EU-Richtlinie über Bodenabfertigungsdienste
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 20.01.2012 - TOP 28. Antwort von Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Dirk Toepffer und Wilhelm Hogrefe (CDU)
Die Abgeordneten Dirk Toepffer und Wilhelm Hogrefe (CDU) hatten gefragt:
Derzeit verfolgt die EU-Kommission Pläne, wonach im Rahmen einer Revision der Richtlinie über Bodenabfertigungsdienste verpflichtend vorgeschrieben sein soll, dass künftig bis zu drei Wettbewerber bei der Bodenabfertigung berücksichtigt sein sollen. Dies führt nach Angaben der Gewerkschaft ver.di sowie der Hannover Airport GmbH und des Betriebsrates der Hannover Flughafen Langenhagen GmbH zu einer für die Lohnstruktur auf Deutschlands Flughäfen nicht hinnehmbaren Wettbewerbsverzerrung.
- Wie beurteilt die Landesregierung die Pläne der EU zur Revision der Richtlinie über Bodenabfertigungsdienste?
- Welche Auswirkungen hätten die von der EU vorgesehenen Pläne nach Kenntnis der Landesregierung auf Niedersachsens Flughäfen?
- Welche Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung im Zusammenhang mit der von der EU-Kommission beabsichtigten Revision der Richtlinie zu ergreifen?
Die Europäische Kommission hat am 01.12.2011 ein umfassendes Maßnahmepaket vorgestellt, das dazu beitragen soll, die Kapazität der europäischen Flughäfen zu erhöhen, Verspätungen abzubauen und die Qualität der Dienstleistungen für Fluggäste zu verbessern. Die Maßnahmen zielen auf die Qualität der Dienstleistungen, die die Fluggäste und die Fluggesellschaften am Boden vor dem Abflug erhalten (z.B. Gepäckabfertigung, Check-In, Betankung), die Transparenz von Entscheidungen zur Bekämpfung von Fluglärm sowie die Effizienz des komplexen Netzes der jeden Flug bestimmenden Start- und Landezeiten.
Bestandteil dieses so genannten Flughafenpakets ist auch die Revision der BVD-RL 67/96/EG - Vorschlag für eine Verordnung des EP und des Rates über Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen der Union und zur Aufhebung der RL 96/67/EG.
Die neuen Vorschläge zur Bodenabfertigung sehen – nun nicht mehr in der Rechtsform der Richtlinie mit entsprechendem Umsetzungsspielraum, sondern als unmittelbar verbindliche Verordnung - Maßnahmen zur Verwirklichung folgender Ziele vor:
- größere Auswahl an Bodenabfertigungslösungen, vollständige Marktöffnung für Selbstabfertigung der Luftverkehrsunternehmen, Erhöhung der Anzahl der Dienstleister auf mindestens drei an großen Flughäfen (ab 5 Mio. Passagiere).
- der Flughafen wird Koordinator der Bodenabfertigungsdienste, d.h. ihm obliegt die Festlegung der Mindeststandards.
- Verbesserung der Ausbildung und Sicherung stabiler Beschäftigungsbedingungen.
Zu 1.:
Der Verordnungsentwurf wird in der Branche unterschiedlich beurteilt, von hier aus wird vornehmlich die Kritik geteilt.
Die Ausgangsrichtlinie von 1996 war seinerzeit als erster Schritt zu einer stufenweisen Liberalisierung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste der Gemeinschaft gedacht. Sie sollte zur Senkung der Betriebskosten der Luftfahrtunternehmen und zur Verbesserung der Dienstleistungen beitragen. Diese Ziele wurden zumindest in Deutschland auch erreicht, es konnten ohne Beeinträchtigung der Qualität Preissenkungen an die Luftverkehrsgesellschaften von bis zu 30 % weitergegeben werden.
Weitere Marktöffnungen werden nach überwiegender Ansicht zu Nachteilen für die gesamte Luftverkehrswirtschaft führen. Selbstabfertigung durch die Luftverkehrsgesellschaften ist schon heute möglich, findet aber faktisch nicht statt. Schon heute erwirtschaften die führenden Drittabfertiger keine Gewinne. Die Möglichkeiten zur Prozessoptimierung sind bei den Flughäfen weitgehend ausgeschöpft. Mehr Wettbewerber auf dem Vorfeld führen nicht automatisch zu günstigeren Preisen und besserem Service, denn der zu verteilende Kuchen wächst nicht, sondern bleibt konstant. Dementsprechend würden die Marktanteile durch die Teilnahme weiterer Wettbewerber am Geschäft lediglich kleiner werden und zu zusätzlichem Preisdruck führen, dem in diesem personalintensiven Geschäft wohl nur durch Lohnsenkung begegnet werden könnte.
Ebenfalls kritisch werden die zusätzlichen Verpflichtungen des Flughafenbetreibers als Gesamtverantwortlichen für ein funktionierendes System, das zum Beispiel durch verbindliche Einführung von kostenintensiven so genannten CDM-Systemen überwacht werden soll, gesehen. Mit der Einräumung stärkerer Überwachungs- und Eingriffsrechte für den Flughafen fordert der Entwurf einerseits eine starke Koordination der Dienstleister und Airlines durch den Flughafen als Infrastruktur-Manager, bringt aber gleichzeitig unnötigerweise weitere Mitspieler auf das Feld. Daneben werden die Abfertigungsdienstleister der Flughäfen gegenüber Drittanbietern benachteiligt, da zum Beispiel nur für sie das sog. subcontracting verboten werden soll.
Zu 2.:
Aus niedersächsischer Sicht besteht eine Betroffenheit am internationalen Verkehrsflughafen Hannover-Langenhagen. Mit über fünf Millionen Passagieren überschreitet er knapp die Grenze und wäre daher verpflichtet, einen weiteren Anbieter am Standort zuzulassen. Es steht zu befürchten, dass die unter 1) beschriebenen nachteiligen Auswirkungen auch am hiesigen Standort einträten. Dies gelte sowohl für die Drittabfertiger, die schon heute keine Gewinne erwirtschaften, als auch für die Groundhandling Tochter des Flughafens, die bei Abzug weiterer Passagiere durch den dritten Anbieter wohl nicht mehr gewinnbringend arbeiten könnte.
Zu 3.:
Ende Januar wird die Angelegenheit im Bundesrat beraten. Es ist in Absprache mit MW ein den Verordnungsentwurf ablehnender Antrag Hamburgs im Verkehrsausschuss des Bundesrats angekündigt worden, den Niedersachsen unterstützen wird. Niedersachsen wird in Kontakt bleiben mit dem Bund (BMVBS), der ebenso wie diverse Abgeordnete des Europäischen Parlaments dem Entwurf negativ gegenüber steht.
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erstellt am:
20.01.2012