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Gaststättenrecht

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19.08.2010 - TOP 27. Antwort von Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE)


Der Abgeordnete Ralf Briese (GRÜNE) hatte gefragt:

Die Landesregierung plant derzeit ein neues Gaststättenrecht. Auf eine Erlaubnis zum Betreiben einer Gaststätte soll danach zukünftig verpflichtet werden, nur noch in der Gewerbeordnung soll das Betreiben einer Gaststätte anzeigepflichtig sein. Die kommunalen Ordnungs- und Kontrollbehörden sollen zukünftig bei allgemeinen Pflichtverstößen der Betreiber gegen geltende Gesetze einschreiten können. Die Kommunen können nach dem geplanten Gesetz zukünftig also nicht mehr präventiv auf einzuhaltende Normen und bestehende Gesetzeslagen hinweisen und den Betreiber darauf aufmerksam machen, sondern sollen im laufenden Betrieb den Betreiber kontrollieren.

Die Kommunen halten die geplante Regelung für vollkommen verfehlt und warnen vor einem erheblichen Zuwachs an Bürokratie und Kontrollaufwand. Der niedersächsische Städtetag schreibt dazu aktuell in seinen Nachrichten: „Im Ergebnis führte also die Gesetzesänderung zu einer erhöhten Ermittlungstätigkeit der Behörden, zu aufwändigeren Ordnungsverfügungen und damit auch zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand. Dies kann nicht Sinn und Zweck von Bürokratieabbau und Deregulierung sein!“

Neben einem deutlichen Anwachsen kommunaler Kontrolltätigkeit werden auch ein Abbau von Verbraucherschutzrechten und mehr Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz befürchtet, da die zukünftigen potentiellen Gaststättenbetreiber die einschlägigen Normen unter Umständen gar nicht kennen und erst durch laufende Kontrollen darauf hingewiesen werden müssen. Die vermeintliche Deregulierung könnte sich daher als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für kommunale Behörden gekoppelt mit einem Abbau von Verbraucherschutzrechten und einem allgemeinen Anstieg von Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten erweisen.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Gibt es derzeit einen Mangel an Gaststätten in Niedersachsen, und wird das derzeit noch geltende Bundesgaststättenrecht als unzumutbares Marktzutrittshemmnis bewertet?
  2. Wie bewertet die Landesregierung die Kritik der kommunalen Spitzenverbände an dem Gesetzesvorhaben, und wie entkräftet sie vor allen Dingen deren Befürchtungen, dass es zu deutlich mehr kommunalen Kontroll- und Aufsichtspflichten komme?
  3. Soll im Zuge der Gaststättenneuordnungen ein Nichtraucherschutz nach bayerischem Vorbild eingeführt werden?

Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Am 15.07.2010 hat Herr Ministerpräsident David McAllister den von der Landesregierung beschlossenen Entwurf eines Niedersächsischen Gaststättengesetzes (NGastG) an den Präsidenten des Niedersächsischen Landtages übersandt und gebeten, die Beschlussfassung des Landtages herbeizuführen.

Das geltende Gaststättenrecht enthält für weite Teile des Gaststättengewerbes ein Ausübungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Erlaubnis kann nur erteilt werden, wenn zahlreiche persönliche Voraussetzungen und zur Lage und Gestaltung der für die zur Betriebsausübung vorgesehenen Räumlichkeiten erfüllt werden.

Neben den Vorschriften des Gaststättengesetzes haben die Gastronomen Verpflichtungen nach anderen Vorschriften zu genügen. Hierzu zählen z.B. die Pflicht zur Gewerbeanzeige nach der Gewerbeordnung, Pflichten nach dem Lebensmittelrecht, dem Baurecht, dem Immissionsschutzrecht, dem Jugendschutz. Die Konzeption des Gaststättengesetzes, Erlaubnispflicht mit Raum- und Personalanforderungen, gilt wie vorliegend oder ähnlich seit mindestens 1930. Das Hinzutreten von Spezialgesetzen mit Anforderungen auch an die Gastronomie wurde nicht zum Anlass genommen, hierauf bezogene Vorschriften des Gaststättenrechts zur Aufhebung von Doppelregelungen zu streichen. Dies gilt z.B. für die Raumanforderungen, die zum Einen aus dem Gaststättenrecht abgeleitet werden, zu denen gleichzeitig aber auch Regelungen in der Nds. Bauordnung vorliegen. Dieser Umstand führt zu Doppelprüfungen, mindestens aber zu unverhältnismäßigem Abstimmungsaufwand. Es ist unverzichtbar, dass ein Gastronom z.B. wegen der Gaststättenerlaubnis und den Raumvoraussetzungen bei der Gaststättenbehörde vorstellig wird und in einem zweiten, davon losgelösten Verfahren, wegen einer Baugenehmigung oder Nutzungsänderung bei der Baubehörde antragspflichtig ist. Dies führt zu zeitaufwändigen Verfahren mit nicht unerheblichem Kostenaufwand für die Gewerbetreibenden und ist immer wieder Anlass für Beschwerden aus der betroffenen Branche. Eine solche Regelungslage ist nicht zeitgemäß und nicht mehr zu rechtfertigen.

Da seit dem 1.7.2005 die Erlaubnispflicht nach dem Gaststättengesetz für die Betriebe entfallen ist, die auf den Ausschank alkoholischer Getränke verzichten und über einen Zeitraum von jetzt mehr als 5 Jahren aus dem Umstand, dass solche Betriebe gewerberechtlich nur noch anzeigepflichtig sind, keine Missstände resultierten, ist jetzt vorgesehen, auf die Erlaubnispflicht im Gaststättenrecht grundsätzlich zu verzichten und lediglich die Gewerbetreibenden, die im Rahmen ihrer Tätigkeit alkoholische Getränke ausschenken, grundsätzlich auf ihre persönliche Zuverlässigkeit hin zu überprüfen.

Durch das NGastG soll der Zeitpunkt für die Gewerbeanzeige mit zeitlich so großem Abstand vor der Aufnahme der Tätigkeit liegen, dass dadurch die im Gaststättengesetz vorgeschriebene Benachrichtigung der betroffenen Fachverwaltungen regelmäßig gewährleistet ist.

Mehraufwand entsteht durch die Neukonzeption des Gaststättenrechts und die Entkopplung der Rechtsmaterien nicht. Nach geltendem Recht laufen Baugenehmigungsverfahren und Gaststättenerlaubnisverfahren parallel. Zusätzlich werden aufwändige Abstimmungen zwischen den Verwaltungszweigen zwingend erforderlich. Da in der Gaststättenverwaltung zumeist auch Personal des allgemeinen Verwaltungsdienstes beschäftigt ist, müssen erforderliche Fachbeurteilungen z.B. zu Fragen des Lebensmittelrechts oder in bautechnischer oder immissionsschutzrechtlicher Sicht im Beteiligungswege eingeholt werden. Dabei kann es eintreten, dass zu den jeweiligen Fachmaterien nicht einmal Behördenidentität besteht.

Verbraucherschutz und Jugendschutz werden auch nicht ansatzweise angerührt.

Die Konzeption des Gaststättenrechts setzt die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt um. Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, dazu rechnet auch eine Erlaubnispflicht im Gewerberecht, sind danach nur zulässig, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Schutzes der Umwelt gerechtfertigt ist. Können diese Schutzinteressen mit geringeren Einschränkungen gewährleistet werden, ist eine Erlaubnispflicht unzulässig. Davon geht die Landesregierung im vorliegenden Fall aus.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Das Gaststättenrecht ist entsprechend dem Grundsatz der Gewerbefreiheit wettbewerbsorientiert gestaltet. Es dient nicht der Gewährleistung eines Bedürfnisses. Die Zahl der Gewerbebetriebe wird nicht gesteuert. Sie richtet sich nach Angebot und Nachfrage.

Auf dieser Grundlage sind in Niedersachsen rund 20 000 Betriebe tätig.

Da die durch das Gaststättengewerbe tangierten Interessen auch ohne ein Ausübungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt gewährleistet werden können und – wie eingangs ausgeführt – eine relevante Gruppe von Gaststättenbetrieben seit mehr als 5 Jahren ohne Erlaubnis gegründet und betrieben werden dürfen, ist auch vor dem Hintergrund der Dienstleistungsrichtlinie in der Erlaubnispflicht ein nicht zu rechtfertigendes Marktzugangshemmnis zu erkennen.

Zu 2.:
Die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen sind im Rahmen eines Anhörungsverfahrens zum Gesetzentwurf eingebunden gewesen. Nach ihrer schriftlichen Stellungnahme wurde der Gesetzentwurf insbesondere im Hinblick auf die vorgetragenen Bedenken der drei Spitzenverbände mit deren Vertretern in einem Fachgespräch erörtert. Die Kritik der Spitzenverbände ist in den Gesetzesmaterialien dargestellt und behandelt. Die Landesregierung hält die Befürchtungen jedoch für ungerechtfertigt und erwartet insbesondere die Reduzierung von Aufwand und keinesfalls steigenden Verwaltungsaufwand.

Zu 3.:
Nein, der Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens wird durch das Niedersächsische Nichtraucherschutzgesetz gewährleistet, ohne Raucherinnen und Raucher zu diskriminieren. Dieser Interessensausgleich im Rahmen des Möglichen – ohne die Ziele des Gesundheitsschutzes aus den Augen zu verlieren – war und bleibt ein wesentliches Anliegen der Landesregierung.


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erstellt am:
19.08.2010

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