Aussolungen von Kavernen
Die Abgeordneten Sigrid Rakow, Marcus Bosse, Olaf Lies, Rolf Meyer, Klaus Schneck, Wiard Siebels, Brigitte Somfleth, Karin Stief-Kreihe und Detlef Tanke (SPD) hatten gefragt:
Im Landkreis Wittmund in der Nähe der Orte Horsten und Etzel hat die IVG bisher 44 Kavernen ausgesolt. 100 weitere Aussolungen sind vom Landesbergamt genehmigt, 90 sollen noch beantragt werden. Dieses sich entwickelnde großindustrielle Gebiet beunruhigt die Bürgerinnen und Bürger der Region und führt zu massiven Protesten.
Sorgen machen sich die Anwohnerinnen und Anwohner insbesondere wegen der zu erwartenden Bodenabsenkungen. Laut Aussage der IVG AG, beruhend auf einem Absenkungsprognosegutachten für rund 70 Kavernen, ist mit einer Bodenabsenkung von 1 bis 1,5 m zu rechnen, dies in einem Umkreis von 7 km.
Wir fragen die Landesregierung:
- Liegt der Landesregierung ein Gutachten über die prognostizierten Landabsenkungen vor? Wenn ja, wer hat den Auftrag erteilt, wer hat das Gutachten finanziert, welche Erkenntnisse ergeben sich aus dem Gutachten?
- Gibt es Maßnahmen, um die Bodenabsenkungen zu verhindern, bzw. welche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Vorsorge bezüglich der Auswirkungen von Bodenabsenkungen wird die Landesregierung treffen?
- Nach welchen Rechtsgrundlagen werden die Aussolungen genehmigt, und nach welchen Kriterien werden Sicherheitsstandards/-überprüfungen während der Arbeiten vorgeschrieben bzw. durchgeführt und kontrolliert?
- Sind Beweissicherungsverfahren vorgenommen/eingeplant worden - und in welchem Umkreis, um Veränderungen an Gebäuden durch die zu erwartenden Bodenabsenkungen feststellen zu können?
- Mit welchen Auswirkungen muss aufgrund der Kriecheigenschaft von Salz bei einem Kavernengelände des geplanten Ausmaßes gerechnet werden?
- Inwieweit ist unabhängige wissenschaftliche Begleitung bei der Entstehung und bei dem Betrieb der Kavernenanlage vorgesehen bzw. nötig?
- Welche Auswirkungen auf Straßen, Versorgungsleitungen, Abwasserkanäle werden die Bodenabsenkungen verursachen?
- Mit welcher finanziellen Absicherung wird dafür gesorgt, dass die IVG die Kosten für die Beseitigung der erstens durch die Aussolung und zweitens durch den Betrieb der Kavernen entstandenen Schäden in vollem Umfang übernimmt?
- Mit welchen Störfällen muss beim Betrieb der Anlage gerechnet werden, und wie wird Vorsorge für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger getroffen?
- Inwieweit werden die Bürgerinnen und Bürger über die Vorhaben durch wen informiert, und wo können sich Interessierte informieren, bzw. welche Vorgaben sind seitens der Genehmigungsbehörden diesbezüglich vorgesehen?
Kavernenspeicher wie der Untergrundspeicher Etzel sind ein bedeutender Bestandteil der nationalen Energieversorgung, denn sie ermöglichen den Ausgleich zwischen Produktion und Nachfrage. So decken diese Speicher Nachfragespitzen in der kalten Jahreszeit, aber auch im täglichen Verbrauch und sind in der Lage, auch längerfristige Importstörungen auszugleichen. Damit bilden Kavernenspeicher das Rückgrat der Versorgungssicherheit bei Erdöl und Erdgas und minimieren die Risiken für die Wirtschaft sowie etwaige Beeinträchtigungen der Lebensqualität der Bevölkerung, die durch einen Ausfall von Importen entstehen können.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die IVG Caverns GmbH (IVG) hat im Februar 2009 die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover, mit der Erstellung einer Senkungsprognose für den Untergrundspeicher Etzel beauftragt. Dieses Gutachten wurde im März 2010 fertig gestellt und am 29. Juni 2010 dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) vorgelegt.
In der Senkungsprognose stellt die BGR die Senkungen, die Senkungsraten und die Schiefstellungen über dem Kavernenfeld Etzel dar. Entsprechend den Berechnungen der BGR bildet sich über dem Kavernenfeld bruch- und versatzlos eine Senkungsmulde aus. Diese Senkungsmulde soll im Jahr 2044 eine Ausdehnung von ca. 5.400 bis ca. 6.600 m von Südwesten nach Nordosten und von ca. 3.800 bis ca. 5.400 m von Südosten nach Nordwesten haben. Im Zentrum dieser Senkungsmulde prognostiziert die BGR für das Jahr 2044 maximale Senkungen zwischen 1,01 m und 1,47 m. Die Senkungsmaxima liegen nach den hierzu erstellten Prognosen unmittelbar nördlich der Bundesstraße 436 zwischen den Ortschaften Etzel und Horsten. Sie nehmen bis zu den Ortslagen stark ab und sollen auf ungefähr 1/3 der Maximalwerte ausklingen. Die maximalen Schiefstellungen aus der Muldenoberfläche sollen im Jahr 2044 0,626 und 1,15 mm/m betragen.
Entsprechend den gutachterlichen Empfehlungen der BGR werden derzeit die Auswirkungen der prognostizierten Senkungen an der Tagesoberfläche untersucht und bewertet. Einen entsprechenden Gutachtenauftrag hat die IVG im Sommer 2010 an die DMT GmbH & Co. KG (DMT), Essen, vergeben. Die Vorlage dieses Gutachtens steht noch aus.
Die Kosten für die beiden vorgenannten Gutachten trägt die IVG.
Zu 2.:
Die Kavernen des Untergrundspeichers Etzel unterliegen der Konvergenz, d. h. durch Kriechbewegungen des Salzes tritt ein Volumenverlust der Kavernen ein, der an der Oberfläche Senkungen entstehen lässt. Da dieser Prozess nicht gänzlich unterbunden werden kann, ist nur eine Minimierung der Senkungen z.B. durch die Betriebsweise oder die Tiefenlage der Kavernen möglich.
Die Auswirkungen der Senkungen werden aktuell von der DMT gutachterlich bewertet, so dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine abschließende Aussage zu den erforderlichen Vorsorgemaßnahmen möglich ist. Die bisher eingetretenen Senkungserscheinungen lassen aktuell und auch mittelfristig keine negativen Auswirkungen durch die Bodenabsenkungen erwarten, die Vorsorgemaßnahmen erforderlich machen.
Zu 3.:
Die Errichtung von Untergrundspeichern einschließlich der dafür erforderlichen Aussolungen wird nach den Vorschriften des Bundesberggesetzes genehmigt. Für die Aussolung erstellt der Unternehmer für jede Kaverne einen bergrechtlichen Sonderbetriebplan und legt diesen dem LBEG zur Zulassung vor. Gegenstand dieser Betriebspläne sind u.a. die Hohlraumerstellung, das Solkonzept, die Überwachung der Hohlraumentwicklung sowie der Umfang der regelmäßigen Berichterstattung. Die Zulassung der Aussolbetriebspläne setzt für die einzelnen Kavernen gebirgsmechanische Gutachten voraus, die für den Untergrundspeicher Etzel durch das Institut für Unterirdisches Bauen der Leibniz Universität Hannover oder durch das Institut für Gebirgsmechanik, Leipzig, erstellt werden. Aufgrund der Ergebnisse dieser gebirgsmechanischen Gutachten legt das LBEG die zulässigen geometrischen Abmessungen der Kavernen fest. Die genannten Institute begleiten anschließend die Hohlraumentwicklung und stehen dem LBEG während des Aussolprozesses beratend zur Verfügung. In Einzelfällen wird auch die BGR gutachterlich tätig.
Die Entwicklung der Kavernen wird während der Aussolung und in der Betriebsphase im Rahmen der Bergaufsicht durch das LBEG ggf. unter Einbeziehung der Gutachter überwacht.
Zu 4.:
Zur Beweissicherung schreibt die Bergverordnung für Tiefbohrungen, Untergrundspeicher und für die Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen im Land Niedersachsen die Überwachung der Hohlraumentwicklung von Kavernen sowie Messungen an der Tagesoberfläche vor. Die Überwachung der Hohlraumentwicklung erfolgt durch Ultraschallmessungen in den Kavernen, wobei die Kavernen in ihrer Lage im Raum, ihrer Form und ihrer Ausdehnung erfasst werden. Für die Messungen an der Tagesoberfläche ist über dem Untergrundspeicher Etzel ein Festpunktnetz mit mehr als 840 Festpunkten angelegt, mit dem jährlich ca. 110 km² Oberfläche auf Höhenänderungen überwacht werden. Bei einer Vergrößerung des Senkungstrichters wird das Festpunktnetz entsprechend erweitert.
Zu 5.:
Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.
Zu 6.:
Eine wissenschaftliche Begleitung ist zum Abgleich der in der aktuellen Senkungsprognose der BGR erwarteten Senkungen zu den tatsächlich eintretenden Senkungen vorgesehen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.
Zu 7.:
Diese Frage kann derzeit nicht beantwortet werden, da die gutachterlichen Untersuchungen zu den Auswirkungen der von der BGR prognostizierten maximalen Bodenabsenkungen auf Infrastrukturelemente noch nicht abgeschlossen sind.
Zu 8.:
Die Aufwendungen für die Stilllegung und die Wiedernutzbarmachung des Untergrundspeichers Etzel einschließlich der Sicherung der Infrastruktur werden durch ein Treuhandkonto abgesichert. Die Höhe der jährlichen Zahlungen beruht auf gutachterlichen Feststellungen.
Ansprüche aus Schäden, die über die Wiedernutzbarmachung und die Sicherung der Infrastruktur hinausgehen, sind von den Betroffenen gegenüber der IVG im Zivilrechtsweg geltend zu machen.
Zu 9.:
Entsprechend der Zwölften Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung) hat die IVG als Betreiber einer Störfallanlage zur Vorsorge die nach Art und Ausmaß der möglichen Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern.
Zu diesen Störfällen zählen:
- ein Gasausbruch an einer Kavernenbohrung,
- der Bruch von Gasleitungen verbunden mit dem Austritt relevanter Mengen an Erdgas sowie
- das Versagen oberirdischer Behälter.
Zur Verhinderung dieser Störfälle sind z.B. die Betriebsbereiche mit den erforderlichen sicherheitstechnischen Einrichtungen ausgerüstet und es sind Vorkehrungen getroffen, damit Brände und Explosionen vermieden werden.
Weiterhin hat die IVG ein Konzept zur Verhinderung von Störfällen ausgearbeitet, das entsprechend den Entwicklungen im Betrieb aktualisiert wird. Dieses Konzept stellt einen Bestandteil des Sicherheitsberichtes dar, den die IVG erstellt und dem LBEG als zuständiger Überwachungsbehörde vorgelegt hat. Ferner hat der Betreiber alle Personen und alle Einrichtungen mit Publikumsverkehr, die von einem Störfall betroffen sein können, über die Sicherheitsmaßnahmen und das richtige Verhalten im Fall eines Störfalls zu informieren.
Die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften wird vom LBEG regelmäßig und systematisch überwacht.
Zu 10.:
Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist bei der Durchführung von Planfeststellungsverfahren vorgesehen. Ein solches Verfahren ist u. a. erforderlich, soweit Schwellenwerte des Anhangs 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) überschritten werden. Dies war im Zusammenhang mit dem Untergrundspeicher Etzel bislang nur bei der beantragten Erdgas-Speicherstation Etzel III der E.ON Gas Storage GmbH der Fall.
Mit dem Inkrafttreten der letzten Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben am 9. September 2010 wurde die Möglichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung und damit der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für Untergrundspeicher eröffnet. Danach ist für Gaskavernenprojekte, die definierte Schwellenwerte überschreiten, eine UVP-Vorprüfung nach § 3c UVPG durchzuführen. Sofern sich daraus die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben sollte, ist für die Genehmigung des Projektes ein Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben. Mit Bescheid vom 20. September 2010 hat das LBEG die Vorlage eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans mit Umweltverträglichstudie für den Untergrundspeicher Etzel gegenüber der IVG angeordnet. Die Prüfung der Zulassung dieses Rahmenbetriebsplans wird im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung vorgenommen.
Regelungen für eine Information der Öffentlichkeit sehen auch die Umweltinformationsgesetze oder Spezialgesetze vor. Danach hat jede Person nach Maßgabe des jeweiligen Gesetzes Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. Darüber hinaus hat das LBEG bei öffentlichen Ausschusssitzungen des Landkreises Wittmund oder im direkten Gespräch mit Beschwerdeführern über den angesprochenen Untergrundspeicher informiert. Die Öffentlichkeit wird zudem mittels Pressemitteilungen über aktuelle Entwicklungen informiert.
Die IVG Immobilien AG hat angekündigt, auf ihrer Kavernenanlage Etzel kurzfristig ein Informationszentrum einzurichten. Ein Bürgertelefon und ein Internetauftritt bestehen bereits.
Artikel-Informationen
erstellt am:
11.11.2010