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Ölunfälle in der Nordsee

Die Abgeordneten Sigrid Rakow, Detlef Tanke, Brigitte Somfleth, Marcus Bosse, Karin Stief-Kreihe und Rolf Meyer (SPD) hatten gefragt:

Der Ölunfall in der Nordsee vor der schottischen Küste und die Informationspolitik des verantwortlichen Betreibers Shell haben seit Mitte August die Schlagzeilen gefüllt. Unter der Überschrift „Schrottplattform außer Rand und Band“ und mit Verweis auf die Norwegische Tageszeitung Dagbladet schreibt die taz vom 18. August über „altersschwache Komponenten“ der Ölplattformen und „Rohre, die fast nur noch von Farbe zusammengehalten werden“. Vor dem Hintergrund sind weitere Ölaustritte - auch in größerem Ausmaß - wahrscheinlich. Aus Besorgnis um das Weltnaturerbe Wattenmeer in Niedersachsen fragen wir die Landesregierung:

  1. Auf wie vielen Plattformen von welchen Betreibern wird zurzeit in der Nordsee Öl gefördert?
  2. In welchem baulichen und technischen Zustand befinden sich diese Plattformen, und wer überprüft dies nach welchen Kriterien?
  3. Wie viele Ölaustritte hat es in den letzten fünf Jahren gegeben, und welche Mengen sind dabei ausgetreten?
  4. Welche Beeinträchtigungen der Meeresumwelt sind dabei festzustellen, bzw. wie wird dies erfasst, und inwieweit ist das Weltnaturerbe Wattenmeer dabei bedroht?
  5. Welche zusätzliche Belastung wird durch die Schifffahrt, die Schiffe, die ihr Altöl ins Meer entsorgen, hervorgerufen?
  6. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bisher ergriffen/wird sie ergreifen, damit auf EU-Ebene für die Sicherheit bei der Erdölförderung in der Nordsee gesorgt wird (vgl. hierzu Drs. 16/3814)?
  7. Wie schätzt die Landesregierung die von der EU geplanten Maßnahmen zur Sicherheit der Ölplattformen ein, und in welchem zeitlichen Rahmen rechnet sie mit einer Verwirklichung?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 12.10.2011 wie folgt:

Im niedersächsischen Zuständigkeitsbereich für den deutschen Festlandsockel unter der Nordsee sowie in den niedersächsischen Küstengewässern wird derzeit kein Erdöl gewonnen. Im Gebiet der deutschen Nordsee findet eine Erdölförderung derzeit ausschließlich auf der im schleswig-holsteinischen Küstenmeer gelegenen Bohr- und Förderinsel Mittelplate statt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:
Hierzu liegen der Landesregierung keine detaillierten Erkenntnisse vor. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag zu den Gefahren der Ölförderung in deutschen und europäischen Meeren (Drucksache 17/2208 des Deutschen Bundestages) die Anzahl der in der Nordsee in Produktion befindlichen Erdöl- und Erdgasfelder mit über 300 angegeben. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Zu 2:
Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Bundesregierung beschreibt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag zu den Gefahren der Ölförderung in deutschen und europäischen Meeren (Drucksache 17/2208 des Deutschen Bundestages) die im schleswig-holsteinischen Küstenmeer gelegenen Bohr- und Förderinsel Mittelplate wie folgt: „Die Bundesregierung kann nach den ihr vorliegenden Informationen für die Mittelplate ein Unglück mit aus dem Meeresgrund austretendem Öl ausschließen. Bei der Mittelplate handelt es sich um eine künstliche Insel mit einer flüssigkeitsdichten Wannenkonstruktion aus Beton und einem hermetisch abgeriegelten Hafen (auf dem Wattboden gegründet und durch eine bis zu 11 Meter hohe Stahlspundwand zum offenen Meer gesichert). Es wird mangels ausreichenden Drucks mithilfe von Tauchkreiselpumpen gefördert. Automatische Schließventile befinden sich in 90 Meter Tiefe unter dem Meeresboden. Offen zugängliche Ventile befinden sich im Bohrkeller. Die Mittelplate wird zudem nach dem Prinzip der Nulleinleitung betrieben, d. h. Produktionswasser wird an Land behandelt und rückverpresst; Bohrspülung und Bohrklein werden an Land entsorgt.“

Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Zu 3:
Das Havariekommando in Cuxhaven hat für die Jahre 2003 (Aufnahme des Wirkbetriebs) bis 2010 insgesamt 7 größere Ölunfälle im Bereich der Nordsee erfasst, die als komplexer Schadstoffunfall eingestuft und erfolgreich bekämpft wurden. Darüber hinaus führt das Havariekommando aufgrund internationaler Verpflichtungen kontinuierlich Beobachtungsflüge mit zwei Spezialflugzeugen durch, siehe Antwort zu Frage 5. Nach Auskunft des Havariekommandos sind dabei auch Ölaustritte insbesondere aus dänischen Förderplattformen registriert worden. Angaben zu ausgetretenen Mengen liegen jedoch nicht vor.

Im niedersächsischen Zuständigkeitsbereich für den deutschen Festlandsockel unter der Nordsee sowie in den niedersächsischen Küstengewässern hat es in den vergangenen fünf Jahren keine Ölaustritte von Erdölförderplattformen gegeben. Auch der Bundesregierung sind für diesen Zeitraum entsprechend ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag zu den Gefahren der Ölförderung in deutschen und europäischen Meeren (Drucksache 17/2208 des Deutschen Bundestages) keine meldepflichtigen Ölunfälle aus der Erdölexploration und -produktion in deutschen Meeresgebieten bekannt.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen.

Zu 4:
Ölunfälle im Bereich der Nordsee wirken sich am empfindlichsten auf die Uferzonen aus. Die Verwundbarkeit der Uferzonen wird üblicherweise in Abhängigkeit vom Charakter der Uferzone klassifiziert. Das Ausmaß der Schäden kann auf einer Skala durch einen "Verwundbarkeitsindex" dargestellt werden. Das Tidegebiet des Wattenmeeres ist z. B. nach einer solchen Einstufung fast ausnahmslos in die empfindlichsten Klassen einzuordnen. Um innerhalb dieser Empfindlichkeit eine weitere räumliche Differenzierung zu ermöglichen, hat die Landesregierung für das Wattenmeer ein spezielles Sensitivitätsraster eingeführt, das kleinräumige Unterschiede der Empfindlichkeit aufzeigt und im Falle eines Ölunfalls Entscheidungshilfen bei der Bekämpfung liefert. Auch wenn bei Ölunfällen die größten Schäden an den hochempfindlichen Küstenzonen zu befürchten sind, heißt das nicht, dass auf der Hohen See keine Schäden für die Umwelt entstehen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass Seevögel durch Ölverschmutzungen geschädigt werden, ist von der räumlichen Verbreitung und der Häufigkeit der verschiedenen Seevogelarten auf dem Meer abhängig. Insofern ist die Kenntnis der räumlich-zeitlichen Verteilungsmuster der häufigsten Arten eine wichtige Voraussetzung für die Darstellung der Schadensempfindlichkeit des Meeres. Eine Sensitivitätskartierung für die weitere Nordsee befindet sich in Vorbereitung. Die Grundlagen dafür werden derzeit in einem niedersächsischen Forschungs-Verbundvorhaben "Wissenschaftliche Monitoringkonzepte in der Deutschen Bucht" geschaffen.

Zu 5:
Regelmäßig durchgeführten Luftüberwachungsflüge mit Spezialflugzeugen des Havariekommandos detektierten in den Jahren 2009 und 2010 rd. 45 Verschmutzungen im deutschen Territorialgewässer und der ausschließlichen Wirtschaftszone. Dies entspricht einer Abnahme um fast 10 % im Vergleich zu den Vorjahren. Nahezu alle detektierten Verschmutzungen waren von der Menge her kleiner als 1 m³ und somit nicht bekämpfungswürdig. Genaue Mengenangaben über illegale Einleitungen durch die Schifffahrt liegen der Landesregierung nicht vor. Allgemein erwartet die Landesregierung jedoch, dass die sogenannte chronische Ölverschmutzung in der Nordsee in den nächsten Jahren signifikant abnehmen wird, da aufgrund von Beschlüssen der Weltschifffahrtsorganisation IMO und der neu gefassten europäischen Richtlinie über den Schwefelgehalt von Schiffskraftstoffen die Verwendung von Schweröl in der Seeschifffahrt an Bedeutung verlieren wird.

Zu 6:
Die Landesregierung hat in ihrer Antwort vom 28.06.2011 (LT-Drs. 16/3814) den Landtag auch über die auf europäischer Ebene geplanten Maßnahmen sowie die Einbindung des Landes in den dazugehörigen Diskussionsprozess informiert. Eine Sachstandsänderung hat sich zwischenzeitlich nicht ergeben.

Zu 7:
Die Landesregierung begrüßt grundsätzlich alle Maßnahmen der Europäischen Union, die zu einer Erhöhung der Sicherheit von Erdölförderplattformen beitragen. Belastbare Informationen zu der zeitlichen Umsetzung der derzeit auf europäischer Ebene diskutierten Maßnahmen liegen der Landesregierung nicht vor.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
11.11.2011

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