Nacht- und Wochenendarbeit auf Baustellen an Bundesfernstraßen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.10.2008 - TOP 29
Antwort von Verkehrsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ernst-August Hoppenbrock (CDU)
Es gilt das gesprochene Wort!
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Beobachtungen der Baustellen auf den Autobahnen in Niedersachsen lassen den Schluss zu, dass Bauarbeiten nachts und an Wochenenden oft nicht fortgeführt werden und daher in diesen Zeiten kein Baufortschritt erfolgen kann. Eine möglichst schnelle Durchführung der Bauarbeiten wäre jedoch notwendig, um Behinderungen für den täglichen Verkehr möglichst gering zu halten.
Eine aktuelle Auskunft des Geschäftsbereichs Osnabrück der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) hat jedoch ergeben, dass diese für ihren Bereich Ausschreibungen jetzt so formuliert, dass vermehrt Nachtarbeit oder zumindest Zweischichtbetrieb gefordert wird. Hintergrund ist offenbar ein Umdenken im Bundesverkehrsministerium, zukünftig die Notwendigkeit von Nachtbaustellen bei Bauarbeiten an Bundesfernstraßen stärker zu betonen.
Nach aktuellen Recherchen plant das Bundesverkehrsministerium Pilotprojekte zur Bauzeitverkürzung, die im Rahmen funktionaler Ausschreibungen vergeben werden sollen. Neben den Kosten der Bauausführung sollen auch die Bauzeiten dem Ausschreibungswettbewerb unterworfen werden.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie war die Gesamtlänge der Baustellen auf niedersächsischen Autobahnen im Jahr 2007 und im ersten Halbjahr 2008?
- Welche Möglichkeiten bestehen bei Ausschreibungen der NLStBV, die Vergabe von Bauarbeiten verstärkt davon abhängig zu machen, dass die bauausführenden Firmen auch Nacht- und Wochenendarbeit leisten, und welche Geschäftsbereiche der NLStBV formulieren ihre Ausschreibungen dementsprechend?
- Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Praxis in anderen Bundesländern?
Verkehrsminister Walter Hirche beantwortete namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Insbesondere auf den hoch belasteten Autobahnen kommt es vielfach zu Verkehrsstörungen bzw. Staus mit den daraus resultierenden erheblichen volkswirtschaftlichen Verlusten durch Verkehrsunfälle, Kapazitätsengpässe und durch Arbeits- bzw. Baustellen.
Niedersachsen hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) ein Pilotprojekt im Zuge der A 261 mit funktionaler Leistungsbeschreibung bereits wirkungsvoll durchgeführt. Die Bauzeit konnte von ursprünglich ca. 14 Tage auf ca. 9 Tage reduziert werden. Der Erfolg führte dazu, dass der Bund dieses und andere Modelle zur Reduzierung der Bauzeit bundesweit durch zusätzliche Pilotprojekte tes-tet. In Niedersachsen werden zeitnah folgende weitere Projekte mit einer im Wettbewerb erzielten Reduzierung der Verkehrsbeschränkung zur Ausfüh-rung kommen
- die Fahrbahnerneuerung im Zuge der BAB A 31 zwischen AS Wee-ner und AS Papenburg, die Maßnahme wird ab Mitte 2009 durchge-führt
- der sechsstreifige Ausbau der BAB 1 von Osnabrück-Nord bis Bram-sche, für diese Maßnahme erfolgt der Baubeginn ab März 2009
Unabhängig davon werden von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) flankierende Maßnahmen zur Verbesse-rung des Verkehrsflusses und Verkürzung der Bauzeit getroffen.
- Die Planung der Baustellenverkehrsführung erfolgt in Abhängigkeit von der Verkehrsstärke. Bauarbeiten werden so disponiert, dass die Einengung des Verkehrsraumes auf einen möglichst kurzen Zeitraum beschränkt wird. Ausführungsfristen werden deshalb knapp bemes-sen. Bei einer Überschreitung der Bauzeit werden entsprechende Vertragsstrafen vorgesehen. So konnte z.B. die Grunderneuerung zwischen AD Horst und AS Fleestedt im Zuge der BAB A7 auf einer Baulänge von 5,8 km in einer Richtungsfahrbahn innerhalb von 3 Monaten durchgeführt werden.
- Auf hoch belasteten Autobahnen wird von der Möglichkeit, mehrere bzw. verlängerte Arbeitsschichten einzurichten, insbesondere in den Sommermonaten Gebrauch gemacht. Eine weitgehende Ausnutzung des Tageslichtes unter Einbeziehung des Samstages wird vorausge-setzt. So wurde z.B. die Bauzeit für die Grunderneuerung zwischen AD Horst und Landesgrenze Hamburg im Zuge der BAB A1, Rich-tungsfahrbahn Hamburg im Vergleich zur durchgeführten Grunder-neuerung der Richtungsfahrbahn Hannover im Jahr 2005 um mehre-re Monate verkürzt. Zusätzlich werden für Bautätigkeiten die zu be-sonderen Verkehrsstörungen führen, (z.B. Brückenabbrucharbeiten, Fräsabreiten oder Aufbau von Verkehrssicherungen) Nacht- bzw. Wochenendarbeit vertraglich vorgeschrieben. Im Zuge der BAB A2 werden Deckenerneuerungsmaßnahmen grundsätzlich im 24-Stundenbetrieb inkl. Wochenenden durchgeführt.
- Auf der Grundlage einer Leistungsbeschreibung mit Leistungspro-gramm (Funktionale Leistungsbeschreibung) werden die Baukosten und die Gesamtzeit für Verkehrsbeschränkungen während der Bau-ausführung dem Wettbewerb unterworfen. Die Bieter haben hierfür das Planungs- und Ausführungsrisiko zu übernehmen. Die Zu-schlagserteilung erfolgt auf das wirtschaftlichste Angebot über die Wertungskriterien "Preis" und "Gesamtzeit für Verkehrsbeschrän-kungen". Bei der Abrechnung der Baumaßnahme erhält der Auftrag-nehmer für jeden Tag einer Verkehrsbeschränkung über oder unter der angebotenen Gesamtzeit für Verkehrsbeschränkungen einen Malus bzw. Bonus in Höhe der festgelegten Nutzungsausfallkosten.
- • Beim 6-streifigen Ausbau werden sämtliche Fachlose zusammenge-fasst. Der Generalunterunternehmer bietet entsprechend seiner Leis-tungsfähigkeit durch Abgabe von Nebenangeboten eine Beschleuni-gung der Gesamtmaßnahme zur Angebotsabgabe an.
Die vorgenannten Ansätze zur Bauzeitverkürzung verteuern jedoch die Ge-samtbaumaßnahme und schränken zusätzlich den Bieterkreis ein. Dies führt dazu, dass bei gleichem Budget weniger direkte Bauleistungen erbracht werden können. Darüber hinaus wird ein Mehrschichtbetrieb sowie Sonn- und Feiertagsarbeit von der mittelständischen Bauwirtschaft kritisch bewertet und nur bei Alleinstellungsmerkmalen akzeptiert, da die Firmen nur noch begrenzt als Einzelunternehmen anbieten können. Unter Würdigung dieser Belange werden deshalb in Niedersachsen nur auf den Autobahnen A1, A2 und A7 im Hinblick auf die Minimierung der Bauzeit ausdrücklich auch Nacht- sowie Sonn- und Feiertagsarbeit für Leistungen die aus bautechno-logischer und bauablauftechnischer Sicht dazu geeignet sind, eingefordert.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregie-rung wie folgt:
Zu 1.:
Im Jahr 2007 betrug die Gesamtlänge der Baustellen der Ausbau- bzw. Er-haltungsmaßnahmen in Niedersachsen ca. 125 km und im ersten Halbjahr 2008 ca. 85 km.
Zu 2.:
Je nach Art der erforderlichen Baumaßnahme wählen alle Geschäftsberei-che der NLStBV, die Baumaßnahmen auf Bundesautobahnen ausführen, die aufgezählten Ausschreibungsvarianten und Kombinationen.
Zu 3.:
In allen Bundesländern wird ein Baustellenmanagement durchgeführt, je-doch mit unterschiedlichen Ansätzen, Verfahren und Schwerpunkten. Aus diesem Grund erarbeitet das BMVBS zurzeit einen bundeseinheitlichen "Leit-faden Baustellenmanagement" in Zusammenarbeit mit den Bundesländern.
Artikel-Informationen
erstellt am:
10.10.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010