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Arbeitsmarktförderung

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22.06.2012 - TOP 34. Antwort von Arbeitsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Enno Hagenah (GRÜNE)


Die Abgeordneten Gerd Ludwig Will, Heinrich Aller, Marcus Bosse, Wolfgang Jüttner, Jürgen Krogmann, Olaf Lies, Ronald Schminke, Klaus Schneck, Petra Tiemann und Sabine Tippelt (SPD) hatten gefragt:

Firmeninsolvenzen führen häufig zu Marktbereinigungen ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze und Versorgungsstrukturen. So ist nun auch das endgültige Aus für alle Schlecker-Beschäftigten und die Standorte eingetreten.

Erfahrungen mit Transfergesellschaften insbesondere in den neuen Ländern zeigen, dass der Erhalt überlebensfähiger Strukturen und eines Teils der Arbeitsplätze Beispiele für eine aktive Beschäftigungspolitik sein können. Dabei können Transfergesellschaften den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Perspektive für Qualifizierung, Verhinderung von Arbeitslosigkeit und Zeit für Neuorientierung bieten.

Nachdem der Insolvenzverwalter für die Schlecker-Insolvenz am 1. Juni 2012 die Abwicklung und Stilllegung aller Schlecker-Standorte mitgeteilt hat, werden auch in Niedersachsen/Bremen weitere 1 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitslos werden. Wieder sind überwiegend Frauen davon betroffen.

Angesichts der neuen Sachlage hat die Bundeskanzlerin erklärt, mithilfe der Bundesagentur für Arbeit den unmittelbar von Arbeitslosigkeit betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Vermittlung in neue Beschäftigung behilflich zu sein. Nach Einschätzung von Beobachtern stehen die Mittel der Bundesagentur für Arbeit, die jetzt für Versicherungsleistungen an die Betroffenen und Umschulungsmaßnahmen eingesetzt werden, in keinem Verhältnis zur benötigten und verwehrten Bürgschaft für die Transfergesellschaft.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie beurteilt die Landesregierung die Auffassung des Insolvenzverwalters, dass die von der Politik mehrheitlich verhinderte Bildung einer Transfergesellschaft zu einer großen Anzahl von Kündigungsschutzklagen geführt hat und deshalb kein akzeptables Übernahmeangebot von Investoren zustande gekommen ist?
  2. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die von der Bundeskanzlerin gemachte Zusage der Hilfe für die von Arbeitslosigkeit betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch in Niedersachsen umgesetzt wird, und hat die Landesregierung dafür einen konkreten Plan, der auch die Bildung eines Sonderfonds für die Schleckerbeschäftigten beinhaltet?
  3. Wie viele Standorte in Niedersachsen sind von der zweiten Schließungswelle betroffen und wie will die Landesregierung vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung mit den betroffenen Regionen/Gemeinden Vorsorge dafür treffen, dass auch in Zukunft die Grundversorgung vor Ort sichergestellt wird?
Arbeitsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Das von der Gläubigerversammlung am 05.06.2012 beschlossene endgültige Aus für die insolvente Drogeriemarktkette Schlecker ist für die zahlreichen Beschäftigten des Unternehmens und ihre Angehörigen ein harter Schlag. Für die Landesregierung bleibt es daher das oberste Ziel, die von der Insolvenz betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell in neue Jobs zu vermitteln.

Nach der ersten Kündigungswelle Anfang April 2012 hatten sich insgesamt 1.156 Beschäftigte im Zuständigkeitsbereich der Regionaldirektion Niedersachsen/Bremen (RD NSB) als arbeitslos gemeldet. Von der endgültigen Betriebseinstellung sind nach Angaben der Regionaldirektion Niedersachen/Bremen der Bundesagentur für Arbeit in Niedersachsen weitere rund 1.300 Beschäftigte betroffen. Insgesamt gehen in Niedersachsen damit fast 2.500 Arbeitsplätze bei Schlecker verloren.

Von den ursprünglich 1.156 arbeitslos und arbeitssuchend gemeldeten ehemaligen Beschäftigten befinden sich noch 790 in der Betreuung der Arbeitsagentur. 290 haben bereits neue Jobs gefunden, zwei haben sich selbständig gemacht und weitere 76 sind als „sonstige Abgänge“ zu verzeichnen (Stand: 06.06.12). Fast 400 der verbleibenden Arbeitssuchenden befinden sich derzeit in Maßnahmen (PC-Kurse, Bewerbungstraining, betriebliche Praktika) der Arbeitsagentur bzw. befinden sich in Gesprächen mit einem neuen Arbeitgeber.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern rangiert Niedersachsen damit bei der Vermittlung im vorderen Bereich. Es gibt insgesamt ca. 260.000 Stellen im Einzelhandel (ca. 2.600 offene Stellen in Niedersachsen im April 2012) und eine hohe Arbeitsmarktdynamik, so dass die Vermittlung der ehemaligen Schlecker-Beschäftigten in absehbarer Zeit als sehr wahrscheinlich angesehen wird.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1:
Die Landesregierung hat frühzeitig signalisiert, keine Transfergesellschaft zu finanzieren. Angesichts der prekären Lage des Unternehmens und der mangelnden Fortführungsperspektive sah sich die Landesregierung schon bei der ersten Kündigungswelle dazu nicht in der Lage. Nach Auffassung der Landesregierung haben die absehbar anhaltenden Verluste des Unternehmens aus dem operativen Geschäft, der akute Investitions- und Modernisierungsbedarf und die massive Abwanderung von Kunden zu konkurrierenden Unternehmen dazu geführt, dass sich kein Investor gefunden hat, der sich in der Lage sah, ein überzeugendes Fortführungskonzept vorzulegen und das damit verbundene Risiko einzugehen. Die Kündigungsschutzklagen haben nach Auffassung der Landesregierung eher nachrangig gewirkt.

Zu 2:
Die Landesregierung kann die Einhaltung von Zusagen der Bundeskanzlerin nicht sicherstellen, sondern sie bedient sich – wie alle anderen Bundesländer auch - eines eigenen Instrumentariums. Dessen vorrangiges Ziel ist die möglichst schnelle Vermittlung der Betroffenen in neue Jobs.

MW hat sich dazu frühzeitig mit den Arbeitsagenturen als den für die Vermittlung originär zuständigen Stellen zusammengeschlossen.

Am 30.05.2012 kam auf Initiative des MW erstmals ein „Runder Tisch“ zusammen, an dem neben Beteiligten des MW auch Vertreter der Regionaldirektion Niedersachsen/Bremen, des Einzelhandelsverbandes und des Fleischerei- und Bäckereihandwerks teilgenommen haben. Im Rahmen dieses Gesprächs wurde u.a. ein von der Arbeitsagentur gefördertes Projekt im Raum Holzminden vorgestellt, dass durch komprimierte theoretische und betriebliche Unterweisung die schnelle Vermittlung ehemaliger Schlecker-Mitarbeiterinnen im Bäcker- und Fleischerhandwerk ermöglicht. Geprüft wird nunmehr die Ausweitung dieses Modells auf andere Regionen in Niedersachsen, insbesondere im ländlichen Raum. Um den hierüber vermittelten ehemaligen Beschäftigten eine weitere berufliche Perspektive zu bieten, erarbeitet das Bäckerhandwerk Niedersachsen derzeit ein Qualifizierungsprojekt, das durch spezielle Lehrgänge den Abschluss zur Fachkraft ermöglicht. MW hat signalisiert, eine derartige berufliche Qualifizierung evtl. mit Mitteln aus EU-Förderprogrammen zu unterstützen.

Das nächste Gespräch, zu dem auch eine Vertreterin von Ver.di eingeladen wurde, findet am 29.06.2012 im MW statt.

Darüber hinaus verfügt die Bundesagentur für Arbeit über ein umfangreiches Instrumentarium zur Beratung, Förderung und Vermittlung der Schlecker-Beschäftigten. Dabei werden selbstverständlich auch alle leistungsrechtlichen Ansprüche abgedeckt. Da die Landesregierung nicht beabsichtigt, die Schlecker-Frauen gegenüber allen anderen Arbeitslosen und Arbeitssuchenden besserzustellen, wird die Gründung eines Sonderfonds als nicht erforderlich angesehen.

Zu 3:
Von der zweiten Schließungswelle sind in Niedersachsen lt. Zeitungsberichten 259 Standorte betroffen.

Die flächendeckende Grundversorgung ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das Land schafft mit dem bewährten Konzept der „Zentralen Orte“ durch standörtliche Bündelung der Infrastruktureinrichtungen zur überörtlichen Leistungserbringung der Daseinsvorsorge Voraussetzungen für die Sicherung und Entwicklung der Daseinsvorsorge.

Die Festlegung der Zentralen Orte im Landes-Raumordnungsprogramm (LROP) und in den Regionalen Raumordnungsprogrammen (RROP) soll gewährleisten, dass in allen Teilen des Landes ein ausgeglichenes und gestuftes Netz an Ober-, Mittel- und Grundzentren erhalten bleibt bzw. entwickelt wird, das durch leistungsfähige Verkehrs- und Kommunikationsstrukturen verflochten ist. Dieses raumstrukturelle Netz soll der Bevölkerung, der Wirtschaft und den öffentlichen und privaten Trägern der Daseinsvorsorge verlässliche Rahmenbedingungen für ihre Standort- und Investitionsentscheidungen bieten.

Das LROP bestimmt in Kapitel 2.2 „Entwicklung der Zentralen Orte“ 01, dass die Grundzentren in den RROP`s festzulegen sind. Die Begründung hierzu legt dar, dass Grundzentren einen auf das Gemeinde- bzw. Samtgemeindegebiet ausgerichteten Versorgungsauftrag für die allgemeine, tägliche Grundversorgung haben. Hierfür sollen sie über ein standortgebundenes Eigenpotenzial an Bevölkerung und Arbeitsplätzen, öffentlichen Einrichtungen und Diensten, Geschäften und Betrieben, Angeboten der schulischen, medizinischen und sozialen Grundversorgung und ÖPNV-Anbindungen zu den nächst gelegenen größeren Zentren verfügen.

Es ist kommunale Aufgabe, die Voraussetzungen einer ausreichenden, kostengünstigen und möglichst wohnortnahen Grundversorgung in allen Gemeinden auch bei abnehmendem Bevölkerungspotenzial und disperser Siedlungsstruktur zu sichern und zu verbessern. Die Möglichkeiten, die Tragfähigkeit der gemeindlichen Versorgungsstrukturen durch Anpassung der Standort- und Angebotsstruktur und deren Erreichbarkeit für alle Bevölkerungsgruppen zu stärken, sollen konsequent genutzt werden.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
22.06.2012

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