ÖPNV
Der Abgeordnete Patrick-Marc Humke (LINKE) hatte gefragt:
Ein wesentlicher Ausdruck für soziale Integration ist die Mobilität. Die Frage nach den Kosten für den ÖPNV nimmt hierbei eine Schlüsselstellung ein. Unstrittig ist, dass hohe Preise und niedrige Einkommen Faktoren sind, die das gesellschaftliche Phänomen des Schwarzfahrens deutlich erhöhen. Insofern sind strenge Konsequenzen, die sozial Benachteiligte durch hohe Strafgelder bzw. sogar Haftstrafen erfahren, sehr umstritten. Einige niedersächsische Kommunen haben in jüngster Vergangenheit ein Sozialticket eingeführt, das es sozial Benachteiligten ermöglicht, zu einem deutlich vergünstigten Preis (z. B. orientiert an der entsprechenden Bedarfsabteilung im Regelsatz der Mindestsicherung) ein ÖPNV-Abonnement zu erwerben.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie viele Fahrgäste wurden zwischen 2000 und 2010 in den jeweiligen kommunalen Verkehrsverbünden im ÖPNV in Niedersachsen befördert? (Bitte aufschlüsseln nach Verkehrsverbünden und Jahren.)
- Wie viele Fahrgäste wurden in den Jahren zwischen 2000 und 2010 bei Kontrollen des ÖPNV ohne gültigen Fahrschein angetroffen? (Bitte aufschlüsseln nach Verkehrsverbünden und Jahren.)
- Bei wie vielen der in Frage 2 genannten Personen war die Strafzahlung nicht einzutreiben? (Bitte aufschlüsseln nach Verkehrsverbünden und Jahren.)
- Wie viele Personen wurden zwischen 2000 und 2010 in Niedersachsen wegen Schwarzfahrens/„Beförderungserschleichung“ verurteilt:
a) zu einer Geldstrafe,
b) zu einer Gefängnisstrafe mit Bewährung,
c) zu einer Gefängnisstrafe ohne Bewährung?
(Bitte jeweils aufschlüsseln nach Jahren sowie den Personendaten Alter, Geschlecht und Nationalität.) - Wie viele Personen, die wegen Schwarzfahrens/„Beförderungserschleichung“ verurteilt wurden, haben zwischen 2000 und 2010 in Niedersachsen
a) eine Gefängnisstrafe verbüßt,
b) Ersatzstunden geleistet?
(Bitte jeweils aufschlüsseln nach Jahren sowie den Personendaten Alter, Geschlecht und Nationalität.) - Wie viele Personen wurden zwischen 2000 und 2010 wegen Betrugs bestraft, weil sie im Besitz eines falschen, nicht gültigen oder nur für bestimmte Zeit gültigen Fahrscheins waren:
a) zu einer Geldstrafe,
b) zu einer Haftstrafe?
(Bitte jeweils aufschlüsseln nach Jahren sowie den Personendaten Alter, Geschlecht und Nationalität.) - Wie viele der in Frage 6 genannten Personen verbüßten zwischen 2000 und 2010 (bitte aufschlüsseln) eine Haftstrafe:
a) von unter sechs Monaten,
b) zwischen sechs und zwölf Monaten,
c) von mehr als zwölf Monaten?
(Bitte jeweils aufschlüsseln nach Jahren sowie den Personendaten Alter, Geschlecht und Nationalität.) - Wie hoch beziffert die Landesregierung die Kosten, die in Niedersachsen zwischen 2000 und 2010 in den einzelnen Jahren durch die juristischen Konsequenzen des Schwarzfahrens entstanden sind? (Gegebenenfalls nur nach Schätzung; inklusive Behördenaufwand, Strafverfahren usw.)
In Niedersachsen sind die Landkreise und kreisfreien Städte sowie die Region Hannover und der Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB) gem. § 3 Abs. 1 Niedersächsisches Nahverkehrsgesetz Aufgabenträger für den ÖPNV. Um diesen optimal zu organisieren, haben sich gebietsübergreifende Zusammenschlüsse von Aufgabenträgern wie auch von Verkehrsunternehmen gebildet (Verbünde).
In Niedersachsen existieren fünf große Verkehrsverbünde (Zusammenschlüsse von Verkehrsunternehmen), die zumindest teilweise niedersächsisches Gebiet umfassen (Großraum Verkehr Hannover (GVH), Verbundtarif Region Braunschweig (VRB), Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen (VSN), Hamburger Verkehrsverbund (HVV) und Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN).
Die Verbünde entscheiden über die Erhebung von Statistiken selbständig. Teilweise werden solche, wenn überhaupt, von den einzelnen Mitgliedsunternehmen geführt und nicht zusammengeführt. Eine Verpflichtung zur Führung von entsprechenden Statistiken sowie eine Auskunftspflicht gegenüber der Landesverwaltung bestehen nicht. Aus diesem Grund gestaltet sich die Abrufbarkeit der Daten sehr komplex.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Fahrgäste in Mio.* |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
GVH |
158,3 |
161,9 |
165,6 |
165,2 |
170,0 |
172,4 |
173,3 |
178,8 |
183,1 |
188,9 |
- |
VRB |
75,3 |
80,4 |
83,9 |
85,5 |
89,6 |
88,4 |
88,4 |
89,4 |
86,9 |
88,9 |
91,5 |
VSN |
ca. 21,5 |
||||||||||
VBN** |
116,8 |
121,4 |
120,2 |
125,0 |
128,9 |
131,5 |
132,0 |
132,5 |
134,9 |
137 |
- |
Der Hamburger Verkehrsverbund hat keine Daten mitgeteilt.
*Zu beachten ist, dass die Fahrgastzahlen nicht nur den ÖPNV, sondern auch den SPNV umfassen.
**Zahlen für den gesamten VBN-Bereich Bremen und Niedersachsen
Zu 2.:
Daten zu sogenannten „Schwarzfahrern“ werden in der Regel nicht verbundweit erfasst. Eine Ausnahme bildet hier der GVH, der diese Daten zeitweilig erhoben hat.
Fahrgäste |
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
GVH (ÖPNV) |
81.213 |
89.170 |
84.590 |
74.544 |
Zu 3.:
Zur Zahl der Fahrgäste ohne gültigen Fahrschein, bei denen das erhöhte Beförderungsentgelt nicht einzutreiben war, liegen den Verkehrsunternehmen in der Regel keine Daten vor.
Dies liegt auch daran, dass häufig Inkassounternehmen mit der Verfolgung beauftragt werden (Forderungsverkauf) oder Daten über solche Verfahren aufgrund des unterschiedlichen Verlaufs und der teilweisen langen Verfahrensdauer nicht erhoben werden. Außerdem wird hierin von den Unternehmen/Verbünden keine Möglichkeit zur Erfolgsoptimierung gesehen. Auch hier muss zwischen datenschutzrechtlichen Gegebenheiten und dem Ziel einer statistischen Erhebung abgewogen werden.
Zu 4.:
Verurteilungen wegen „Beförderungserschleichung“ werden in der Strafverfolgungsstatistik nicht gesondert ausgewiesen. Statistisch erfasst werden nur Verurteilungen wegen Erschleichens von Leistungen (§ 265 a StGB) insgesamt. Das Erschleichen der Beförderung durch ein Verkehrsmittel ist lediglich eine von insgesamt vier Tatbestandsvarianten des § 265 a StGB. Zur Beantwortung der Frage wäre daher eine manuelle Auswertung des gesamten Aktenbestandes der Staatsanwaltschaften erforderlich, die angesichts ihrer vordringlichen Aufgaben, eine effektive Strafverfolgung sicherzustellen, nicht geleistet werden kann.
a) Wie viele Personen, die wegen „Beförderungserschleichung“ verurteilt wurden, in Niedersachsen eine Freiheitsstrafe verbüßt haben, weist die Strafvollzugsstatistik nicht aus.
b): Eine separate Erfassung nach Delikten, Alter, Geschlecht und Nationalität wird bei der Erhebung der Daten zum Programm „Schwitzen statt Sitzen“, auf das sich diese Frage beziehen dürfte, nicht durchgeführt.
Zu 6. und 7.:
Betrugsstraftaten im Zusammenhang mit Besitz bzw. Vorzeigen eines falschen, nicht gültigen oder nur für eine bestimmte Zeit gültigen Fahrscheins werden statistisch nicht gesondert erfasst.
Zu 8.:
Zu Frage 8 liegen keine Erkenntnisse vor.
Artikel-Informationen
erstellt am:
14.04.2011