, Kommentar zum Niedersächsischen Straßengesetz, 4., überarbeitete Auflage, Ziffer 11 zu § 18).

Für diesen Zeitraum gibt es einen Runderlass des MW („Lautsprecher- und Plakatwerbung aus Anlass von Wahlen“, RdErl. d. MW v. 19.2.2009, Nds.MBl. Nr. 10/2009 S. 306 f.), der festgelegt, dass für Plakatwerbung vor Wahlen keine Gebühr zu erheben ist. Über die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für Informationsstände entscheiden die Kommunen in eigener Zuständigkeit. Lüneburg hat in den letzten Jahren bislang immer für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für das Aufstellen von Informationsständen für Parteien – unabhängig davon, ob diese aus Anlass von Wahlen oder nicht aufgestellt werden – Verwaltungs- und Sondernutzungsgebühren festgesetzt bzw. erhoben. Eine Änderung der Verwaltungspraxis bei der Hansestadt Lüneburg ist daher nicht ersichtlich. Auf die entsprechenden Rechtsgrundlagen hat die Stadt mit Schreiben vom 18.07.2013 an die FDP-Fraktion hingewiesen.

Zu den Verwaltungsgebühren:
Die Kommunen erheben im eigenen Wirkungskreis Verwaltungsgebühren aufgrund einer Satzung als Gegenleistung für Amtshandlungen und sonstige Verwaltungstätigkeiten, wenn die Beteiligten hierzu Anlass gegeben haben (§§ 2 und 4 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) in der Fassung vom 23. Januar 2007 (Nds. GVBl. S. 41, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. Juli 2012 (Nds. GVBl. S. 280).
Die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ist eine Amtshandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 NKAG, so dass hierfür Verwaltungsgebühren zu erheben sind. § 4 Abs. 3 NKAG ermächtigt die Kommunen, nach pflichtgemäßen Ermessen auf eine Gebührenerhebung ganz oder teilweise zu verzichten, wenn an der Befreiung ein öffentliches Interesse besteht. Einen Rechtsanspruch auf eine Gebührenbefreiung besteht also nicht. Voraussetzung für die Ermäßigung oder den Verzicht ist, dass ein öffentliches Interesse vorliegt. Dieses öffentliche Interesse muss das grundsätzliche öffentliche Interesse, dass die Amtshandlung durch die Gebühr gedeckt wird und damit nicht vom Steuerzahler finanziert werden muss, überwiegen. Ein öffentliches Interesse ergibt sich nicht daraus, dass es sich bei einem Gebührenpflichtigen um eine Partei im Sinne des Art. 21 des Grundgesetzes handelt. (VG Stade, Urteil vom 14.08.2002 – 1 A 227/02 –, Nds. VBl. 2003 S. 221 für das Aufstellen eines Informationstisches). Insoweit bestehen keine rechtlichen Bedenken, wenn die Stadt Lüneburg für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis Verwaltungsgebühren erhebt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung, aufgeteilt nach Sondernutzungsgebühren und Verwaltungsgebühren, wie folgt:

Zu 1.:
Sondernutzungsgebühren:
Nein. Es wird auf die einleitenden Ausführungen verwiesen.

Verwaltungsgebühren:
Die Erhebung von Verwaltungsgebühren für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis erfolgt im eigenen Wirkungskreis der Kommunen. Demzufolge hat die Landesregierung außerhalb der ihr obliegenden Rechtsaufsicht keine Weisungsbefugnis, wie die Kommunen im Rahmen der bestehenden Gesetze ihre Aufgaben erfüllen. Ein ministerieller Erlass zu § 4 NKAG besteht daher nicht.

Zu 2.:
Sondernutzungsgebühren:
Hierzu verweise ich auf die Beantwortung zu Frage 1.

Verwaltungsgebühren:
Hierzu verweise ich auf die Beantwortung zu Frage 1.

Zu 3.:
Sondernutzungsgebühren:
Wie bereits dargestellt, gibt es keine Praxisänderung.

Verwaltungsgebühren:
Hierzu verweise ich auf die Beantwortung zu Frage 1.

Zu 4.:
Sondernutzungsgebühren:
Darüber liegen keine Erkenntnisse vor.

Verwaltungsgebühren:
Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Gebührenerhebungspraxis der niedersächsischen Kommunen vor. Aufgrund des Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) vom 17. Dezember 2010 (Nds. GVBl. S. 576), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 12. Dezember 2012 (Nds. GVBl. S. 589) in Verbindung mit § 2 NKAG bestehen weder Genehmigungsvorbehalte noch Vorlageverpflichtungen für kommunale Abgabensatzungen; Erkenntnisse zur Gebührenerhebungspraxis im eigenen Wirkungskreis der Kommunen können von der Landesregierung daher nicht gewonnen werden.

Nach § 172 Abs. 1 NKomVG besteht zwar ein Unterrichtungsrecht der Kommunalaufsicht. Das Unterrichtungsrecht ist allerdings nicht schrankenlos und unabhängig von einem tatsächlichen Anlass zulässig. Vielmehr gebietet das verfassungsrechtlich verankerte kommunale Selbstverwaltungsrecht eine einschränkende Auslegung. Das Unterrichtungsverlangen der Kommunalaufsicht setzt deshalb einen gegenständlich bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit eines bestimmten kommunalen Verhaltens aufkommen zu lassen, und ein Tätigwerden nachvollziehbar erscheinen lässt (Smollich in NKomVG – Kommentar/ Nov. 2011 zu § 172 Abs. 1, Rn. 2 mit Hinweisen auf Rechtsprechung: VG Stade, Urt. vom 27.10.1994, DVP 1996 S. 263 = KommunalPraxis 1997 S. 121; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 28.02.1977, AS 14, 377 = VerwRspr. 29, Nr. 160; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 28.09.2005 – 7 N 112.05 – zitiert nach Juris; Erichsen, DVBl. 1985 S. 943, 945).

Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebungspraxis bezüglich einer Verwaltungsgebühr für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis bestehen nicht. Daher steht der Landesregierung in diesem Fall kein Unterrichtungsrecht durch die Kommunen nach § 172 Abs. 1 NKomVG zu.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
16.12.2013
zuletzt aktualisiert am:
09.01.2014

Ansprechpartner/in:
Herr Stefan Wittke

Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
Pressesprecher
Friedrichswall 1
30159 Hannover
Tel: (0511) 120-5427
Fax: (0511) 120-995427

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