Niedersachsens Wasserstraßen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22.06.2012 - TOP 34. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Gerd Ludwig Will, Heinrich Aller, Marcus Bosse, Hans-Dieter Haase, Wolfgang Jüttner, u. a. (SPD)
Die Abgeordneten Gerd Ludwig Will, Heinrich Aller, Marcus Bosse, Hans-Dieter Haase, Wolfgang Jüttner, Jürgen Krogmann, Olaf Lies, Wiard Siebels, Roland Schminke, Klaus Schneck, Petra Tiemann, Sabine Tippelt (SPD) hatten gefragt:
Mit Beschluss vom 14. September 2011 - Drs. 16/4001 - hat der Landtag im Zusammenhang mit der momentan diskutierten Neustrukturierung von Binnen- und Seewasserstraßen und der damit verbundenen Neuorganisation der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die große Bedeutung der Bundeswasserstraßen in Niedersachsen für die verkehrliche Infrastruktur hervorgehoben. Dabei hat der Landtag der Förderung von Bundeswasserstraßen rein nach Gütertonnagen eine Absage erteilt und die Landesregierung gebeten, sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, hinsichtlich einer Neustrukturierung künftiger Fördermittelflüsse von einer alleinigen Bemessung nach der Gütertonnage abzusehen und stattdessen zusätzliche Kriterien, etwa mit regionalem, volkswirtschaftlichem oder ökologischem Bezug, aufzunehmen.
Die Landesregierung hat in ihrer Antwort vom 12. März 2012 - Drs. 16/4600 - die vielfache Kritik an den Reformplänen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) angesprochen. Sie hat darauf verwiesen, die bisherigen Berichte des BMVBS gäben zu wenige Antworten auf die eigentliche Fragestellung, nämlich nach der zukünftigen Organisationsstruktur der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV). Zugleich verwies die Landesregierung auf „die noch größere Problematik“ zur künftigen Kategorisierung der Bundeswasserstraßen. Es wird ferner ausgeführt, dass der Etat des Wasserstraßenhaushaltes erhebliche Kürzungen erfahren habe und das zur Verfügung stehende Budget von 800 Millionen Euro weder für den Substanzerhalt noch für den planmäßigen Ausbau der Wasserstraßen und der Engpässe ausreiche. Das BMVBS geht von einem strukturellen Defizit im Wasserstraßenhaushalt in einer Größenordnung von 500 Millionen Euro aus. Zusammenfassend stellt die Landesregierung fest, dass die bisherigen Reformberichte des BVMBS aus Landessicht jedoch in dieser Form keine Zustimmung fänden.
Gleichwohl hat Bundesverkehrsminister Ramsauer bei der Vorstellung der endgültigen Fassung des Investitionsrahmenplans 2011 bis 2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP) am 26. März 2012 in einer Pressemitteilung erklärt, dass es bei den Ländern auf große Zustimmung stieße, dass der Bund in den kommenden Jahren verstärkt in den Erhalt der bestehenden Verkehrsinfrastruktur investieren werde. Zudem würden die Länder begrüßen, dass der Bund klare Prioritäten setze und die Planung der Aus- und Neubaumaßnahmen u. a. am Bedarf ausrichte.
Hinsichtlich der Neustrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wurde in verschiedenen Presseberichten kolportiert, dass der Bund beabsichtige, eine Zentraldirektion in Bonn zu errichten. Dies hätte die Auflösung der bisherigen Direktionen - darunter auch Aurich und Hannover - zur Folge.
Wir fragen die Landesregierung:
- Welche konkreten Erhaltungs- und Neubaumaßnahmen an den niedersächsischen Wasserstraßen sind aus Sicht der Landesregierung umzusetzen, und welche Folgen hat die Strukturreform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung auf die Realisierung dieser Maßnahmen?
- Wie steht die Landesregierung zum Verzicht auf die Darstellung einer „Projektliste Wasserstraße“ im IRP 2011 bis 2015, der damit begründet wird, dass die aktuell anstehenden Wasserstraßeninfrastrukturprojekte derzeit im Zusammenhang mit einer erstmals vorgenommenen Kategorisierung des Bundeswasserstraßennetzes priorisiert werden?
- Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung sicherstellen, dass die unmittelbaren Wasserstraßeninteressen des Landes gewahrt werden, wenn der Investitionsrahmenplan aufgrund des hohen Alters der Anlagen und ihrer starken Beanspruchung es als erforderlich sieht, den Schwerpunkt auf die Substanzerhaltung zu legen?
Nach Aussagen des BMVBS besteht im Wasserstraßenhaushalt ein strukturelles Defizit von 500 Millionen €. Aufgrund der Altersstruktur der Wasserstraßeninfrastruktur muss das vorhandene Budget in Höhe von 800 Millionen € nach der dortigen Auffassung vorrangig für Ersatz- und Erhaltungsmaßnahmen verwendet werden.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1:
Erhaltungs- und Neubaumaßnahmen:
- Fertigstellung der durchgängigen Befahrbarkeit des Mittellandkanals bis zur Elbe mit Großgütermotorschiffen /Schubverbänden auf der Grundlage des Regierungsabkommens von 1965 zum Ausbau des Mittellandkanals einschließlich seiner Stichkanäle mit einer Vielzahl von einzelnen Bauvorhaben (Streckenausbau, Brückenneubau, Neubau von Dükern/Unterführungen)
- Fertigstellung der Schleusenneubauten Minden und Dörverden (voraussichtlich in 2013) sowie Anpassung der Mittelweserstrecke zur durchgängigen Befahrbarkeit mit Großgütermotorschiffen (GMS, Perspektive: ÜGMS)
- Ersatzinvestitionen an der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals, vorrangiger Ersatz von 5 Schleusen mit größeren Abmessungen, Anpassungen im Brücken- und Streckenbereich
- Neubau einer Schleuse in Lüneburg als Ergänzung des Schiffshebewerks Scharnebeck
- Instandsetzungsmaßnahmen am Küstenkanal
Das Ergebnis der Strukturreform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes liegt der Landesregierung noch nicht vor, insofern kann hierüber zurzeit noch keine Aussage gemacht werden.
Zu 2 und 3:
Wegen des Sachzusammenhanges wird die Beantwortung zu Frage 2 und 3 zusammengefasst.
Der Investitionsrahmenplan beinhaltet nur Projekte, die über eine Baureife verfügen, und stellt die im Zeitraum bis 2015 zu finanzierenden Maßnahmen des BVWP dar.
Die unter 1 genannten Maßnahmen gelten überwiegend als laufendes Projekt bzw. Erhaltungsmaßnahmen und werden daher im Investitionsrahmenplan nicht projektscharf, sondern als jährliche Gesamtinvestitionen ausgewiesen. Der Neubau der Schleuse Lüneburg hat zurzeit noch keine Planreife; ein Mittelansatz im IRP bis 2015 ist daher nicht möglich. Da das Ergebnis der Kategorisierung der Wasserstraßen durch den Bund der Landesregierung noch nicht vorliegt, können die Auswirkungen noch nicht abgeschätzt werden.
Im Rahmen der Erstellung eines gemeinsamen Gutachtens zur Netzkategorisierung der Wasserstraßen (Railistics-Gutachten), welches Niedersachsen federführend mit 13 weiteren Ländern, dem Bund und dem Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen in Auftrag gegeben hat, wurden die aktuellen Probleme beim Substanzerhalt und der weiteren Optimierung des Wasserstraßennetzes in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe erörtert. Der Bund hat zugesagt, dieses Gremium auch weiterhin für die Weiterentwicklung der Strategie zur Substanzerhaltung und zum Ausbau des Wasserstraßennetzes fortführen zu wollen. In diesem Zusammenhang wird die Landesregierung die Interessen von Niedersachsen und darüber hinaus im Zusammenwirken mit den norddeutschen Ländern auch für das norddeutsche Wasserstraßennetz wie bisher offensiv vertreten. Ein unmittelbarer Einfluss auf die Investitionsentscheidungen des Bundes ist auf der Grundlage des Art. 89 Grundgesetz jedoch nicht gegeben.
Artikel-Informationen
erstellt am:
22.06.2012