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Ausschreibungspflicht von Kommunen bei Immobiliengeschäften

Der Abgeordnete André Wiese (CDU) hatte gefragt:

Mit der Entscheidung vom 25. März 2010 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechtsgültigkeit der deutschen Regelung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (GWB) bestätigt. Denn auch der EuGH stellt in seinem Urteil darauf ab, dass eine europaweite Ausschreibung zwar nicht nur in einer gegenständlichen oder körperlichen Beschaffung begründet sein könne. Erforderlich sei jedoch, dass die Bauleistung dem Auftraggeber „unmittelbar wirtschaftlich zugute kommt“.

Der EuGH führt in seinem Urteil weiter aus: „Die Ausübung von städtebauliche Regelungszuständigkeiten durch den öffentlichen Auftraggeber genügt nicht, um diese letztgenannte Voraussetzung zu erfüllen.“

Darüber hinaus lehnt der EuGH die vom Oberlandesgericht Düsseldorf und auch anderen deutschen Vergabesenaten vorgenommene Anwendung einer - vergaberechtspflichtigen - Baukonzession auf die vorgenannten kommunalen Immobiliengeschäfte ab. Der EuGH stellt vielmehr fest, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens das europäische Vergaberecht „keine Anwendung auf eine Situation findet, in denen eine öffentliche Stelle ein Grundstück an ein Unternehmen veräußert, während eine andere öffentliche Stelle beabsichtigt, einen öffentlichen Bauauftrag in Bezug auf dieses Grundstück zu vergeben, auch wenn sie noch nicht formell beschlossen hat, den entsprechenden Auftrag zu erteilen“.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung das Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes vom 25. März 2010 zur Ausschreibung kommunaler Immobiliengeschäfte?
  2. Welche Auswirkung hat dieses Urteil für die niedersächsischen Kommunen?
  3. Wie wirkt sich dieses Urteil auf die laufenden Ausschreibungen und auf andere Bereiche der Gemeindewirtschaft aus?

Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hatte im Jahre 2007 entschieden, dass Grundstücksveräußerungen nach den Regeln des Vergaberechts auszuschreiben sind, wenn sie mit Bauverpflichtungen des Erwerbers verbunden sind. Dies gelte auch für Verpflichtungen aus städtebaulichen Planungen. Insoweit reiche für die Annahme eines nach Vergaberecht zu beurteilenden Bauauftrages (in der Gestalt einer Baukonzession) die Einflussnahme des Grundstücksveräußerers auf das gestalterische Baukonzept des Erwerbers im Sinne von Vorgaben aus. Das Gericht ging damit von einem Beschaffungsvorgang im Sinne des Vergaberechts aus. Diese Rechtsprechung hatte das OLG in weiteren Entscheidungen bekräftigt.

Der Bundesgesetzgeber trat dieser in der Vergabepraxis heftig kritisierten Rechtsprechung des OLG im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts, in Kraft getreten im April 2009, entgegen. Nach dem neugefassten § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wurde der für öffentliche Aufträge notwendige Beschaffungscharakter präzisiert. Danach setzt ein öffentlicher Bauauftrag voraus, dass die Bauleistung durch einen Dritten (= Erwerber des Grundstücks) gemäß den Erfordernissen des Veräußerers des Grundstücks für diesen erfolgt und diesem unmittelbar wirtschaftlich zugute kommt.

Zuvor hatte das OLG im Oktober 2008 wegen der Kritik an seiner Rechtsprechung und der beabsichtigten Gesetzesänderung im GWB dem EuGH eine Vorlage zur Vorabentscheidung über den Bauauftragsbegriff zugeleitet.

In seinem Urteil vom 25. März 2010 hat der EuGH entschieden, dass bloße „städtebauliche Regelungszuständigkeiten“ des
Veräußerers des Grundstücks „weder auf den Erhalt einer vertraglichen Leistung noch auf die Befriedigung des unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses des öffentlichen Auftraggebers gerichtet“ sind. Dieses wirtschaftliche Interesse ergibt sich danach „eindeutig“, wenn der Veräußerer Eigentümer der Bauleistung oder des Bauwerks wird. Gleiches gilt, wenn dem Veräußerer des Grundstücks die Verfügungsbefugnis über das zu errichtende Bauwerk im Hinblick auf seine öffentliche Zweckbestimmung eingeräumt wird oder der Veräußerer wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen kann, sich finanziell an der Erstellung des Bauwerks beteiligt oder Risiken im Falle eines wirtschaftlichen Fehlschlags des Bauwerks übernimmt. Der EuGH betont, dass es für die Annahme eines Bauauftrages nicht erforderlich sei, dass die Leistung die Form eines gegenständlichen oder körperlichen Objektes habe. Für die Annahme eines Bauauftrags sei eine einklagbare Bauverpflichtung erforderlich.

Außerdem führt der EuGH aus, dass eine Baukonzession voraussetze, dass der öffentliche Auftraggeber die Verfügungsbefugnis über das Grundstück besitzt. Anderenfalls könne eine Baukonzession nicht erteilt werden.

Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1.:
Die Entscheidung des EuGH ist zu begrüßen, da sie für Rechtsklarheit sorgt und die Diskussion um die Vergabepflichtigkeit von Grundstücksverkäufen mit damit in Zusammenhang stehenden Bauleistungen endgültig beendet hat. In diesem Zusammenhang ist es positiv zu bewerten, dass damit auch die Präzisierung des öffentlichen Auftragbegriffs im GWB durch den Bundesgesetzgeber vom EuGH inhaltlich als richtlinienkonform bestätigt worden ist.

Zu 2.:
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sichert kommunale Handlungsspielräume bei der Stadtentwicklung. Unsicherheiten bei der Nutzung des Instruments der städtebaulichen Verträge sind damit beseitigt worden. Diese Verträge dienen dazu, zügig Baurecht für wichtige Investitionen in den Städten und Gemeinden Niedersachsens zu schaffen und zeitnah umzusetzen. Diese Rechtsentwicklung stellt bestimmte Arten städtebaulicher Planungsweisen somit wieder auf eine gesicherte Basis und bewirkt beispielsweise Verfahrensbeschleunigungen und eine höhere Flexibilität bei der Durchführung von Investorenwettbewerben bei städtebaulichen Entwicklungsprojekten.

Zu 3.:
Öffentliche Ausschreibungen, die im Hinblick auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in die Wege geleitet worden sind, müssen im Hinblick auf die Selbstbindung der Verwaltung nach den in der Ausschreibung festgelegten Bedingungen für den Zuschlag zu Ende geführt werden.

Auswirkungen auf andere Bereiche der Gemeindewirtschaft ergeben sich nicht unmittelbar. Allerdings hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Anwendungssicherheit geschaffen, die sich positiv auf die zukünftigen Investitions- und Planungstätigkeiten der Kommunen auswirken wird. In Erwartung der Entscheidungsverkündung zunächst noch verschobene Maßnahmen können nun beschleunigt durchgeführt werden.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
30.04.2010

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