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Schlachthof Wietze

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2011 - TOP 26. Antwort von Arbeitsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer und Enno Hagenah (GRÜNE)


Die Abgeordneten Christian Meyer und Enno Hagenah (GRÜNE) hatten gefragt:

Der Neubau des Schlachthofs in Wietze ist vom Land mit 6,5 Millionen Euro direkten und indirekten Subventionen gefördert worden. Davon gingen 5 Millionen Euro direkt an das umstrittene Unternehmen Rothkötter. Mit der Landesförderung sind Auflagen verbunden, die der Investor Rothkötter Grundstücksverwaltung Wietze GmbH & Co. KG und der Nutzer Celler Land Frischgeflügel GmbH zu erfüllen haben. Unter anderem hat das Unternehmen im Schlachthof Wietze 250 feste Dauerarbeitsplätze mit einem Stundenlohn von 10 Euro zu schaffen. Diese sollen vorrangig mit Personal aus der Region Celle zu besetzen sein (siehe Drs. 16/3570). Auf den Stellenanzeigen-Seiten der Bundesagentur für Arbeit suchte der Betrieb über eine Zeitarbeitsfirma im Oktober 2011 hingegen mindestens 30 Beschäftigte für einen Stundenlohn von 7,79 Euro in Schichtarbeit. Die Mitarbeiter sollen laut Stellenausschreibung auch für Lebensmittelhygiene und Qualitätskontrollen zuständig sein. Im Oktober-Plenum erklärte Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die Vorhaltung dieses Stellenangebotes, das Unternehmen habe mit 340 sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern „die Zusage deutlich übererfüllt“. Diese Beschäftigten erhielten aktuell 9,50 Euro pro geleistete Arbeitsstunde und würden nach sechs Monaten 10,56 Euro bekommen. Zusätzlich soll der Betrieb 30 Beschäftigte der Zeitarbeitsfirma Randstad eingesetzt haben, die „mehr als 8 Euro“ bezahlt bekommen sollen. Der Minister bewertete die Beschäftigung im Schlachthof Wietze als „eine sozial sehr anständige Geschichte“.

Zweite Bedingung für die Landesförderung sind Verträge zur Erzeugerbindung bis spätestens zum Ablauf des Bewilligungszeitraums. Dieser endet am 28. Dezember 2012. Für die Vollauslastung des Betriebs mit 135 Millionen geschlachteten Hühnern pro Jahr wären bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 40 000 Masthühnern etwa 400 bis 440 Großmastanlagen notwendig. Wie die Sendung Spiegel-TV am 16. Oktober 2011 berichtete, hat der Betrieb kaum Mäster aus der Region und lässt sogar Hühner aus Dänemark anliefern. Dort gibt es einen Mindestlohn im Schlachtgewerbe von 21 Euro. Wie das NDR-Magazin „Menschen und Schlagzeilen“ am 1. Dezember 2010 im Zusammenhang mit der ehemaligen Agrarministerin Grotelüschen berichtete, gilt Deutschland mittlerweile als Billiglohnstandort im Schlachtgewerbe. Dies ist laut Medienberichten (u. a. taz 19. August 2011 oder wdr 11. März 2011) möglich, weil in Deutschland im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Ländern die Leiharbeit nicht ausreichend von Werksverträgen abgegrenzt wird. Mithilfe des Entsendegesetzes schließen so Schlachthöfe in Deutschland Werkverträge mit Anbietern im europäischen Ausland ab, um zum Beispiel Bulgaren oder Rumänen nicht selten für nur 3 bis 4 Euro in ihren Höfen arbeiten zu lassen. Gewerkschafter sprechen von massivem Missbrauch und Scheinkonstruktionen.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie viele Beschäftigte im Schlachthof in Wietze waren jeweils in den Monaten September und Oktober zu welchem Bruttostundenlohn a) fest bei der Firma Celler Frischgeflügel vollzeit beschäftigt, b) atypisch als Leiharbeiter, c) atypisch über Honorarverträge, d) atypisch über Werksverträge oder e) andersartig beschäftigt, und entspricht dies der Lohnstruktur des Schlachthofs in Haren (Emsland)?
  2. Wie viele der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen wie von der Landesregierung im Bewilligungsbescheid gefordert (Drs. 16/3570) aus der Region Celle, und bei welchem Prozentsatz gilt die Förderbedingung als erfüllt?
  3. Wie viele Geflügelmäster aus der näheren Umgebung (im Umkreis von 100 km) mit welchen Mastkapazitäten pro Stall hat das Unternehmen bereits unter Vertrag, und wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass die Celler Frischgeflügel anscheinend Mastgeflügel aus Dänemark schlachtet?
Arbeitsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Die Förderung gewerblicher Investitionen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) dient unmittelbar der Schaffung und Sicherung dauerhafter Arbeitsplätze, so auch in Wietze. Voraussetzung für die Förderung des Neubaus des Schlachthofes war u. a. die Schaffung von 250 Dauerarbeitsplätzen bis zum Abschluss des Investitionsvorhabens.

Der neu gebaute Schlachthof in Wietze wurde am 05. September 2011 in Betrieb genommen und beschäftigt bereits heute 340 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, also 90 mehr als ursprünglich geplant und zugesichert, sowie 30 Beschäftigte, die über eine Zeitarbeitsfirma vermittelt wurden, um die Produktion auch in Spitzenzeiten sicherzustellen. Hinzu kommen indirekte Beschäftigungseffekte z. B. bei einem Dienstleistungsunternehmen, das mit der Reinigung beauftragt wurde. Das Vorgehen des Unternehmens Celler Land Frischgeflügel in diesem Förderfall ist lobenswert: Menschen mit teilweiser geringer Qualifikation wird über das Instrument der Zeitarbeit die Chance für einen dauerhaften Einstieg in Beschäftigung gegeben.

Von einem - wie im Einleitungstext der Anfrage dargestellt - massiven Missbrauch von Werkverträgen und Scheinkonstruktionen durch Schlachthöfe in Deutschland oder Niedersachsen ist nach Auffassung der Landesregierung trotz der in Einzelfällen sicherlich praktizierten rechtswidrigen Verhaltensweisen nicht auszugehen.

Es gibt weder Anhaltspunkte noch Hinweise dafür, dass in Deutschland oder Niedersachsen systematisch und weit verbreitet Werkverträge genutzt werden, um den Lohn zu drücken oder arbeitsrechtliche Standards zu umgehen. Es ist zudem nicht zutreffend, dass in Deutschland Leiharbeit von Werkverträgen nicht ausreichend abgegrenzt wird bzw. abzugrenzen ist.

Die Landesregierung hat bereits früher im Zusammenhang mit bekannt gewordenen Verdachtsfällen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung in der niedersächsischen Fleischindustrie darauf hingewiesen, dass das der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zur Bekämpfung derartiger Verstöße zur Verfügung stehende rechtliche Instrumentarium zusammen mit den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Abgrenzung von Werkverträgen und illegaler Arbeitnehmerüberlassung ausreicht.

Bei Verstößen dieser Art, die unter Einsatz erheblicher krimineller Energie begangen werden, gibt es daher kein Erkenntnis, – sondern eher ein Nachweisproblem.

Der Zuwendungsbescheid zur GRW-Förderung vom 14.06.2010 enthält u. a. folgende Auflagen: Das Investitionsvorhaben ist innerhalb des Bewilligungszeitraumes vom 29.12.2009 bis 28.12.2012 durchzuführen. Nach Abschluss des Investitionsvorhabens müssen in der Betriebsstätte insgesamt 250 Dauerarbeitsplätze, davon 5 Ausbildungsplätze vorhanden und besetzt sein. Die zu schaffenden Arbeitsplätze sind vorrangig mit Personal aus der Region des Landkreises Celle zu besetzen, wobei die Lohnstruktur der im Schlachthof Haren im Emsland entsprechen soll.

Weiterhin sind mit Ablauf des Bewilligungszeitraumes die Verträge zur Erzeugerbindung vorzulegen. Diese Auflage bezieht sich auf die Ausbaustufe des Schlachthofes mit einer Schlachtlinie im Ein-Schichtbetrieb mit 250 Arbeitskräften. Die im Vorspann genannte Kapazität von 135 Mio. geschlachteten Hühnern pro Jahr bezieht sich im Übrigen auf die vom Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg genehmigte maximale Ausbaustufe mit zwei Produktionslinien im Zwei-Schichtbetrieb. Ein solcher Ausbau ist aktuell nicht geplant oder angedacht, sondern eine perspektivische Option unter der Voraussetzung entsprechender Marktbedingungen. Das wurde seitens des Unternehmens von Beginn an auch so kommuniziert.

Die Erfüllung der Auflagen des Zuwendungsbescheides wird regelmäßig erst nach Abschluss des Investitionsvorhabens im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung geprüft. Darüber hinaus bestehen für das Unternehmen keine Berichtspflichten. Das Unternehmen hat jedoch einige Informationen freigegeben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Nach Angaben des Unternehmens waren im Schlachthof Wietze am 31.10.2011 beschäftigt: 340 sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte sowie 30 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Zeitarbeitsfirma Randstad im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Die Lohnstruktur entspricht der Lohnstruktur des Schlachthofes in Haren (Emsland).

Zu 2.:
Nach Angaben des Unternehmens kommen ca. 90 Prozent der Beschäftigten aus einem Umkreis von bis zu 50 Kilometern um den Standort Wietze herum. Damit gilt die entsprechende Forderung aus dem Bewilligungsbescheid als erfüllt.

Zu 3.:
Nach Angaben des Unternehmens liegen entsprechend der Förderbedingungen Er-zeugerbindungen für die gegenwärtige Ausbaustufe des Schlachthofes vor. Der Anteil von aus Dänemark stammenden Hähnchen an der Gesamtanzahl der in Wietze geschlachteten Tiere ist kleiner als 1 Prozent. Grundsätzlich gibt es aus Sicht der Landesregierung gegen eine Schlachtung von Geflügel aus Dänemark keine Bedenken unter der Voraussetzung, dass die Vorschriften im Veterinärbereich (Tierschutz, Tierseuchen, Hygiene) eingehalten werden.

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erstellt am:
11.11.2011

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