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Plenum 15. September 2016 - Mündliche Anfragen

Frage 27


27. Zwei Jahre Fachkräfteinitiative - was macht die „gemeinsame Kraftanstrengung“ (Minister Lies, 43. Plenarsitzung, Seite 3892)?

Anfrage der Abgeordneten Gabriela König und Jörg Bode (FDP)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Der Startschuss für die Fachkräfteinitiative fiel am 8. Juli 2014. Sie bündelt die arbeitsmarktpolitische Kompetenz aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen und soll so eine neue Qualität der Zusammenarbeit erreichen. Die Landesregierung spricht im Zusammenhang mit der Fachkräfteinitiative von der Notwendigkeit eines langen Atems, der Bündelung von Ressourcen, einem ressortübergreifenden Ansatz und 200 Millionen Euro an ESF-Mitteln. Grundlage ist die „Vereinbarung der Partner“, die Ziele, Richtung und Inhalte beschreibt. 13 Ziele und 13 Handlungsfelder füllen den Handlungsrahmen, den „Kern der Fachkräfteinitiative“ (Minister Lies, 43. Plenarsitzung, Seite 3893) aus. Minister Lies umschrieb am 25. Juli 2014 (Minister Lies, 43. Plenarsitzung, Seite 3894) das geplante 200-Millionen-Euro-Programm zur Sicherung der Fachkräfte anhand von sechs Spiegelstrichen. Die Summierung der Mittelaufzählung ergibt 178,6 Millionen Euro, sodass für die „zahlreiche Einzelprojekte“ (Minister Lies, 43. Plenarsitzung, Seite 3894) noch 21,4 Millionen Euro in der vorläufigen Laufzeit der Fachkräfteinitiative Niedersachsen bis 2018 verbleiben. Die Landesregierung hat beschlossen, dass das Wirtschaftsministerium halbjährlich das Kabinett über die Umsetzung der Fachkräfteinitiative unterrichtet. „Unter Leitung des Ministerpräsidenten wird einmal jährlich eine Spitzenrunde aller Partner der Fachkräfteinitiative zusammentreffen, Bilanz ziehen und Schwerpunkte für die weitere Arbeit setzen“ (Minister Lies, 43. Plenarsitzung, Seite 3894 des Stenografischen Berichts).

Vorbemerkung der Landesregierung

Die im Jahr 2014 von der Landesregierung gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden, den Gewerkschaften, den Kammern, der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit, den kommunalen Spitzenverbänden und weiteren gesellschaftlichen Gruppen gestartete Fachkräfteinitiative Niedersachsen hat in den zwei Jahren ihres Bestehenserfolgreiche Arbeit in den 13 definierten Handlungsfeldern geleistet.

Schwerpunktthemen im ersten Jahr der Fachkräfteinitiative waren insbesondere das Bündnis Duale Berufsausbildung, Regionale Fachkräftebündnisse und die Qualifizierung junger Erwachsener ohne Ausbildung.

Das zweite Jahr der Fachkräfteinitiative war geprägt von einem intensiven Engagement für die Arbeitsmarktvorbereitung und Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Weitere Schwerpunkte waren die Fachkräftegewinnung in der Pflege sowie weiterhin das Bündnis Duale Berufsausbildung und die Qualifizierung junger Erwachsener ohne Ausbildung.

Die Landesregierung hat für das erste Jahr der Fachkräfteinitiative im August 2015 einen umfassenden Bericht vorgelegt und für das zweite Jahr mit Stand vom 29.07.2016 einen weiteren Bericht über den Umsetzungsstandstand der Fachkräfteinitiative erstellt. Beide Berichte sind in dem jährlichen Spitzengespräch mit den Partnern erörtert worden und auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht (www.fachkraefteinitiative.niedersachsen.de). Sie geben einen Überblick über die zahlreichen Aktivitäten in den einzelnen Handlungsfeldern und zeigen die Entwicklungen der Fachkräftesituation in Niedersachsen anhand ausgewählter Indikatoren auf.

Aktuell sind vor allem folgende Entwicklungen hervorzuheben:

Sowohl die Anzahl der Erwerbstätigen als auch die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben im zurückliegenden Jahr neue Rekordwerte erreicht. Im Jahresdurchschnitt 2015 waren rund 3,963 Millionen Menschen in Niedersachen erwerbstätig, 2,791 Millionen von ihnen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Damit ist der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an den Erwerbstätigen in Niedersachsen in den letzten zehn Jahren um 5 Prozentpunkte angestiegen. Die Beschäftigungsperspektiven für das laufende Jahr sind weiterhin positiv. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht in der regionalen Prognose für Niedersachsen von einem weiteren Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung um 2,4 Prozent in 2016 aus.

Parallel zur positiven Entwicklung von Erwerbstätigkeit und Beschäftigung ist die Arbeitslosigkeit in Niedersachsen weiterhin gesunken und hat im Jahr 2015 den niedrigsten Stand seit 1992 erreicht. Auch im ersten Halbjahr 2016 zeigt sich der Arbeitsmarkt weiterhin sehr robust. Im weiteren Jahresverlauf wird sich der verstärkte Eintritt von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt voraussichtlich bemerkbar machen. Im Jahresdurchschnitt 2016 geht das IAB von einem leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit um 0,9 Prozent aus.

Die Beschäftigtenquote von Frauen steigt seit Jahren kontinuierlich – in den letzten 10 Jahren um gut 10 Prozentpunkte -, liegt aber mit aktuell 52,1 Prozent weiterhin deutlich unter der Quote der Männer von 61,1 Prozent. Die auf den ersten Blick positiven Beschäftigungszuwächse bei den Frauen relativieren sich, da sie fast ausschließlich auf eine Zunahme der Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen sind.

Die Beschäftigungsquote der Älteren ist in den letzten Jahren ebenfalls deutlich gestiegen. So konnte der Anteil der Beschäftigten in der Altersgruppe der 60- bis unter 65-Jährigen in der letzten Dekade mehr als verdoppelt werden. Dennoch liegt ihre Beschäftigung am aktuellen Rand weiterhin deutlich (22,0 Prozentpunkte) unter der allgemeinen Beschäftigungsquote von 56,6 Prozent. Während es in den zurückliegenden Jahren bei der Beschäftigung Älterer Zuwächse von über 2 Prozentpunkten pro Jahr gab, ist diese im vergangenen Jahr nur noch um 0,7 Prozentpunkte angestiegen.

Die Beschäftigungsquote der Männer zwischen 60 und 65 Jahren ist im zurückliegenden Jahr sogar erstmals wieder gesunken (- 0,4 Prozentpunkte), was auf die „Rente mit 63“ zurückzuführen sein könnte, da diese hauptsächlich von Männern in Anspruch genommen wird. Eine genaue Quantifizierung der Effekte der „Rente mit 63“ auf die Beschäftigung Älterer fällt schwer, weil unbekannt ist, ob die Beschäftigten ausschließlich aufgrund der Abschlagsfreiheit vor Erreichen der regulären Regelaltersgrenze in den Ruhestand gegangen sind.

Die Erwerbstätigenquote der 15- bis unter 65-Jährigen mit Migrationshintergrund lag im Jahr 2014 bei 64,5 Prozent, eine Steigerung von rund 10-Prozentpunkten seit 2006. Dennoch ist ihre Erwerbsbeteiligung weiterhin unterdurchschnittlich im Vergleich zur allgemeinen Erwerbstätigenquote von 73,4 Prozent.

Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge hat über die letzten Jahre kontinuierlich abgenommen und ist gegenüber dem vorangegangenen Ausbildungsjahr erneut um 2,2 Prozent zurückgegangen. Fachkräfteengpässe machen sich vermehrt dort bemerkbar, wo eine abgeschlossene duale Berufsausbildung vorausgesetzt wird.

Das System der dualen Berufsausbildung bekommt an zwei Stellschrauben erhebliche Probleme. Zum einen nimmt die Zahl der potenziellen Auszubildenden angesichts der demografischen Entwicklung ab. So ist die Zahl der Schulabgängerinnen und -abgänger seit 2006 - mit Ausnahme des doppelten Abiturjahrganges im Jahr 2011 – tendenziell gesunken. Im Sommer 2014 haben rund 2.100 Schülerinnen und Schüler weniger die allgemeinbildenden Schulen verlassen als noch 2006.

Zum anderen macht sich auch in Niedersachsen der deutschlandweite Trend zu akademischen Ausbildungen bemerkbar. Der Anteil der Abiturientinnen und Abiturienten an allgemeinbildenden Schulen hat sich in Niedersachsen im 10-Jahresvergleich fast verdoppelt. Zeitgleich ist die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger in Niedersachsen um fast 60 Prozent auf 39.200 im Jahr 2015 angewachsen. Insgesamt wurde im Wintersemester 2015/2016 mit über 200.000 Studierenden in Niedersachsen ein neuer Rekordwert erreicht.

Insofern kann man sagen, dass der an vielen Stellen prognostizierte Akademikermangel durch diese Entwicklung wenn nicht verhindert so doch erheblich reduziert werden wird, in Folge dieser Entwicklungen das System der dualen Berufsausbildung aber weiter unter Druck gerät.

Erfreulich ist, dass in Niedersachsen die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die allgemeinbildende Schule ohne Abschluss verlassen, im 10- Jahresvergleich um mehr als ein Drittel verringert werden konnte. Im Jahr 2014 verließen nur noch rund 4.200 Schülerinnen oder Schüler in Niedersachsen die allgemeinbildende Schule ohne Hauptschulabschluss (4,9 Prozent).

Aktuell zeigt sich also ein positiver Grundtenor. Die Indikatoren, die die Rahmenbedingungen der Fachkräfteentwicklung abbilden, zeigen in Niedersachsen weiterhin überwiegend eine positive Entwicklung auf. Hält man sich vor Augen, dass das Erwerbspotenzial - trotz aktuell hoher Nettozuwanderung - nur mit enormen Anstrengungen aufrecht zu halten ist, bleibt die Fachkräftesicherung auch in den kommenden Jahren eine der großen Herausforderungen, um das Wachstumspotenzial der deutschen und niedersächsischen Wirtschaft nicht zu gefährden. Insbesondere bei Frauen, älteren Beschäftigten und Migrantinnen und Migranten sind noch Beschäftigungsreserven vorhanden. Gleichzeitig gilt es die vorhandene Bevölkerung bestmöglich zu qualifizieren.

1. Vor dem Hintergrund von 200 Millionen Euro ESF-Fördergeldern, einer Lenkungsgruppe unter Federführung des MW, vier Unterrichtungen des MW an die Landesregierung und zwei Spitzenrunden unter Leitung des Ministerpräsidenten: Wie ist der Sachstand der Fachkräfteinitiative Niedersachsen, insbesondere mit Bezug auf die Ausführungen und Ankündigungen der Landesregierung zur Drucksache 17/1745, Frage 1 „Die Fachkräfteinitiative Niedersachsen - Niedersachsens Antwort auf den Fachkräftebedarf im Land“ in Verbindung mit Drucksache 17/1877?

Siehe Vorbemerkung der Landesregierung.

2. Wie setzt sich die Personalausstattung der Fachkräfteinitiative Niedersachsen zusammen?

Die Federführung für die Fachkräfteinitiative Niedersachsen obliegt MW. Die Abteilungsleitung der Abteilung 1, „Wirtschaftsordnung und Arbeitsmarkt“ leitet die Lenkungsgruppe. Die Koordinierung und fachliche Umsetzung gehört zu den Dienstaufgaben des Referates 13, „Arbeits- und Beschäftigungsförderung, berufliche Qualifizierung“. Im Referat 13 sind Referatsleitung und Referatsteilleitung 13.2 sowie zwei Bearbeiterinnen im notwendigen Umfang mit der Umsetzung der Fachkräfteinitiative betraut. Die sonstige Bearbeitung in den anderen Ressorts MS, MWK, MK, MI und der Staatskanzlei erfolgt im Rahmen der originären Aufgabenwahrnehmung u.a. durch die Entsendung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern in die Lenkungsgruppe, die Bearbeitung der Ziele und Aufgaben in den einzelnen Handlungsfeldern sowie durch die Umsetzung von Projekten und Programmen.

3. Welche Probleme bei der Antragsbearbeitung und beim Mittelfluss sind der Landesregierung im Rahmen der Fachkräfteinitiative Niedersachsen bekannt?

Konkrete Probleme bei der Antragsbearbeitung und dem Mittelabfluss sind der Landesregierung in den Förderprogrammen, die zum „200 Mio. Euro-Programm“ gezählt werden, nicht bekannt. Grundsätzlich sind alle Förderprogramme der Förderperiode 2014-2020 gut angelaufen und verlaufen planmäßig.

Lediglich bei der Förderung der Regionalen Fachkräftebündnisse und im Förderprogramm Qualifizierung und Arbeit sind die bisherigen Förderzahlen noch nicht ganz planmäßig. Die Fachkräftebündnisse mussten sich erst konstituieren, um erfolgreiche Projektanträge stellen zu können. Diese erste Phase ist nun abgeschlossen. Die Zahl der Anträge steigt an. Im Förderprogramm Qualifizierung und Arbeit wurde die Zahl der vorgesehenen Antragsstichtage sowie die Förderquote erhöht.

Minister Olaf Lies spricht im Niedersächsischen Landtag, Fotograf: Thiemo Jentsch   Bildrechte: MW-Nds

Minister Olaf Lies spricht im Niedersächsischen Landtag

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.09.2016

Ansprechpartner/in:
Pressesprecher: Christian Haegele und Sabine Schlemmer-Kaune

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