Konjunkturprogramm des Bundes greift zu kurz - Weichen für Wachstum jetzt stellen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 12.11.2008 - TOP 1
Rede von Wirtschaftsminister Walter Hirche auf den Antrag der Fraktion der FDP
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
die Bundesregierung spricht vollmundig von einem "Schutzschirm für Arbeitsplätze" und hofft mit zusätzlichen 4 Mrd. Euro in diesem Jahr und 7 Mrd. Euro im nächsten Jahr Investitionen in Höhe von "50 Mrd. Euro anzustoßen". Das allein erscheint mir schon recht fragwürdig. Und: bei dem Sammelsurium von Punkten und Pünktchen ist der Misserfolg bereits vorprogrammiert. Hier fehlt die klare Linie!
Dieses Programm bietet für viele ein bisschen, aber für niemand etwas Richtiges. Dass wir uns nicht missverstehen: Jede Entlastung hat zwar etwas Gutes. Aber der Gedanke, dass auch nur ein einziger Bundesbürger ein neues, in Deutschland gebautes Auto kaufen wird, weil er ein oder zwei Jahre lang keine Kfz-Steuer zahlen muss und dadurch 100 oder 200 Euro im Jahr spart, grenzt schon an Realitätsverlust.
Was völlig fehlt ist nach wie vor ein klares Signal an die Unternehmen und die Konsumenten. Unsere Wirtschaft braucht das Vertrauen in die Zukunft. Nur wer positive Geschäftserwartungen hat, wird investieren. Das heißt wir müssen jetzt die Weichen für Wachstum stellen:
Die Bundesregierung hat es bisher sträflich versäumt, die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Steuerpolitik am Aufschwung der vergangenen Jahre teilhaben zu lassen. Kalte Progression und Mehrwertsteuererhöhung haben nicht zuletzt dazu geführt, dass vom privaten Konsum seit nunmehr sieben Jahre keine Wachstumsimpulse mehr ausgehen. Stattdessen ist das gesamte Steueraufkommen zwischen 2004 und 2007 von 440 auf 540 Milliarden Euro angewachsen. Fast 25 % in nur 3 Jahren mehr. Deshalb ist es endlich an der Zeit, die Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu entlasten.
Dazu kommt: Die Bundesregierung kann ihr Versprechen, die Lohnnebenkosten dauerhaft unter 40% zu begrenzen, nicht halten. Sie hatte drei Jahre Zeit, die gute wirtschaftliche Entwicklung seit 2005 zu nutzen, um mit weiteren Reformen der sozialen Sicherungssysteme die Lohnnebenkosten auf Dauer zu senken. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung tut sie das Gegenteil: Der Gesundheitsfonds führt zum größten Beitragssprung in der Geschichte der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Senkung der Arbeitslosenversicherung zur Kompensation der steigenden Krankenkassenbeiträge ist in diesem Zusammenhang nur Makulatur.
Was wir jetzt brauchen ist ein starker Impuls bei den Investitionen:
Deutschland steckt bereits seit langem in einer Infrastrukturkrise. Der notwendige Ausbau des Autobahnnetzes in Niedersachsen wird immer wieder gestreckt. Für den notwendigen Ausbau der Seehafenhinterlandverbindungen in Niedersachsen und nicht Süddeutschland, die rechtzeitig bis 2011 fertig gestellt sein müssen, gibt es noch immer keine verlässlichen Zusagen. Hier könnte der Bund buchstäblich die Weichen auf Wachstum stellen.
Meine Damen und Herren,
in der Summe kann man nur feststellen, dass das Konjunkturprogramm der Bundesregierung vor allem zu Mitnahmeeffekten und Trittbrettfahrerei führen wird. Dazu kommt noch Statistik-Trickserei beim Kurzarbeitergeld, denn Kurzarbeit wird ja gesondert erfasst und wird die Zahl der registrierten Arbeitslosen nicht erhöhen.
Das Kurzarbeitergeld wird derzeit noch bis zu 12 Monate gezahlt, künftig sollen es sogar 18 Monate sein. So werden Arbeitnehmer fürs Nichtstun bezahlt. Viel besser wäre es, diese Unterstützung für die Unternehmen verbindlich mit dem Thema Weiterbildung zu verknüpfen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Qualifikation der Beschäftigten langfristig zu stärken. Diese Chance darf jetzt, wo vielerorts die Produktion heruntergefahren wird, nicht vertan werden.
Anrede,
Nur eine langfristig angelegte Wachstumspolitik, die konjunkturgerechte Stabilisierung mit ordnungspolitischer Weitsicht verbindet, wird das Vertrauen von Unternehmern und Konsumenten auch in schwierigen Zeiten erhalten.
Dazu gehören eine gerechte Steuerpolitik und tragfähige soziale Sicherungssysteme, dazu gehört eine schlanke und flexible Verwaltung, dazu gehören verlässliche Investitionsbedingungen und die aktive Förderung von Innovationen und qualifizierter Beschäftigung.
Anrede,
die Bundesregierung muss in der aktuellen Situation prüfen, wie sie die Bürgerinnen und Bürger dauerhaft steuerlich entlasten kann. Ich rede jetzt nicht von der großen Steuerreform, die überfällig ist, sondern ich rede vom notwendigen Ausgleich der "kalten Progression".
Dies ist der Staat allein schon aus Respekt dem Steuerzahler schuldig.
Ich empfehle der Bundesregierung, diesbezüglich einen Blick in das Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute zu werfen. Ich zitiere: "So bietet sich eine Reduktion der Einkommensteuerbelastung an, auch eine Senkung der Sozialabgaben ist rasch umsetzbar und beschäftigungspolitisch sinnvoll."
Anrede,
hier müssen die Schwerpunkte gesetzt werden! Das ist besser als sich zu verkleckern!
Artikel-Informationen
erstellt am:
12.11.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010