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Hirche: „Grünes Licht für das begleitete Fahren“

Bund verzögert weiter – Land startet Alleingang - Modellversuch über Ausnahmegenehmigungen


"Ab sofort wird in Niedersachsen der Modellversuch zum ‚begleiteten Fahren mit 17’ eingeführt", gab Verkehrsminister Walter Hirche am Montag bekannt. In einer ersten Phase können sich die Jugendlichen in 18 Kreisen und kreisfreien Städten zur Führerscheinausbildung anmelden, zum 01.11.2004 werden die anderen Regionen folgen. Die Regelung sieht vor, dass über einzelne Ausnahmegenehmigungen den Jugendlichen die Teilnahme an einem Modellversuch ermöglicht wird. "Die endlose Verzögerung durch den Bund zwingt uns zu diesem Vorstoß", so Hirche. In der ersten Phase werden über 50 Prozent der Gesamtbevölkerung erreicht. Die Jugendlichen können jetzt ihren Führerschein bereits mit 17 Jahren machen, dürfen bis zum 18. Lebensjahr aber nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten fahren. Der Modellversuch soll bei der Risikogruppe der Fahranfänger die enormen Unfallzahlen senken.

Vom renommierten Verkehrsgerichtstag über die Projektgruppe des Bundes, bis hin zu einer Entschließung des Bundesrates vom 28.11.2003, alle Experten fordern die Einführung eines Modellversuchs. Nachdem Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe im Januar seinen Widerstand aufgab und das Verfahren zum Erlass einer bundesweit geltenden Verordnung einleitete, kommt nun Sperrfeuer aus dem Bundesjustizministerium (BMJ). "Rechtspolitische Bedenken" habe man dort. "Absolut Unverständlich", so Hirche. Schließlich sei das BMJ mehrfach zur Mitarbeit von der Projektgruppe eingeladen gewesen, habe aber eine Teilnahme immer kurzfristig abgesagt. Die Juristen des Verkehrsgerichtstages, die Experten des Bundesratsausschusses für Inneres und die an dem Entwurf der Projektgruppe beteiligten Richter zweier Oberlandesgerichte sehen keine Bedenken und unterstützen die Einführung einer bundesweiten Regelung. Diese soll es den Ländern ermöglicht selber zu entscheiden ob sie an einem Modellversuch teilnehmen wollen.

Niedersachsen werde diese Verzögerung nicht weiter mitmachen. "Wir müssen die Sicherheit der Fahranfänger verbessern", so Hirche. Seit Jahren sei die Gruppe der Fahranfänger von 18 bis 25 Jahren die Risikogruppe Nummer eins. "Fast 22.000 Tote und Schwerverletzte sind bundesweit jedes Jahr zu beklagen, es muss endlich gehandelt werden", sagte Hirche. Nach jedem Etappensieg der Vernunft seien vom Bund neue Verzögerungen erfolgt. Dieses Verhalten sei nicht mehr verantwortbar. In vielen Bundesländern gebe es verbindliche Aussagen, sich an einem Modellversuch zu beteiligen. Niedersachsen werde deshalb einen angepassten Modellversuch über einzelne Ausnahmegenehmigungen einführen. "Dies ist zwar ein größerer bürokratischer Aufwand, den ich gern vermieden hätte, doch die Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer hat Vorrang", sagte Hirche. Der Modellversuch wird in zwei Phasen gestartet. Ab sofort sind in den Modellregionen Ausnahmegenehmigungen möglich. Am 01.11.2004 werden die restlichen Regionen folgen. Wenn das Bundesverkehrsministerium endlich eine Verordnung erlässt, werde Niedersachsen sofort auf diese Regelungen eingehen.

Zur Unterstützung des Gesamtkonzeptes werden die Führerschein AG´s an den Schulen ausgeweitet. Zu den bisher 10 Lehrern und ebenso vielen Fahrlehrern kommen ab dem neuen Schuljahr 25 neue Lehrkräfte und 40 Fahrlehrer hinzu. Während die Führerschein AG´s durch die Altersgrenze für den "normalen" Führerschein bisher auf Berufsschulen und Gymnasien beschränkt waren, können künftig Real- und in Einzelfällen auch Hauptschulen einbezogen werden.

  • Die Regionen der "ersten Phase": Stadt Braunschweig, Landkreis Cloppenburg, Stadt Delmenhorst, Landkreis Diepholz, Landkreis Emsland, Landkreis Gifhorn, Stadt und Landkreis Göttingen, Stadt und Region Hannover, Landkreis Harburg, Landkreis Lüneburg, Stadt und Landkreis Oldenburg, Landkreis Peine, Stadt Salzgitter, Landkreis Schaumburg, Landkreis Wolfenbüttel sowie die Stadt Wolfsburg. In diesen Modellregionen ist eine flächendeckende Schulung über die Fahrlehrer und die Landesverkehrswacht gewährleistet. Zum 01.11.2003 werden die anderen Regionen folgen.

  • Die Bedingungen: Im Gegensatz zur diskutierten Bundesregelung sind die Bedingungen für den Modellversuch in Niedersachsen etwas verändert. Für die Jugendlichen gilt: Mindestalter für die Teilnahme am Modellversuch ist 17 Jahre. Die praktische Prüfung kann frühestens einen Monat vor dem 17. Geburtstag erfolgen, die Teilnahme an einer 90-minütigen Schulung ist Pflicht. Die Erziehungsberechtigten müssen im Rahmen ihres "Erziehungsauftrages" einwilligen (Zustimmung zum Antrag) und sich verpflichten als Beifahrer zur Verfügung zu stehen. Begleitpersonen können nur die Erziehungsberechtigten sein. Für diese wird die Teilnahme an der 90-minütigen Schulung empfohlen, jedoch nicht verbindlich vorgeschrieben.

    • Mit der Prüfungsbescheinigung kann der Fahranfänger in Begleitung eines Erziehungsberechtigten in ganz Deutschland fahren, nicht jedoch im Ausland.

    • Wenn eine Bundesverordnung in Kraft tritt, wird Niedersachsen die dann geltenden Regeln übernehmen. Die nach dem niedersächsischen Modell erteilten Ausnahmegenehmigungen sind aber weiterhin gültig.

  • Sanktionen: Fährt der Jugendliche allein oder nicht mit seinen Erziehungsberechtigten, wird ein Bußgeld von 50 Euro und ein Punkt im Verkehrszentralregister fällig. Dies führt automatisch zu einem Widerruf der Ausnahmegenehmigung. Der Jugendliche muss dann bis zum 18. Lebensjahr warten, bis er seinen Führerschein bekommt. In besonders schweren Fällen wird überprüft, ob die Fahrerlaubnis entzogen werden muss. Dies könne zum Beispiel bei "Diskotouren" der Fall sein. Gibt sich ein Begleiter als Erziehungsberechtigter aus, werden für diesen ebenfalls 50 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg fällig.

  • Das Verfahren: Vor der Anmeldung bei der Fahrschule steht der Gang zur Zulassungsstelle. Hier beantragen die Jugendlichen eine "Ausnahmegenehmigung vom Mindestalter". Diese gibt es, wenn sie sich verpflichten, an dem Modellversuch zum begleiteten Fahren teilzunehmen, keine Eintragungen in Flensburg vorliegen und die Erziehungsberechtigten zustimmen. Die Antragsunterlagen stehen im Internet unter www.begleitetes-Fahren.de und auf den Internetseiten der teilnehmenden Führerscheinstellen zum Herunterladen bereit. Nach wenigen Tagen kommt die Ausnahmegenehmigung per Post. Jetzt kann die Anmeldung bei der Fahrschule erfolgen. Die Ausbildung läuft ganz normal mit der theoretischen und praktischen Prüfung ab. Rund einen Monat vor der praktischen Prüfung erfolgt die 90-minütige Schulung über die Ziele und Bedingungen des Modellversuchs bei den Fahrschulen oder der Landesverkehrswacht. Ab dem 17. Geburtstag wird nach der praktischen Prüfung die Prüfungsbescheinigung ausgehändigt. Diese gilt bis zum 18. Geburtstag als "Führerscheinersatz" und ist immer mitzuführen. Danach wird die Bescheinigung bei den Führerscheinstellen in den "echten" Kartenführerschein umgetauscht. Während dieser Zeit darf der Jugendliche nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten fahren.

  • Die Kosten: An zusätzlichen Kosten entstehen die Gebühr für die Ausnahmegenehmigung in Höhe von 20 Euro, die Gebühr für die Prüfungsbescheinigung in Höhe von 7,70 Euro und evt. die Kosten für die 90-minütige Schulung. Ob die Fahrschulen hierfür Gebühren verlangen bleibt ihnen freigestellt. Die Landesverkehrswacht wird diese Schulungen kostenlos durchführen. Weitere Kosten entstehen nicht.

Weiter Informationen und mehr Hintergrund unter: www.begleitetes-Fahren.de

Kontakt:
Andreas Krischat
(0511/120-5427)

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.04.2004
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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