Vergabepraxis bei Linienkonzessionen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 30.10.2009 - TOP 29
Der Abgeordnete Detlef Tanke (SPD) hatte gefragt:
Die niedersächsische Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) führt seit dem 1. Februar 2008 auf Basis einer neuen Verfahrensstruktur Genehmigungswettbewerbe nach § 13 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) durch.
Nach dieser neuen Verfahrensstruktur informiert die LNVG bei Eingang eines Antrages auf Liniengenehmigung die im betroffenen Gebiet bereits tätigen Verkehrsunternehmer, ohne bereits das Anhörverfahren einzuleiten. Weiterhin informiert die LNVG die Verkehrsunternehmer darüber, dass etwaige Konkurrenzanträge nur berücksichtigt werden, wenn sie bis zu einem von der LNVG gesetzten Stichtag bei ihr eingehen. Konkurrenzanträge, die später eingehen, werden nicht mehr berücksichtigt. Die eingehenden Konkurrenzanträge werden allen Konkurrenzunternehmen zur Kenntnis gebracht. Anschließend leitet die LNVG das Anhörverfahren gemäß § 14 PBefG ein. Zugleich setzt die LNVG einen Bewertungsstichtag fest, bis zu dem die Bewerber ihre ursprünglich eingereichten Anträge in Kenntnis der Konkurrenzanträge modifizieren können. Hierfür setzt die LNVG eine Frist von zwei Wochen. Die Frist wird mit dem Anhörungsschreiben bekannt gegeben. Die modifizierten Angebote werden den Mitbewerbern erst nach der Auswahlentscheidung übersandt. Hierdurch soll ein Versteigerungseffekt vermieden werden. Modifizierte Anträge, welche erst nach dem Bewertungsstichtag eingehen, werden von der LNVG bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt. Die modifizierten Angebote werden nach dem Bewertungsstichtag erneut dem kommunalen Aufgabenträger zugeleitet. Dieser erhält Gelegenheit zur Stellungnahme. Erst danach trifft die LNVG die Auswahlentscheidung.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Kommunen in Niedersachsen haben eigene Verkehrsgesellschaften bzw. Verkehrsgesellschaften, bei denen sie über die Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung verfügen?
- Wie viele Linienkonzessionen gibt es in den niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten, und wie viele Genehmigungswettbewerbe mit wie vielen Linienkonzessionen sind in den niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten in den Jahren 2008 und 2009 bisher durchgeführt worden?
- Ist es nach der Erteilung von Linienkonzessionen an einen Bewerber zu einer nachträglichen Beantragung - also nach dem Bewertungsstichtag - von einem Mitbewerber durch Zusammenlegung von mehreren Linien gekommen, weil dieser Mitbewerber sich dadurch einen Vorteil erhofft hat, und hat die LNVG ihre eigene Auswahlentscheidung damit nachträglich verändert, indem sie dem ursprüngliche Konzessionsinhaber die ihm bereits erteilten Linienkonzessionen durch den nachträglichen Antrag des Mitbewerbers entzogen hat? Wenn ja: Steht ein solches Verfahren im Einklang mit der neuen Verfahrensrichtlinie der LNVG, und führt dies nicht zu einer Verkomplizierung des Verfahrens und zu zusätzlichen rechtlichen Streitigkeiten, und ist beabsichtigt, diese Vorgehensweise künftig auszuschließen?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Die Landesnahverkehrsgesellschaft ist für die Erteilung von Liniengenehmigungen nach dem Personenbeförderungsgesetz des Bundes Genehmigungsbehörde. Sie schreibt keine Buslinien aus, sondern kann erst tätig werden, wenn ein Unternehmen beantragt, bestimmte Linien fahren zu wollen.
Das Bundesgesetz enthält keine Regelungen, wie zu verfahren ist, wenn sich mehrere Unternehmen um denselben Linienverkehr bemühen und es zu konkurrierenden Genehmigungsanträgen (landläufig aber auch missverständlich als Genehmigungswettbewerb bezeichnet) kommt.
Bei der Festlegung des Verfahrensablauf ist zu berücksichtigen, dass jeder Unternehmer einen grundrechtlich verbürgten Anspruch auf Zugang zum Verkehrsmarkt hat, sobald er die gewerberechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Eine gleichzeitige Verwirklichung dieses Anspruchs ist aber ausgeschlossen. Hier wandelt sich der grundrechtliche Anspruch auf Zugang in einen Anspruch auf eine transparente Auswahlentscheidung um, die die Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung erfüllen muss.
Unter Beachtung der genannten Grundsätze ist in einem einfachen und zweckmäßigen Verfahren materiell das bessere Verkehrsangebot für die Erteilung der Genehmigung ausschlaggebend.
Die Landesnahverkehrsgesellschaft hat auf Grund der dreijährigen Erfahrungen und unter Mitwirkung der Unternehmen sowie Aufgabenträger 2008 den Verfahrensablauf geändert. Vom ersten Informationsschreiben bis zum Antragsstichtag ist ein Monat vorgesehen, für die Anhörungsphase zwischen Antrags- und Bewertungsstichtag zwei Monate. Die Entscheidung soll ca. sechs Wochen nach dem Bewertungsstichtag fallen.
Durch das Setzen zweier Stichtage bestehen nunmehr zeitlich feste Vorgaben und für alle gleichermaßen geltende Regeln. Der Ausschluss weiterer Nachbesserungsangebote begrenzt zum einen die zeitliche Dauer des Genehmigungsverfahrens und verhindert einen ruinösen Wettbewerb, indem ein gegenseitiges Überbieten mit immer unrealistischeren Kalkulationen unterbunden wird.
Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
zu 1.:
In Niedersachsen sind ca. 170 Verkehrsunternehmen im Linienverkehr tätig. An 52 von diesen Verkehrsunternehmen sind Landkreise und/oder Kommunen direkt oder indirekt als Eigentümer beteiligt. Nähere Angaben zu den Beteiligungsverhältnissen liegen nicht vor.
zu 2.:
Ca. 2200 Linienverkehrsgenehmigungen bestehen in Niedersachsen. In den Jahren 2008 und 2009 ist es bislang in acht Verfahren zu konkurrenzierenden Anträgen gekommen. Hiervon waren 42 Linien betroffen.
zu 3.:
Ein Vorgang, wie er in der Frage beschrieben wird, hat bislang nicht stattgefunden. Dies widerspräche der derzeitigen Genehmigungspraxis, wie sie eingangs beschrieben wurde.
Die Frage könnte auf den Gegenstand eines laufenden Verwaltungsstreitverfahrens abzielen. Im Widerspruchsverfahren hatte die LNVG ihre ursprüngliche Entscheidung aufgrund von Erwägungen der Recht- und Zweckmäßigkeit abgeändert. Entscheidungsgrundlage war ausschließlich der ursprüngliche Sachverhalt, also die Genehmigungsanträge in der Form des Bewertungsstichtages. Die gleichzeitige Änderung des Antrags noch im Genehmigungsverfahren durch einen Verfahrensbeteiligten blieb bei der Entscheidung außer Betracht. Dies ist in der Widerspruchsentscheidung ausdrücklich erwähnt worden. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Entscheidung der LNVG bestätigt. In der gerichtlichen Entscheidung wurde auch ausgeführt, dass die LNVG das Auswahlverfahren rechtlich einwandfrei durchgeführt habe. Ein Verstoß gegen das Fairnessgebot und das Gebot der Chancengleichheit wurde verneint.
Artikel-Informationen
erstellt am:
30.10.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010