Ein-Euro-Jobs
Die Abgeordnete Kreszentia Flauger (LINKE) hatte gefragt:
Im Hinblick auf die Ein-Euro-Jobs gehen die Meinungen so weit auseinander, dass seit der Einführung dieser strittigen Maßnahme ein umfassender öffentlicher und politischer Diskussionsprozess im Gang ist, der nach wie vor kein Ende findet.
Die DEKRA-Akademie, ein seit 1976 eigenständiger Geschäftsbereich des heutigen DEKRA-Konzerns, hat im Herbst 2008 ein Unterprojekt mit dem Namen Toys Company ins Leben gerufen. Seitdem wird dort ein gemeinnütziges Unternehmen betrieben, das sich laut Werbeflyer mit einem Tätigkeitsangebot an "engagierte, motivierte und interessierte Kunden der ARGE Delmenhorst" richtet. In der Toys Company werden Kinderspielzeuge beschafft, aufbereitet und verteilt.
Laut Flyer sichert die Toys Company den dort Beschäftigten die Möglichkeit zu, "selbstständig bzw. gemeinschaftlich" Tätigkeiten zu planen und auszuführen sowie Verantwortlichkeiten im Betrieb zu übernehmen. Weiterhin wird im Flyer eine Möglichkeit angeboten, sich in Absprache mit der ARGE "weiterzuqualifizieren", um die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Eine "Beratung für professionelle Bewerbungsstrategien und für die Suche nach beruflichen Alternativen" wird zugesagt.
Es besteht nach Aussage der Mitarbeiter eine Diskrepanz zwischen den Angaben im Flyer und den Erfahrungen in der Praxis.
Die Ein-Euro-Jobber erklärten, sie erhielten in der Toys Company weder die Möglichkeit, sich weiterzubilden, noch würden Bewerbungsberatungen durchgeführt. Vielfach stehe anstelle des eigenverantwortlichen Handelns eine weit weniger selbstständige Tätigkeit. Für ihre berufliche Weiterentwicklung und die potenzielle Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt, so behaupten es die Beschäftigten, können sie entgegen der Angaben im Flyer nichts mitnehmen. Die Mitarbeiter sind der Meinung, dass die DEKRA-Akademie den Anspruch, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine "praxisbezogene Qualifizierung mit hoher Qualität" zu bieten, nicht erfülle, obgleich damit ausführlich geworben wird.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie steht die Landesregierung zu diesem Problem? Ist es akzeptabel, dass Menschen Weiterbildungsoptionen, Bewerbungstrainings und selbstständige Tätigkeiten offeriert, in der Praxis aber nicht ermöglicht werden?
- Welche weiteren Betriebe sind der Landesregierung bekannt, die nach Art der Toys Company mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verfahren?
- Was gedenkt die Landesregierung gegen diese Art inhaltloser Zusagen, wie sie bei der
DEKRA und deren Unterprojekten getroffen werden, zu unternehmen? - Inwieweit bezieht sich der Anspruch der Ein-Euro-Jobs, gemeinnützig und sinnvoll wirken zu wollen, auf die Leistungsempfänger, die oft mit solchen Tätigkeiten die Hoffnung verknüpfen, wieder eine bezahlte Stelle zu finden, wenn ihnen Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen verwehrt werden?
- Durch welche Argumente ist nach Sicht der Landesregierung in diesem Zusammenhang der Vorwurf, Ein-Euro-Jobber seien nichts weiter als billige Arbeitskräfte, zu entkräften?
Arbeitsminister Dr.Philipp Rösler beantwortete am 09.07.2009 die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Die Toys Company ist ein gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt für ALG II-Empfänger der DEKRA Akademie GmbH, das gemeinsam mit den Grundsicherungsträgern umgesetzt wird. Es wird an rund 40 Standorten in Deutschland angeboten.
Die Toys Company Delmenhorst wurde im September 2008 in Kooperation mit der DEKRA Akademie GmbH und der ARGE Delmenhorst gegründet. Die Toys Company Delmenhorst sammelt und arbeitet gebrauchtes Spielzeug auf und gibt es unentgeltlich an öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten, Frauenhäuser und an finanzschwache Familien mit Kindern weiter.
Die Maßnahmeteilnehmer werden in der Toys Company in Form von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 d Satz 2 SGB II (umgangssprachlich auch als 1 Euro-Job bezeichnet) beschäftigt. Die Teilnehmer erhalten zusätzlich zum Arbeitslosengeld II eine Mehraufwandsentschädigung. Zusätzlich können die Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen nach § 77 SGB III teilnehmen, wenn eine solche Maßnahme sinnvoll erscheint.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Arbeitsgelegenheiten können mit Qualifizierungselementen verknüpft oder um diese ergänzt werden, wenn dies sinnvoll erscheint.
Laut Aussage der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit sind von den Teilnehmern in Absprache mit den zuständigen Vermittlern durch die DEKRA bereits 35 modulare Weiterbildungen gemäß § 77 SGB III abgeschlossen oder begonnen worden. Der projekteigene Jobscout habe die 70 Projektteilnehmer in mehr als 300 Gesprächen beraten und mit ihnen an ihren Bewerbungsunterlagen gearbeitet.
Damit haben eine Vielzahl der Maßnahmeteilnehmer eine Qualifizierung erhalten.
Zu 2.:
Der Landesregierung sind keine Maßnahmen bekannt, bei denen die geschilderte Problemlage aufgetreten wären. Eingaben oder Beschwerden liegen derzeit nicht vor.
Zu 3.:
Die Fachaufsicht über die ARGEn in Niedersachsen obliegt der Bundesagentur für Arbeit. Die Landesregierung hat keinen Einfluss auf die Entscheidung der ARGEn.
Laut Aussage der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen hielten die Maßnahmebetreuer der ARGE engen, auch unangemeldeten, Kontakt zum Maßnahmeträger, zum Projekt und den Maßnahmeteilnehmern. Im Rahmen dieser Kontakte würden das Projekt, die Betreuung vor Ort und die Qualifikationsmöglichkeiten von den Maßnahmeteilnehmern während und nach der Maßnahme als sehr positiv beurteilt. Es gäbe bislang keine Auffälligkeiten, die Beanstandungen gerechtfertigt hätten. Der Praxisanteil der Maßnahme sei sehr hoch. Es werde zudem nicht an Simulationen, sondern im Echtbetrieb gearbeitet. Darüber hinaus seien die modularen Weiterbildungen zertifiziert. Die Qualität sei also bereits durch die Zertifizierungsstelle geprüft und bestätigt worden.
Zu 4. u. 5.:
Die vorrangige Zielsetzung von Arbeitsgelegenheiten ist die Heranführung von Langzeitarbeitslosen an den ersten Arbeitsmarkt. Sie dienen insbesondere dazu, einerseits die soziale Integration zu fördern als auch die Beschäftigungsfähigkeit aufrecht zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Darüber hinaus vermitteln Arbeitsgelegenheiten Erkenntnisse über Eignungs- und Interessenschwerpunkte sowie Qualifikationen und liefern somit wichtige Hinweise für Förderung und Strategien zur Arbeitsaufnahme.
Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung sind bei einem ordnungsgemäßen Einsatz ein geeignetes Mittel und ein Baustein zur langfristigen Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt.
Zur Unterstützung der Träger der Grundsicherung hat das Land gemeinsam mit der Regionaldirektion, der Wirtschaft, den Gewerkschaften und dem Sozialbereich einen Leitfaden zur Umsetzung und Ausgestaltung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung in Niedersachsen erarbeitet. Anliegen des Landes ist es dabei, insbesondere Wettbewerbsverzerrungen und die Gefährdung regulärer Arbeitsplätze auszuschließen.
Die Umsetzung der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung in Niedersachsen läuft bisher problemlos. Beschwerden sind nur sehr vereinzelt aufgetreten, die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsverbänden und dem Handwerk bei diesem Thema läuft gut.
Artikel-Informationen
erstellt am:
28.08.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010