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Welche fiskalischen Effekte sind durch den Ausbau der Offshore-Windenergie für Niedersachsen zu erwarten?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 23.03.2012 - TOP 37. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU)


Der Abgeordnete Axel Miesner (CDU) hatte gefragt:

Es ist politischer Konsens, dass die im März 2011 abgeschalteten acht Kernkraftwerke nicht wieder ans Netz gehen und 2022 die letzten Kernkraftwerke in Deutschland stillgelegt werden. Ersetzt wird die installierte Leistung neben der Einsparung von Energie und der Effizienzsteigerung durch die erneuerbaren Energien. Einen großen Anteil daran wird die Windenergie haben und hier vor allem die Offshore-Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee. Für 2020 ist eine installierte Leistung von 10 GW geplant, und für 2030 sind 25 GW vorgesehen; dieses wird dann 15 % des deutschen Strombedarfs entsprechen.

Die Bundesrepublik Deutschland, das Land Niedersachsen, die Windenergiebranche und die Hafenstandorte investieren in den Ausbau der Infrastruktur, um Offshore-Windenergieanlagen zu bauen und errichten zu können. Auch für die Netzanbindung und den Ausbau der Stromtrassen zum Abtransport der erzeugten Energie zu den Verbrauchszentren werden erhebliche Investitionen erforderlich sein. Durch den Ausbau und den Betrieb der Offshore-Windenergieanlagen werden sich an den deutschen Küsten aber auch zahlreiche Unternehmen ansiedeln.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Mit welchen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt rechnet die Landesregierung durch den Ausbau der Offshore-Windenergie in Niedersachsen?
  2. Welche Einnahmen an Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und weiteren Abgaben sind durch den Ausbau und den Betrieb der Offshore-Windkraftanlagen zu erwarten?
  3. Wie werden diese Einnahmen aufgeteilt?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Die Landesregierung setzt sich nachhaltig dafür ein, dass das große Potenzial der Offshore-Windenergie vor der niedersächsischen Küste genutzt wird. Die Offshore-Windenergie spielt bei der Umsetzung der Energiewende eine zentrale Rolle. Von dieser Entwicklung werden das Land Niedersachsen und insbesondere die Kommunen in der Küstenregion ökonomisch und fiskalisch erheblich profitieren.

Nach einer Studie des Bundesumweltministeriums ist zur Umsetzung der angestrebten Klimaschutzziele die Errichtung von bis zu 4.500 Offshore-Windenergieanlagen in der Nordsee notwendig. Im Offshore-Bereich ist nach Schätzungen des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau bis 2030 mit Gesamtinvestitionen von mehr als 40 Milliarden Euro zu rechnen, die Bundesregierung geht sogar von bis zu 100 Milliarden Euro aus. Ein wesentlicher Anteil dieser Investitionen fließt nach Niedersachsen.

Allein für den Bau und den Erwerb von Produktionsstätten haben die Unternehmen der Offshore-Branche bereits deutlich über eine halbe Milliarde Euro in Niedersachsen investiert. Diese Entwicklung hat das Land Niedersachsen, das mittlerweile über 200 Millionen an Landes-, Bundes- und EU-Mitteln für die Entwicklung der Infrastrukturen speziell für die Offshore-Industrie eingesetzt hat, maßgeblich unterstützt.

Neben diesen einmaligen, kurzfristigen Effekten durch private und öffentliche Investitionen werden durch den Ausbau der Offshore-Windenergie auch dauerhafte und langfristige ökonomische Effekte ausgelöst:

Direkte ökonomische Effekte werden durch die Erhöhung der Beschäftigung an den niedersächsischen Offshore-Produktions-, Basis- und Servicehäfen erzielt.

Indirekte ergeben sich aus den Verflechtungen mit vor- und nachgelagerten Zulieferern und Dienstleistern in der Küstenregion.

Induzierte Effekte werden durch das Wiederverausgaben der Einkommen der Beschäftigten in der Offshore-Branche erzielt.

Hinzu kommen fiskalische Effekte, von denen das Land und die Kommunen profitieren:

  • Gewerbesteuer aus dem Betrieb von Offshore-Windparks sowie aus dem Betrieb von Produktionsstätten und Dienstleistungsunternehmen der Offshore-Branche.
  • Umsatzsteuer aus Stromlieferungen an Empfänger im Inland.
  • Weitere steuerliche Effekte, die sich aus dem Zuzug von Fachkräften in der Küstenregion ergeben: Nach einer Studie des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) vom 29.05.2009 (A. Skubowius: „Offshore-Entwicklungskonzept für den Standort Cuxhaven) bringt jeder weitere Beschäftigte einer Standortgemeinde durchschnittlich 650 Euro an Gewerbesteuer (netto je sozialversicherungspflichtig Beschäftigten) und einer Wohnstandortgemeinde durchschnittlich 800 Euro aus dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Bis heute ist die Zahl der direkt in der Offshore-Industrie Beschäftigten in Niedersachsen auf über 2.500 angestiegen. Auf der Grundlage der Ansiedlungs- und Investitionsvorhaben, die der Landesregierung bekannt sind, kann sich die Zahl der direkt Beschäftigten bis 2015 auf ca. 5.000 erhöhen. Langfristig rechnet die Landesregierung noch einmal mit einer Verdoppelung dieser Zahl auf 10.000 Beschäftigte.

Die vorliegenden Modellrechnungen aus Potenzialanalysen für Offshore-Hafenstandorte sind in der Methodik und im Ergebnis zu unterschiedlich, als dass belastbare Aussagen über zusätzliche indirekte und induzierte Beschäftigungseffekte getroffen werden können. Für Cuxhaven prognostiziert die o.a. Studie des NIW zusätzliche indirekte und induzierte Effekte in Höhe von 50 % bezogen auf die Zahl der direkt in der Offshore-Industrie tätigen Beschäftigten.

Zu 2.:
Gewerbesteuer:
Die Höhe der zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen hängt von den getätigten Investitionen ab. In der Anlaufphase entstehen aufgrund hoher Investitionskosten erfahrungsgemäß Anlaufverluste bzw. verhältnismäßig geringe Überschüsse.

Umsatzsteuer:
Nach Schätzungen kann ein Windpark in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Nordsee in den ersten acht Jahren mit jährlichen Einnahmen aus Stromverkäufen i. H. von 300 Mio. € rechnen. Diese Umsätze unterliegen jedoch nicht zwangsläufig der deutschen Umsatzsteuer. Bei der Lieferung von Strom an Wiederverkäufer von Elektrizität gilt vielmehr nach § 3g Abs. 1 UStG das sog. Empfängersitzprinzip. Danach steht das Besteuerungsrecht für die Stromumsätze jeweils dem Staat zu, in welchem der Empfänger der betreffenden Stromlieferungen seinen Sitz hat. Wird die Stromlieferung an eine Betriebsstätte des Empfängers ausgeführt, ist der Ort der Betriebsstätte maßgebend. Stromlieferungen der Windpark-Betreiber an Empfänger im Ausland sind somit in Deutschland nicht umsatzsteuerbar.
Für Stromlieferungen an inländische Empfänger fällt zwar deutsche Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz von 19 % an. Diese ist jedoch um die angefallenen Vorsteuern aus der Errichtung und dem Betrieb des Offshore-Windparks zu kürzen. Je nach Höhe der Vorsteuern kann sich eine Umsatzsteuerzahllast oder ein Vorsteuererstattungsanspruch für den Unternehmer ergeben.

Andere Abgaben:
Ob und inwieweit andere Abgaben unmittelbar erzielt werden können, ist derzeit nicht abschätzbar.

Zu 3.:
Gewerbesteuer:
Das Aufkommen der Gewerbesteuer steht grundsätzlich den Gemeinden zu (Art. 106 Abs. 6 S. 1 GG). Bund und Länder werden durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt. Die Gemeinden müssen einen Teil ihrer Gewerbesteuereinnahmen als Gewerbesteuerumlage (zurzeit rund 20%, davon 5 % Bund und 15 % Länder) abführen. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuerumlage gelten als Steuereinnahmen des Landes und fließen zu 100 v. H. in den Finanzausgleich unter den Ländern ein (§ 7 FAG). Die Gemeindefinanzkraft wird mit Grundbeträgen zu 64 % im Finanzausgleich unter den Ländern berücksichtigt (§ 8 FAG).
Die Frage nach der Ertragsberechtigung der Gewerbesteuer aus dem Betrieb von Offshore‑Windkraftanlagen befindet sich in der Abstimmung zwischen Bund und Ländern.

Umsatzsteuer:
Das Aufkommen der Umsatzsteuer steht Bund, Ländern und Gemeinden zu (Art. 106 Abs. 3 GG, Art. 107 Abs.1 GG, § 1 FAG). Die Einnahmen aus der Umsatzsteuer verbleiben somit nicht vollständig in Niedersachsen. Sie fließen zunächst in das bundesweite Umsatzsteuergesamtaufkommen. Hiervon erhält der Bund 9,5 v. H. für die Zuschüsse zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung, die Kommunen vom verbleibenden Betrag 2,2 v. H.. Der Restbetrag fließt zu jeweils etwa der Hälfte an Bund und Ländergesamtheit.
Die Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern erfolgt in der zweiten Stufe des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Sie erfolgt zu drei Vierteln nach Einwohneranteil. Aus dem verbleibenden einen Viertel erhalten die Länder, deren Steuereinnahmen unter dem Länderdurchschnitt liegen, erforderliche Ergänzungsanteile. Ein ggf. verbleibender Rest wird abschließend wiederum nach Einwohneranteil unter allen Ländern verteilt. Die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens erfolgt somit anders als bei den Ertragsteuerarten nicht nach dem Prinzip des örtlichen Aufkommens.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
23.03.2012

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